Verstaatlichung kostet bis zu 1,5 Milliarden

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Die wallonische Regierung müsste für eine Verstaatlichung der Stahlwerke Liège des Arcelormittal-Konzerns bis zu 1,5 Milliarden Euro über einen Zeitraum von 5 Jahren ausgeben, ermittelte das Beratungsbüro Roland Berger. Das schreibt die belgische Wirtschaftszeitung "L´Echo".

Am vergangenen Freitag hatten sich, wie es jetzt bekannt wurde, Mitarbeiter von Roland Berger, Verantwortliche der Arbeitsgemeinschaft der belgischen Stahl-Gewerkschaften und Mitarbeiter des wallonischen Wirtschaftsministers Jean-Claude Marcourt zusammengefunden. Ziel der Sitzung war die Vorstellung eines Zwischenberichtes des Beratungsinstitutes Berger. Der Münchner Berater sowie Experten der Bank Degroof waren am 1. Februar dieses Jahres im Rahmen einer „Taskforce“ beauftragt worden, die Situation in Liège zu untersuchen.
ArcelorMittal beabsichtigt, dort die Flüßigphase mit den Hochöfen sowie die Kokerei und sechs Walzstraßen zu schließen. Zur Disposition sollen 2000 Arbeitsplätze stehen. Ähnliche informelle Treffen hatten bereits in den vergangenen Wochen stattgefunden.

Der belgische Abgeordnete der Grünen, Christian Noiret, schlägt vor, dass sich der Vorstandsvorsitzende des weltgrößten Stahlkonzerns Arcelormittal, Lakshmi Mittal, einer Kommission des wallonischen Parlamentes stellt. Noiret bezieht sich darauf, dass Mittal am 17. April Gast einer Enquête-Kommission der Assemblée Nationale in Paris ist. „Wenn Mittal sich vor der Assemblée Nationale rechtfertigt, dann könnte er sich mindestens auch dem wallonischen Parlament stellen.“ Noiret verweist gegenüber der belgischen Wirtschaftszeitung „L’Echo“ darauf, dass Mittal wegen 629 Arbeitsplätzen und der Garantie, dass niemand entlassen wird, in Paris gehört wird. In Wallonien, so der Abgeordnete, handle es sich mit über 2.000 abzubauenden Arbeitsplätzen, um ein Vielfaches der Stellen, die in Florange bedroht gewesen sein.

Die Berger-Berater stellten während der Sitzung im Wesentlichen zwei Möglichkeiten vor. Die erste bestünde in einer Verstaatlichung der Anlagen. Nach ihrer Schätzung fielen dafür in einem Zeitraum von fünf Jahren bis zu 1,5 Milliarden Euro an. Ohne dass eine genaue Aufschlüsselung dieser Summe bekannt wurde, soll sie einerseits zu einer Verbesserung der technischen Anlagen benutzt werden, andererseits den an ArcelorMittal zu zahlenden Kaufpreis beinhalten. Sollte die Region Wallonien nicht in der Lage sein, diese Summe aufzubringen, würde die einzige Alternative darin bestehen, einen privaten Interessenten zu gewinnen. Dabei gäbe es zwei Probleme: Der private Interessent müsse in der Lage sein, die Anlagen zu rentabilisieren, die Arcelormittal schließen will und Arcelormittal müsse bereit sein, die Anlagen zu verkaufen.

200 Millionen Einnahmeausfall

Nach Berechnungen der Berater und der Bank Degroof liegt der Einnahmeausfall für den Bereich Wallonien und für das Königreich Belgien bei 200 Millionen Euro im Jahr. Die Gewerkschaften sind, so eine Äußerung gegenüber der belgischen Wirtschaftszeitung „L’Echo“, der Meinung, dass sich der daraus ergebende Aufwand von einer Milliarde Euro für die Rettung von 2.000 Arbeitsplätzen lohnen würde. Ihrer Auffassung nach könne man zunächst mit einem Hochofen beginnen und 1,5 bis zwei Millionen Tonnen pro Jahr produzieren. Der Absatzmarkt soll überwiegend bei „kleinen Kunden“ liegen. Dieses Stahlwerk soll hochflexibel sein, eine Qualität, die es derzeit bei ArcelorMittal nicht geben soll. Die Entwicklung dieses Stahlwerkes soll außerhalb der Gruppe Arcelormittal stattfinden.

Das Beratungsinstitut Roland Berger soll in diesem Zusammenhang mitgeteilt haben, dass es bisher von keinem Stahlhersteller in Europa Interesse an den Arcelormittal-Anlagen in Liègegegeben habe. Ein nicht genannter deutscher Stahlhersteller habe lediglich Interesse an der Übernahme der Kokerei gezeigt.

Kein Kommentar

ArcelorMittal Belgien hat die Informationen aus den formellen Treffen nicht kommentiert. Das Unternehmen setzt weiter auf den bekannten Industrieplan, der eine Investition in Höhe von 138 Millionen Euro in die Walzstraßen vorsieht. Wesentlicher Punkt in dem Investitionsplan ist die Entwicklung einer Vakuum-Beschichtungseinheit, in die 60 Millionen Euro investiert werden sollen.

Die Gewerkschaften wollen sich am 4. April in allen neuen europäischen Länder, in denen Arcelormittal Werke hat – Deutschland, Belgien, Frankreich, Spanien, Italien, Luxemburg, Polen, Rumänien, Tschechien – zu Protestveranstaltungen versammeln. Eine zweite Aktion dieser Art soll nach Miteilung der belgischen Gewerkschaften am 1. Mai stattfinden.