„Wir sind erleichtert“, sagte Feuerwehrsprecher Manfred Morschhäuser nach den fast dreistündigen Arbeiten unter Hochspannung am Sonntag. Die Stadt Koblenz hatte zuvor die bundesweit größte Evakuierungsaktion wegen eines Blindgängers seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt. Rund 45.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen – fast die Hälfte der Einwohner der Stadt.
Luftmine
Luftminen sind im Zweiten Weltkrieg von Deutschen, Briten und Amerikanern bei Luftangriffen auf Städte eingesetzt worden. Sie waren bis zu 80 Prozent mit hochexplosivem Sprengstoff gefüllt und größer als herkömmliche Bomben. Auch ihre Sprengkraft war enorm, so zerstörte die Druckwelle im Umkreis von 100 Metern in der Regel alle Häuser und beschädigte Gebäude in bis zu 1.000 Metern Umgebung stark.Die Explosion wurde meist durch sogenannte Aufschlagszünder ausgelöst. Bei der Luftmine in Koblenz handelt es sich um ein 1,8 Tonnen schweres britisches Modell namens „HC 4.000“. An ihm wurden drei Zünder gefunden.
dapd
Im Rhein schlummerte seit fast 70 Jahren eine 1,8 Tonnen schwere britische Luftmine und eine kleinere US-Bombe. Vor allem die kleinere Bombe bereitete den Sprengstoffexperten Sorgen: Sie war in einem schlechten Zustand und galt als besonders gefährlich. Auch für den technischen Leiter des Kampfmittelräumdienstes Rheinland-Pfalz war der Einsatz in Koblenz nicht alltäglich: „Ich hatte schon ziemliches Interesse daran, das Ding zu entschärfen, das war nicht das Übliche“, sagte Horst Lenz am Sonntag.
„Fast verpennt“
Nervosität kennt er in seinem Geschäft jedoch nicht: „Ich bin auch heute Morgen ganz normal aufgestanden und hätte fast sogar verpennt“, gestand Lenz nach der erfolgreichen Entschärfung. Die Sprengsätze waren wegen des niedrigen Wasserstands nach dem trockenen November aufgetaucht. Spaziergänger hatten die größere Bombe am 20. November in der Nähe des Deutschen Ecks entdeckt.
Nach der Entschärfung der beiden Bomben gelang am Nachmittag auch die kontrollierte Sprengung eines Tarnnebel-Fasses mit giftigen Chemikalien, dass ebenfalls im Rhein entdeckt worden war. Anschließend wurde die Evakuierung aufgehoben und das Sperrgebiet 1,8 Kilometer rings um die Bomben wieder freigegeben.
Sehr gelassen
Die Koblenzer hatten die Aufforderung, ihre Häuser zu verlassen sehr gelassen aufgenommen. Ab 9.30 hallten im strömenden Regen Aufforderungen der Bundeswehr durch die Straßen, die Gefahrenzone zu verlassen. Wie das Pressezentrum der Stadt mitteilte, verlief die Evakuierung reibungslos. Die Experten des Kampfmittelräumdienstes konnten sogar früher als geplant mit der Entschärfung beginnen. Autos, Züge und Schiffe auf dem Rhein waren da schon längst nicht mehr zu sehen.
Etwa 2500 Helfer aus ganz Rheinland-Pfalz waren im Einsatz. Rund 550 Hilfsbedürftige wurden aus der Sperrzone gefahren. Schon in den vergangenen Tagen waren sieben Altenheime, zwei Krankenhäuser und eine Haftanstalt geräumt worden. Die Stadt hatte sieben Notunterkünfte mit 12.000 Plätzen eingerichtet. Viele Koblenzer zogen jedoch ein Wochenende bei Freunden und Bekannten vor – nur rund 500 Menschen suchten dort Zuflucht.
Alles leer
Bei einer letzten Kontrolle durch die Stadt mit insgesamt 106.000 Einwohnern prüften am Sonntagvormittag noch rund 1000 Einsatzkräfte, ob die Sperrzone wirklich menschenleer war. Dabei musste die Feuerwehr vier verschlossene Türen öffnen. Eine demenzkranke Frau wurde so noch in Sicherheit gebracht. In drei Fällen war der Verdacht allerdings unbegründet – Zeitschaltuhren hatten das Licht in den Wohnungen brennen lassen.
Koblenz war schon öfter Schauplatz spektakulärer Entschärfungen, weil die Stadt im Zweiten Weltkrieg als Militärzentrum und Verkehrsknotenpunkt stark bombardiert worden war. Bei der bislang umfangreichsten Evakuierung in der Nachkriegsgeschichte hatten am Pfingstmontag 1999 rund 15.000 Koblenzer ihre Häuser räumen müssen.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können