EU in Flüchtlingsfrage tief gespalten

EU in Flüchtlingsfrage tief gespalten
(dpa)

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Der Flüchtlingsstrom aus Nordafrika reißt Gräben in Europa auf. Die EU will dem kleinen Inselstaat Malta helfen, doch Italien soll sein Problem alleine lösen. Der Streit eskaliert.

Die Flüchtlingskrise stürzt Europa in eine tiefe Krise und reißt alte Gräben zwischen dem Süden und dem Norden auf. Italien muss aus Sicht der EU-Partner sein Flüchtlingsproblem alleine lösen. Rom provoziert mit seiner Ankündigung, viele der 23 000 nordafrikanischen Flüchtlinge kurzerhand in andere Staaten weiterreisen zu lassen. Dies traf am Montag bei den EU-Innenministern in Luxemburg auf erbitterte Ablehnung. Frankreich und Deutschland führen die mächtige Allianz der Kritiker an – doch eine Handhabe gegen Italien haben sie nicht.

Dagegen sind mehrere EU-Länder bereit, dem kleinen Inselstaat Malta zu helfen. Mindestens fünf Länder – Deutschland, Ungarn, Belgien, Schweden und Slowakei – wollen nordafrikanische Flüchtlinge von Malta aufnehmen. Berlin will 100 Migranten übernehmen. „Wir bitten um Solidarität für Malta, weil Malta ein sehr kleines Land ist“, sagte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström.

Asylrecht nur für politische Flüchtlinge

Die EU unterscheidet zwischen Flüchtlingen, die wegen politischer Verfolgung ihre Heimat verlassen – wie beispielsweise aus Libyen, die vor allem in Malta landen. Und auf der anderen Seite Wirtschaftsflüchtlingen, wie aus Tunesien, die vor allem in Italien eintreffen. Letztere haben in der Regel kein Recht auf Asyl und sollen zurückgeführt werden.

Italiens Regierung fühlt sich von der EU alleingelassen und stellt den Sinn der Staatengemeinschaft infrage. Die europäischen Minister einigten sich in Luxemburg nur auf einen Minimalkonsens und sagten Italien weitere Unterstützung von EU-Grenzschützern und Geld aus EU-Fonds zu.

Italien darf Visa ausstellen

Nach EU-Recht kann Italien durchaus Flüchtlingen eine befristete Aufenthaltsgenehmigung ausstellen, mit der sie in andere Länder des grenzkontrollfreien Schengen-Raums weiterreisen dürfen. „Natürlich darf Italien das“, nahm EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström Italien in Schutz. Rom hat dies bisher nur angekündigt, aber noch nicht in die Praxis umgesetzt.

Italien musste von den Partnern massive Kritik einstecken. Österreichs Innenministerin Maria Fekter sprach von einer „unsolidarischen Maßnahme“, die zum Kollaps des grenzfreien Schengen-Raums führen könnte: „Das hat einen enormen Staubsaugereffekt auf alle Migranten, die nach Italien gelangen.“

Rücknahme von tunesischen Flüchtlingen

Zur Entschärfung des Streits will die EU-Kommission mit Tunesien die Rücknahme der Flüchtlinge vereinbaren. Zu diesem Zweck reist EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Dienstag in das nordafrikanische Land.

Italien zeigte sich nach dem Treffen zutiefst enttäuscht und beteiligte sich nicht an der Abschlusserklärung. Innenminister Roberto Maroni drohte gar mit einem Austritt aus der EU. „Ich frage mich, ob es wirklich Sinn macht, weiter an der Europäischen Union teilzunehmen, die bereit ist, die Banken zu retten und Kriege zu erklären, aber wenn es darum geht, ein Land in Schwierigkeiten zu helfen, da versteckt sie sich.“

23.000 Flüchtlinge auf Lampedusa

Seit Beginn der politischen Unruhen in Nordafrika sollen allein auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa mindestens 23.000 Flüchtlinge angekommen sein. Die meisten von ihnen stammen aus Tunesien. Auf Malta befinden sich knapp 1.000 Flüchtlinge zumeist aus Libyen.