„Hauptsache es geht nichts hoch“

„Hauptsache es geht nichts hoch“

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Für Hannover war es eine Herausforderung: Zehntausende Menschen mussten wegen drei Blindgängern in Sicherheit gebracht werden. Viele Bewohner reagierten gelassen und nutzten die Zeit für Museumsbesuche.

„Wegen Bombenräumung am Sonntag geschlossen“, steht auf einem per Hand geschriebenen Schild an der Eingangstür einer Bäckerei. Auch Tankstellen und Kioske haben wegen der Bombenentschärfung in drei Stadtteilen Hannovers an diesem Tag dicht gemacht – stattdessen fuhren vormittags Polizeiwagen durch die Viertel, um die Bewohner zum Verlassen der Häuser aufzufordern: Zwei Stunden später waren die Straßen verwaist.

An den Straßenbahnhaltestelle im Norden der Stadt stehen am Sonntagmorgen viele Paare, Familien mit Kinderwagen und Taschen, Kinder halten ihre Kuscheltiere fest. Fahrräder und Autos fahren vorbei – alle in Richtung Zentrum, raus aus der Evakuierungszone. Etwa 50.000 Menschen in Hannover sind betroffen. Es ist die zweitgrößte Aktion dieser Art in der Nachkriegszeit: In Augsburg mussten vor einem halben Jahr 54.000 Menschen ihre Wohnungen verlassen.

„Wie in einem Endzeitfilm“

In Hannover reagierten viele gelassen. „Hauptsache es geht nichts hoch“, sagt Kornelia Elsmann, die als Betreuerin an der Senioren-Residenz Vahrenwald arbeitet. Sie verbrachte den Tag in einer der Notunterkünfte, die in Schulen eingerichtet wurden. Die Unterkünfte wurden gar nicht voll: Viele Betroffene hielten sich bei teilweise sonnigem Wetter lieber draußen auf. Einige wie Dominik Kühn trafen sich bei Freunden zum Grillen. Er sagte: „Ein unwohles Gefühl habe ich nicht, aber als ich am Morgen die Einsatzwagen durch die Straßen habe fahren sehen und die Durchsagen zu hören waren – das war schon eine skurrile Stimmung. Fast wie in einem Endzeitfilm.“

Christiane Bosold ging mit ihrem Mann und zweijährigen Kind in den Zoo und hatte sicherheitshalber den Kofferraum des Familienautos vollgepackt, falls die Evakuierung erst spät am Abend zu Ende sein sollte. „Dann fahren wir nach Göttingen zu meinen Eltern“, so Bosold.

Freizeitprogramm organisiert

Die Stadt Hannover hatte ein Freizeitprogramm organisiert: Der Eintritt in einige Museen und Schwimmbäder war kostenlos, Kinos boten Sondervorstellungen an. Das Angebot nutzten viele. Allein ins Sprengel Museum kamen bis zum Mittag 700 Besucher, sagte eine Mitarbeiterin. Sonst seien es bis mittags nur etwa 200 Besucher.

Mehr als 2.400 Feuerwehrleute, Polizisten und andere Helfer waren im Einsatz – mit dabei auch etwa 180 Rettungs- und Krankenwagen, sowie zwölf Busse, auf denen vorn «Evakuierung» stand. Gegen 14 Uhr galt das Areal als gesichert. Vorher war ein Hubschrauber – ausgestattet mit einer Wärmebildkamera – über das Gebiet geflogen, um letzte in Häusern gebliebene Menschen auszumachen.

Drei Blindgänger

Für die Spezialisten des Kampfmittelräumdienstes wurde es am Nachmittag ernst: Drei Blindgänger galt es unschädlich zu machen. Zwei britische Fünf-Zentner-Bomben und eine Zehn-Zentner-Bombe wurden auf einem Baugelände identifiziert. Eine machte Probleme: Sie konnte nicht manuell entschärft werden, hieß es. Am Anfang waren die Einsatzkräfte noch von fünf Blindgängern ausgegangen. Zwei erwiesen sich als Metallschrott.

Der Bahnverkehr geriet dadurch weit weniger durcheinander als befürchtet: Am Nachmittag konnte der Hauptbahnhof in Hannover doch vom Regional- und Fernverkehr genutzt werden. Ursprünglich hatten die Züge den Hauptbahnhof umfahren sollen.