EU-Gerichtshof bremst Frankreich

EU-Gerichtshof bremst Frankreich
(AFP)

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Europäer brauchen in Frankreich keine Sozialabgaben zu bezahlen, wenn sie das in einem anderen Land schon tun, verkündete der europäische Gerichtshof am Donnerstag.

Der Streit ist ein grundsätzlicher Natur und Frankreich führt ihn in jeder Einzelheit und auf jeder Ebene. Ist die „contribution sociale généralisé“ (csg) (Genereller Sozial Beitrag) eine Steuer oder ist sie eine Sozialabgabe? Ist die „contribution pour la réduction du déficit de la sécurite sociale“ (crds) (Beitrag für die Rückführung der Schulden der Sozialversicherung) eine Steuer oder ist sie eine Sozialabgabe? Die französische Regierung betrachtet beide Beiträge als eine Steuer. Verschiedene Gerichte urteilen, dass es sich – wie schon der Name sagt – um einen Sozialbeitrag handelt. Das jüngste Urteil fiel am Donnerstag im Europäischen Gerichtshof in Luxemburg: CSG und CRDS sind Sozialabgaben.

Der Unterschied ist beträchtlich. Handelt es sich um eine Steuer, dürfen Ausländer selbst dann zur Kasse gebeten werden, wenn sie in ihrem Heimatland schon Steuern gezahlt haben. Handelt es sich um eine Sozialabgabe, dann geht der französische Staat leer aus, wenn im Heimatland des Europäers, etwa für einen Rentner, Sozialabgaben bezahlt werden. Das sieht eine europäische Verordnung so vor. Und das hat seinen Grund: Die heimische Krankenkasse nämlich folgt ihrem Versicherten. In Frankreich zahlt zwar zunächst die Sécurité Sociale, aber die holt sich das Geld von der heimischen Kasse Das funktioniert quer durch Europa. Ein Franzose in Deutschland würde zunächst von einer deutschen Ersatzkasse übernommen, die sich von der Sécurité Sociale in Frankreich die Auslagen ersetzen lässt. Ein Franzose in Luxemburg wird zunächst von „caisse nationale de santé“ betreut, die sich dann an die sécurite sociale in Frankreich wendet.

Keine Steuern, sondern Abgaben

Frankreich hat verschiedene Niederlagen mit seiner CSG erlitten. Die französischen Grenzgänger in Deutschland sollten im Saarland Sozialbeiträge bezahlen und in Frankreich die csg und crds. In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts legte die Vereinigung der französischen Grenzgänger in Saargemünd mit einigen tausend Klagen vor dem Straßburger Verwaltungsgericht das Gericht lahm. In fünf repräsentativen Klagen entschieden die Richter, dass die beiden Abgaben, die ursprünglich ein Prozent betrugen, heute aber mit 8,2 Prozent heftig neben der Einkommensteuer zu spüren sind, Sozialabgaben sind. Frankreich aber gab nicht auf, fand andere Möglichkeiten und ließ sich immer wieder von den Richtern auf die Finger klopfen, zuletzt im Jahre 2000, als der Europäische Gerichtshof entschied: CSG und CRDS sind Sozialbgaben.

Anderthalb Jahrzehnte später musste ein neues Urteil her. Und das, weil die französische Regierung das Programm, des Staatspräsidenten Francois Hollande umsetzte. Nicht nur die Arbeit sollte mit CSG/CRDS belastet werden, sondern alle anderen Einnahmen auch. Und das nicht ohne Grund. Die Sécurité Sociale macht Milliarden Defizite. Die Anhebung der beiden Gebühren alleine reicht zur Deckung nicht aus. Es mussten andere Finanzquellen her. Also wurden Dividenden, Mieteinnahmen etc. unter dem Deckmantel der Gleichbehandlung mit den beiden Gebühren belastet. Nicht mehr nur noch die Arbeit sollte über Abgaben den Staat finanzieren.

Frankreich muss sich EU-Recht beugen

Ein holländischer Staatsbürger ließ das nicht mit sich machen. Er klagte, ging vor den Staatsrat, das höchste Verwaltungsgericht in Frankreich. Die Richter dort hatten gesehen, was zu den beiden Gebühren bisher geurteilt worden war und baten den Europäischen Gerichtshof um eine Entscheidung. Der blieb seiner Linie treu und urteilte am Donnerstag: Selbst wenn es sich um Einnahmen handelt, die nicht unmittelbar mit der Arbeit oder der Rente zu tun haben, sind sie durch die Zahlung der Sozialabgaben im heimischen Staat abgedeckt. Sie dürfen nicht mit Sozialabgaben in einem europäischen Wohnstaat belastet werden, der nicht der heimische Staat ist. Im Klartext: Frankreich darf Zins- oder Miet-Einnnahmen oder ähnliche Einnahmen von nicht-französischen Europäern nicht mit CSG oder CRDS belasten.

Das Urteil hat weitreichende Bedeutung. Frankreich muss im europäischen Rahmen nun beide Abgaben als Sozialabgaben ansehen und Europäer, die in einem anderen Land Sozialabgaben bezahlen, von CSG und CRDS grundsätzlich freistellen. Der Staatsrat in Paris muss dem holländischen Kläger Recht geben, wie jedes andere Gericht in der Europäischen Union auch.