„Et war just eng Kéier“

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Drei Erzieherinnen müssen sich vor Gericht verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, immer wieder Kinder mit Klebeband an Stühle gefesselt zu haben.

Seit Herbst 2015 läuft der Prozess nun, der mehrere Male bereits ausgesetzt worden war. Am Dienstag hielten die Anwälte der Verteidigung ihre Plädoyers.

Den drei Erzieherinnen wird vorgeworfen, in den Jahren 2008 und 2009 immer wieder Kinder in einer „Maison relais“ in Bonneweg mit Klebeband an Stühle gefesselt zu haben. Sowohl Claire W. als auch Aline L. und Michèle P. müssen sich deswegen vor den Richtern der Strafkammer verantworten.

Angeblich sollen sie die Kinder mit dickem Klebeband an die Stühle gefesselt haben, um sie ruhigzustellen. Teilweise wurden den Kindern die Hände und Füße gefesselt. Die Taten sollen sich in der „Maison relais“ in der rue Gellé in Bonneweg ereignet haben. Laut der Vertreterin der Staatsanwaltschaft habe es sich um sechs Kinder gehandelt. Damals waren diese zwischen fünf und acht Jahre alt.

Team-Sessions

In regelmäßigen Abständen hätten sich die Erzieher in sogenannten „Team-Sessions“ zusammengesetzt, um die Bilanz der vergangenen Zeit zu ziehen. In diesen „Team-Sessions“ habe sich auch herausgestellt, dass es Probleme mit einzelnen Kindern geben würde. Ob und warum die Erzieher die Kinder gefesselt haben, wurde aber nicht besprochen.

Laut dem zuständigen Ermittler habe eine andere Erzieherin den Vorfall bei der Polizei gemeldet.

Der Chef hat es gewusst

Anschließend wurde ein Verfahren gegen die nun Angeklagten in die Wege geleitet. Bei der Polizei habe ein Kind angegeben, es sei sechsmal zum Festkleben auf den Stuhl gekommen, ein anderes Opfer hat erklärt, es sei zweimal zu Fesselungen gekommen. Auch hätten einige Kinder bei der Polizei ausgesagt, sie hätten sich selbst mit Klebeband an den Stuhl fesseln müssen. Laut dem zuständigen Ermittler war den Erzieherinnen durchaus bewusst, dass sie die Kinder nicht festbinden durften.

Auch der Chef der „Maison relais“ habe laut dem Ermittler von den Zwischenfällen gewusst, habe aber nur angegeben, dass er dies nicht gut finden würde. Eine Zeugin sagte Ende Oktober 2015, am ersten Prozesstag, vor den Richtern, dass sie an einem Tag ein weinendes Mädchen vor der Tür eines Spielraums gesehen habe. „Zudem war das Mädchen an dem Stuhl festgeklebt. Sofort habe ich der verantwortlichen Erzieherin erklärt, dass dies verboten sei. Sie antwortete daraufhin, andere Erzieherinnen hätten ihr den Tipp gegeben, weil dies angeblich helfen würde, die Kinder so gut es geht ruhigzustellen“, so die Frau damals im Zeugenstand. Auch betonte die Frau, dass in den sogenannten „Team-Sessions“ über diesen Vorfall berichtet wurde.

Man habe den Eltern sofort Bescheid gegeben und jeden Mitarbeiter der „Maison relais“ in Bonneweg in Kenntnis gesetzt, dass dies ausdrücklich verboten sei.

Zauberstuhl

Die Zeugin erklärte ebenfalls, dass in manchen „Team-Sessions“ von einem „Zauberstuhl“ die Rede war. „Hierbei handelte es sich aber nicht um Fesseln, sondern um einen speziellen Stuhl, auf dem die Kinder Platz nehmen mussten, nachdem sie etwas Verbotenes getan hatten“, so die Frau damals.

Claire W. betonte anlässlich der gestrigen Verhandlung, dass es nur einmal und nur bei einem Kind zu Fesselungen gekommen sei. „Dieses Kind ist viel älter gewesen als alle anderen. Außerdem hat eine andere Erzieherin mir vorgeschlagen, ich solle das Kind auf dem Stuhl festkleben. Ich habe damals nicht überlegt. Den Jungen habe ich auf einen Stuhl gesetzt und mit Klebeband um den Bauch und die Füße gefesselt. Der Junge fand es witzig und wollte sich selbst befreien. Nach einigen Minuten aber schnitt ich selbst das Klebeband durch“, erklärte die Beschuldigte.

Es war nur einmal

Michèle P. betonte vor den Richtern, dass es nur einmal, im Jahr 2007, zum Festkleben eines Mädchens gekommen sei. „Ich wollte das Mädchen nicht fesseln, aber es war derart unruhig, dass ich keine andere Wahl hatte“, so Michèle P.

Aline L. erklärte ebenfalls, dass es nur einmal, bei einem Jungen, zum Festkleben gekommen sei. „Der Junge hat zum Teil mit Tellern um sich geschmissen und er war sehr aggressiv. Außerdem war er gewaltbereit. Es war damals niemand anwesend, um mir zu helfen und deswegen habe ich ihn mit den Füßen an den Stuhl gefesselt“, sagte die Angeklagte. Aline L. habe nach dem Zwischenfall ebenfalls ihrer Vorgesetzten Bescheid gegeben und die Eltern des Jungen über den Zwischenfall informiert. Was den Zauberstuhl anbelangt, erklärte Aline L., dass es sich hierbei um einen Stuhl handelte, der in der Ecke stand und auf dem die Kinder sitzen mussten, um sich zu beruhigen.

Disziplinarverfahren

Ihr Rechtsanwalt betonte in seinem Plädoyer, dass es zahlreiche Widersprüche bei den Aussagen der Kinder gegeben habe. Außerdem seien keine strafrechtlichen Elemente in der gesamten Akte zu finden. Die Erzieherinnen wurden bereits durch ein Disziplinarverfahren bestraft.

„Erst nachdem die Medien diese Affäre aufgerollt hatten, haben jede Menge Kinder ihren Eltern erzählt, sie seien ebenfalls gefesselt worden“, so der Verteidiger. Die Verantwortlichen der „Maison relais“ müssten laut dem Rechtsanwalt zur Rechenschaft gezogen werden.

Skandalöse Zustände

Der Verteidiger von Michèle P., Me Marc Lentz, wies in seinem Plädoyer auf die skandalösen Zustände in dieser „Maison relais“ hin. Außerdem erklärte der Verteidiger, dass es nur einmal der Fall gewesen sei und das Kind nicht durch das Festkleben verletzt worden sei.

Auch der Rechtsanwalt von Claire W., Me Pierre Goerens, erklärte, dass seine Mandantin den Jungen nur einmal an den Stuhl gefesselt habe. Darüber hinaus sei der Junge ein Problemkind gewesen.

Die drei Verteidiger forderten die „suspension du prononcé“. Dies bedeutet, dass die Angeklagten verurteilt, aber nicht bestraft werden sollen. Der Prozess wird am Mittwoch mit dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft abgeschlossen.