Mittwoch19. November 2025

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Hongkong an den Urnen

Hongkong an den Urnen
(Reuters/Tyrone siu)

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Erstmals seit den tagelangen Demokratie-Protesten vor zwei Jahren haben die Bürger in Hongkong eine neue Gesetzgebende Versammlung gewählt.

Einige Aktivisten der Demokratiebewegung des Jahres 2014 durften sich Umfragen zufolge Hoffnungen auf einen Sitz im Abgeordnetenhaus machen. Die Forderung nach Unabhängigkeit war bislang in Hongkong tabu, die Idee gewinnt aber immer mehr Unterstützer. Mit Wahlergebnissen wurde am Montagmorgen gerechnet. Ersten Einschätzungen zufolge zeichnete sich eine hohe Wahlbeteiligung ab.

Eine Stunde vor der offiziellen Schließung der Wahllokale waren 52,6 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen gegangen. Obwohl die Abstimmung um 22.30 Uhr Ortszeit (16.30 Uhr MESZ) enden sollte, standen auch danach noch Menschen in Schlangen vor den Wahllokalen. Medienberichten zufolge beklagten einige Wähler Unregelmäßigkeiten. So seien Namen auf den Wählerlisten durchgestrichen gewesen, obwohl die Betroffenen noch gar nicht gewählt hatten.

Ein Land, zwei Systeme

Vor der Wahl hatte die Regierung der chinesischen Sonderverwaltungszone die Kandidaturen von fünf entschiedenen Unabhängigkeitsbefürwortern mit der Begründung untersagt, sie verstießen gegen Hongkongs Mini-Verfassung. Diese gilt seit 1997, als die damalige britische Kronkolonie Hongkong an China übergeben wurde – gemäß der Formel „Ein Land, zwei Systeme“.

Im August hatte es Proteste dagegen gegeben, dass Unabhängigkeitsbefürworter wie der Vorsitzende der Nationalpartei, Andy Chan, oder der Sprecher der Unabhängigkeitsgruppe Hong Kong Indigenous, Edward Leung, sich nicht zur Wahl stellen durften. Beide sprachen Anfang August während der ersten Kundgebung in Hongkong für die Unabhängigkeit von China.

Angst vor radikalen Kräften

Ein anderer Vertreter der Demokratiebewegung, der Studentenführer Joshua Wong, rief zusammen mit anderen Aktivisten der sogenannten Regenschirmbewegung die Partei Demosisto ins Leben. Diese fordert nicht Unabhängigkeit, sondern Selbstbestimmung für Hongkong. Kandidaten der Selbstbestimmungsbefürworter waren zur Parlamentswahl zugelassen.

Politiker des gemäßigten demokratischen Lagers befürchten, dass ihr Lager Parlamentssitze an radikalere Kräfte verlieren könnte. Der Verlust von vier Mandaten hieße, dass sie nicht mehr über den bisherigen Block von einem Drittel der Stimmen verfügen, mit dem sie wichtige Gesetzesvorhaben blockieren können. In Hongkong gilt kein allgemeines Wahlrecht, obwohl dies den Bewohnern bei der Unabhängigkeit von Großbritannien in Aussicht gestellt worden war.

Auch Wahlen für Regierungschef

Gegenwärtig werden nur 40 Abgeordnete für vier Jahre direkt gewählt, die anderen 30 bestimmen Interessengruppen, die größtenteils Peking-treu sind. 2017 soll erstmals der Regierungschef direkt gewählt werden, 2020 dann auch das gesamte Parlament. Die Volksrepublik China sagte Hongkong 1997 für 50 Jahre eine weitreichende innere Autonomie zu. Die Hongkonger Opposition wirft Peking jedoch vor, sich zunehmend in die Angelegenheiten der Stadt einzumischen und damit die Autonomievereinbarungen zu verletzen.

Der Hongkonger Führung lastet sie an, sich dem Einfluss aus Peking nicht wirksam genug entgegenzustellen. Vor einigen Wahllokalen gab es Proteste von Anhängern der Demokratiebewegung. Als der Peking-treue Verwaltungschef Leung Chun Ying seine Stimme abgab, bewarf ihn ein Demonstrant mit einem Thunfischsandwich. Seine Aktion begründete er mit den niedrigen Löhnen und der wachsenden Armut in der Wirtschaftsmetropole, in der ältere Menschen sich zum Teil kein Frühstück mehr leisten könnten.