In der Ostukraine wollen prorussische Kräfte am Sonntag über eine Abspaltung der Region vom Rest des Landes abstimmen lassen. Die Zentralregierung in Kiew sowie die EU und die USA erkennen die Befragung nicht an. Internationale Beobachter werden nicht zu der Abstimmung erwartet. Der Westen setzt auf die Präsidentenwahl am 25. Mai, um die angespannte Lage in der früheren Sowjetrepublik zu stabilisieren.
Bei dem Referendum sollen sich die selbst ernannten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk mit insgesamt mehr als 6,5 Millionen Bewohnern für unabhängig erklären. Ein Anschluss an Russland nach dem Vorbild der ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim ist vorerst nicht geplant. Beobachter bezweifeln, dass die Separatisten über eine ausreichende Struktur für eine geordnete Abstimmung verfügen.
Die Stimmabgabe soll von 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr Ortszeit (7.00 Uhr bis 21.00 Uhr MESZ) dauern. Im Gebiet Donezk seien 1527 Wahllokale zumeist in Schulen eingerichtet worden, sagte „Wahlleiter“ Roman Ljagin nach Angaben der russischen Agentur Itar-Tass. Die Frage auf dem Wahlzettel lautet: „Unterstützen Sie den Akt über die staatliche Eigenständigkeit der Volksrepublik Donezk?“ Wann die „Wahlleitung“ ein Ergebnis mitteilen will, ist noch unklar. „Das Ergebnis des Referendums gilt unabhängig von der Wahlbeteiligung“, wurde Ljagin weiter zitiert.
Keine Verhandlungen
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande hatten sich zuvor mit einem Appell zum nationalen Dialog an die Konfliktparteien gewandt. Die prowestliche Führung in Kiew und die prorussischen Kräfte im Osten des Landes beharren jedoch auf ihren Positionen. Die Regierung lehnt Verhandlungen mit „Terroristen“ ab; die Separatisten fordern einen Gewaltstopp.
Regierungstruppen gehen in der Ostukraine seit etwa zwei Wochen gegen zum Großteil bewaffnete Kräfte vor, die in der Region Dutzende Verwaltungsgebäude besetzen. Zahlreiche Menschen starben, viele sprechen von bürgerkriegsähnlichen Zuständen.
Weitere Sanktionen
Der Westen erwartet von der russischen Regierung, mäßigend auf die Separatisten einzuwirken. Vorgeworfen wurde ihr auch, die Krise anzuheizen. Die USA und die EU drohen mit schärferen Strafmaßnahmen.
Altkanzler Gerhard Schröder warnte vor einem solchen Schritt. „Man sollte jetzt weniger über Sanktionen sprechen, sondern auch über russische Sicherheitsinteressen“, sagte der SPD-Politiker der „Welt am Sonntag“ und dem „SonntagsBlick“. Eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine etwa sei für Russland nicht akzeptabel. „Ich höre stattdessen immer nur, der Westen müsste Russland und Putin isolieren.“
EU-Assoziierungspolitik
Den Ausgangspunkt der Krise sieht Schröder bei der Europäischen Union. „Der grundlegende Fehler lag in der EU-Assoziierungspolitik“, sagte er den Zeitungen weiter. Die EU habe ignoriert, dass die Ukraine ein kulturell tief gespaltenes Land sei. „Über eine Assoziierung hätte man reden können, aber zeitgleich mit Russland! Das „Entweder oder“ – also entweder Assoziierung mit der EU oder Zollunion mit Russland – war der Anfangsfehler.“
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