Der Taxifahrer in Paris ist „stinksauer“ auf seine Regierung. Sein Vater, erzählt er, ist über 90 Jahre alt. Er hat eine Rente von etwas über 700 Euro. Neulich sei er zu ihm gekommen, und habe ihm erzählt, dass die Regierung ihm Geld zahlen werde. Bei näherer Betrachtung stellte sich aber heraus, dass der alte Herr kein Geld geschenkt bekommt, sondern dass er dem Staat Geld schenken soll.
Er soll, so der Steuerbescheid, nun Wohnsteuer bezahlen. Sein Vater verstünde das nicht. Er habe sein ganzes Leben hart gearbeitet, habe nur eine geringe Rente und habe keine Steuern mehr bezahlt, seit er Rentner geworden sei. Und nun das. Das französische Steuersystem ist kompliziert. Es gibt keinen Lebensbereich, den die Steuer nicht entdeckt hat.
58 Milliarden Euro Steuern
Seit Amtsantritt des Staatspräsidenten Francois Hollande sind die Familien mit 58 Milliarden Euro Steuern mehr belastet worden. Dabei gibt es Ungereimtheiten. Hygiene Artikel für Frauen zum Beispiel werden nicht als Grundbedarf anerkannt und mit dem vollen Mehrwertsteuersatz besteuert. Coca Cola hingegen nur mit 5,5 Prozent. Frauen sind in dem Land der Gleichheit und der Gleichberechtigung gleich noch ein weiteres Mal benachteiligt. Mütter, die für die Erziehung ihrer Kinder einen Aufschlag auf die Rente erhalten, müssen diesen Aufschlag versteuern.
Rentner mit geringen Renten zahlen in Frankreich keine Steuern. Allerdings ist das System nicht ganz einfach. Neben der Einkommensteuer gibt es noch die Wohnsteuer, und auch die Grundsteuer. Die Wohnsteuer wird von allen erhoben, die am 1. Januar eines Jahres in einer Wohnung oder einem Haus leben. Der französische Fiskus ist dabei unnachsichtig. Seine Mutter, erzählt ein Normanne, sei am 1. Januar 2015 mittags gestorben. Da sie noch einen halben Tag gelebt hätte, so die Argumentation der Steuerbehörde, hätten ihre Kinder für die verstorbene Mutter Wohnsteuer für 2015 zahlen müssen.
Nicht für alle
Die Wohnsteuer betrachtet den Mietwert eines Hauses oder einer Wohnung, auf der Basis des Jahres 1970. Auch Hausbesitzer müssen zahlen. Bei ihnen nimmt der Fiskus theoretisch an, dass sie in ihrem eigenen Haus zur Miete wohnen, berechnet den theoretischen Mietwert und erstellt einen Steuerbescheid.
Rentner wie der Vater des Taxifahrers müssen wegen ihres geringen Einkommens keine Wohnsteuer bezahlen. Allerdings hatte die konservative Mehrheit mit Staatspräsident Sarkozy im Jahre 2008 eine Änderung beschlossen, die nun 2015 erst wirksam wird. Witwen und Witwer verloren innerhalb ihrer Steuerklasse eine Vergünstigung. Steuerlich gerieten sie in einen Bereich, der sie nun zur Wohnsteuer veranlagte.
Auf der Suche nach Rentnern
Gut 100 sozialistische Abgeordnete hatten die Regierung gewarnt, dass sich etwas zusammenbraue und man etwas tun müsse. Finanzminister Michel Sapin und sein Steuer-Staatssekretär Christian Eckert schlugen die Warnungen in den Wind. Mit der Versendung der ersten Wohnsteuer-Bescheide aber brach ein Sturm los. Alle Fernsehstationen suchten sich „ihre“ Rentner, die mittags und abends am Tisch saßen, in ihrem Bescheid blätterten, und in die Kamera hinein erzählten, dass sie bei ihrer Rente die Steuer nicht bezahlen könnten und völlig überrascht worden seien.
In der Nationalversammlung wurde die Regierung überschüttet mit Anfragen und Vorwürfen, so dass am Ende Finanz-Staatssekretär Christian Eckert die Rentner aufforderte, die Steuerbescheide nicht zu beachten und die Steuer nicht zu bezahlen. Wer sie schon bezahlt hat, teilte das Ministerium zwischenzeitlich mit, würde sie in den kommenden Monaten zurück erhalten.
„Amateure“
Wer sich an sein Finanzamt wende, der erhielte sie sofort zurück. Jetzt gibt es eine Welle aus Hohn und Spott, die sich über die Regierung ergießt: „Amateure“ ist dabei noch der geringste Ausdruck. Für den Vater des Taxifahrers hatten die Kinder die Steuer bezahlt. Sie werden sie jetzt zurückholen und sie ihrem Vater belassen, als eine Art Weihnachtsgeschenk der französischen Regierung.
Lesen Sie auch:
		    		
                    De Maart
                
                              
                          
                          
                          
                          
                          
                          
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können