Geheime Kämpfer bei der Armee

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Ex-Srel-Chef Marco Mille trat am Mittwoch in den Zeugenstand. Seine Theorie: Die Täter kommen aus der Armee. Dort könnte es ein eigenes Stay Behind geben.

Vor Gericht wurde am Mittwoch der ehemalige Geheimdienst-Chef Marco Mille befragt. Mille war zwischen 1998 und 2010 beim Srel. Zunächst geht es um die Durchsuchungen beim Geheimdienst im Jahre 2003. Die Srel-Mitarbeiter seien über die Aktion überrascht gewesen, so Mille. Im Visier der Ermittler war das Geheimdienst-Archiv. Dort herrsche ein ein Durcheinander. Man hatte außerdem nicht genug „Ressourcen“, um ein „ordentliches“ Archiv aufzubauen. Die Agenten halfen den Ermittlern so gut sie konnten. Letztere hätten dann auch Akten mitgenommen. Es sei zunächst nichts Weltbewegendes dabei gewesen, erinnert sich der Ex-Direktor.

2003 wurde Marco Mille von Charles Hoffmann als Chef des Geheimdienstes ersetzt. Die Bombenleger-Affäre sei beim Wechsel auf dem Chefsessel aber nie ein Thema gewesen. Erst nach der Durchsuchung habe man sich mit dem Dossier beschäftigt, so Mille. Er kann sich auch an die Observation am und aus dem Staatsrat erinnern. Details weiß er aber nicht.

Falsche Namen

Über Jos Steil sagte Mille er habe nie für den Srel gearbeitet. Auch ein Herr Leurs kenne er nicht, so Mille. Leurs hatte eigenen Aussagen zufolge seine Zusammenarbeit mit dem Srel 1998 beendet, im gleichen Jahr wie Mille dort anfing. An Zahlungen an Leurs könne er sich nicht erinnern. Die Agenten arbeiteten unter falschen Namen. Sie hätten das Geld bar in die Hand bekommen. Quittungen gab es nicht. Zahlungen von 20.000 Franken seien unmöglich gewesen. Man habe im Zusammenhang mit den Ermittlungen viele Unterlagen an die Unteruchungsrichterin Doris Woltz geschickt. Es gab aber nur wenige Unterlagen über das „comité permanence de sécurité“. Dies war damals bei den Anschlägen zusammengesetzt worden. Es bestand aus Armee, Gendarmerie, Police und Geheimdienst.

Die Schaffung der „Task-Force“ sei gut gewesen. Sie ergriff aber keine Maßnahmen, betonte Mille. Auch die Kommunikation mit der Gendarmerie war nicht gut. Der Ex-Srel-Chef wies die Aussage des Zeugen Kohnen zurück, dass bei der Geldübergabe am Theaterplatz der Geheimdienst involviert gewesen sein soll. Der Geheimdienst hätte damals aber mehr handeln müssen, da es sich um eine Anschlagserie handelte. Der Dienst wollte helfen. Es gab aber kein klares Gesetz für Terrorismusfragen und keine Kommunikation mit der Politik. Die Gendarmerie hätte den Geheimdienst aus der Affäre raus gehalten. Da die Attentate keinen internationalen Hintergrund hatten, wurde der Srel nicht aktiv.

Stay Behind

Mille kritisierte am Mittwoch vor Gericht auch, dass viele geheime Dokumente bei der Presse landeten. Das habe die Ermittlungen behindert. Warum die Berichte von Ex-Agent Kaudé über die abgebrochene Observation von Ben Geiben und die Verdachtsmomente gegen Jos Steil der Gendarmerie nicht übergeben wurden, weiß Mille nicht.

Der Geheimdienst kam über über den Autor Daniele Ganser auf eine mögliche Verbindung der Bombenattentate zu Stay Behind. Eine Einheit „action“ habe es bei Stay Behind im Geheimdienst nicht gegeben, betont Marco Mille. Es könne aber eine Struktur hinter den Anschlägen stecken, die außerhalb von Stay Behind operierte und die politisch gedeckt war. Der Geheimdienst hatte keinen Grund Bomben zu legen, um ernster genommen zu werden. „Warum hörten die Anschläge auf, als es eine Reform im Sicherheitsapparat gab?“, fragt Mille.

Gut ausgebildet

Die Gruppe, welche die Anschläge verübte war auf jeden Fall top-ausgebildet und verschwiegen. Da waren jahrelange Vorbereitungen notwendig, so Milles Theorie. Er nennt den ehemaligen Minister Emile Krieps als möglichen Kopf. Er hatte eine militärische Ausbildung und war jahrelang der zuständige Minister. Mille versucht seine Theorie mit historischen Fakten zu untermauern. Stay Behind galt in den 1950ern als Filetstück der Armee, so Mille. 1960 wurde dieses Filetstück aber der Armee weggenommen, durch die Schaffung des Geheimdienstes. Es sei möglich, dass die Einheit innerhalb der Armee weiterlebte.

In den 1970ern wurde dann ein „Sicherheitsrat“ ins Leben gerufen und die BMG gegründet. Es zeige alles auf die Armee, unterstreicht Mille, der die Frage stellt, was aus den 40 Mitgliedern des Stay Behind-Netzes nach der Gründung des zivilen Geheimdienstes geworden ist?

Spur zur Armee

Die Attentäter seien mit der Situation bei der Gendarmerie nicht zufrieden gewesen, erörtert Mille weiter. Geiben wurde von Emile Krieps protegiert. Deshalb machte er eine steile Karriere. Er hatte unter Colonel Wagner eine Reihe von Forderungen gestellt. Das kam nicht gut an. Erstaunlich sei auch der Weggang Geibens aus der BMG kurz nachdem Krieps abgewählt wurde. Milles Theorie zufolge schützte Krieps die Organisation jedoch auch noch nach seinem Ausscheiden aus der Regierung.

Führt die Spur in Richtung Herrenberg? Laut Mille ja. 1984 gab es in der Politik Diskussionen darüber, eine Reservearmee in Luxemburg einzuführen. Die USA hatten damals Forderungen gestellt, die Armee auszubauen. Beim Srel gab es unter Mille mehrere Hypothesen zu den Hintermänner. Die Agenten schafften es aber nicht, sie auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.

Alles möglich

Für die Verteidigung sind die Theorien von Marco Mille plausibel. Stay Behind in der Armee sei im Zusammenhang mit dem Bombenleger bewusst ignoriert worden, schlussfolgert Lydie Lorang. Während das Netz im Geheimdienst nur für Funken sowie Ex- und Infiltration zuständig war, könnten Mitglieder in der Armee den offensiven Part („action“) übernommen haben.