Es ist „wie ein Loch-Ness-Effekt“

Es ist „wie ein Loch-Ness-Effekt“
(Reuters)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der angebliche Fund eines "Gold-Zugs" erweist sich für den Süden Polens als wahre Goldgrube. Schatzsucher, Neugierige und Journalisten aus aller Welt suchen danach.

An der hohen Böschung neben der Eisenbahnlinie von Breslau nach Walbrzych ist eine Stelle etwas eingesunken. „Dort ist es, dort war der Eingang zum Tunnel, und dort ist der Zug versteckt!“ Andrzej Gaik bemüht sich gar nicht, seine Aufregung zu verbergen. Der einstige Schatzsucher und heutige Touristenführer war schon vor 15 Jahren auf der Suche nach dem sagenumwobenen Nazi-Zug voller Gold, der gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in der Nähe von Walbrzych in Polen verschwunden sein soll.

Jetzt soll der Zug tatsächlich gefunden sein. Seit die polnischen Behörden den Fund eines gepanzerten Zugs aus der Nazi-Zeit bestätigten, pilgern zahllose Schatzsucher und Neugierige zu Kilometer 65 an der Bahnstrecke Breslau-Walbrzych in Niederschlesien. Es sei sich „zu 99 Prozent sicher“, nachdem er den Zug auf Georadarbildern gesehen habe, verkündete Polens Vizekulturminister Piotr Zuchowski. Allerdings soll der geheimnisvolle Zug in einem Tunnel verschüttet sein und wurde noch nicht ausgegraben.

„Loch-Ness-Effekt“

Am Montag äußerten die Behörden der Woiwodschaft Niederschlesien Zweifel an dem Fund und kündigten eine genaue Untersuchung an. Die angebliche Fundstelle soll derweil von Polizisten gesichert werden. Egal, ob sich der Fund bestätigt oder welche Fracht der Zug geladen hat: Die Gegend – und insbesondere das stattliche Schloss Fürstenstein – profitieren derzeit gewaltig von den internationalen Schlagzeilen. Es sei „wie ein Loch-Ness-Effekt“, sagt der Vorsitzende der Schlossgesellschaft, Krzysztof Urbanski. „Niemand hat das Monster gesehen, aber es zieht die Leute an.“

Als guter Geschäftsführer vermarktet er den Goldrausch schon einmal: Ab nächster Woche können Touristen dort „Goldzug“-T-Shirts kaufen. Ob in dem Zug tatsächlich Gold ist, weiß bisher kein Mensch. Es gibt aber einige Hinweise, die die Herzen von Schatzsuchern höher schlagen lassen. Vizekulturminister Zuchowski, zugleich oberster Denkmalkonservator Polens, geht wegen der Panzerung des Zugs davon aus, „dass es in seinem Inneren Objekte von Wert geben kann“. Das könnten „Kostbarkeiten, Kunstwerke, Archive sein“.

Auf eigene Faust

Auch Geschichtsexpertin Joanna Lamparska, Autorin mehrerer Bücher über die historischen Geheimnisse Niederschlesiens, schließt eine wertvolle Fracht nicht aus. Die beiden Entdecker des über hundert Meter langen Zugs – ein Deutscher und ein Pole – hätten den Behörden mitgeteilt, die Fracht umfasse „Edelmetalle, Wertgegenstände und Industriematerialien“. Weil die Behörden und die Entdecker den genauen Fundort geheim halten, machen sich manche nun auf eigene Faust auf die Suche.

Nicht nur Schatzsucher strömen in die Gegend südwestlich von Breslau, auch Fernsehteams und Zeitungsjournalisten reisen an. „Hätte ich mir je träumen lassen, CNN bei uns zu empfangen? Sie kommen nächste Woche“, freut sich Urbanski in Schloss Fürstenstein (polnisch Ksiaz). Unter dem Schloss liegt ein Netz von Tunneln, die einst Adolf Hitler und seinen Helfern als Unterschlupf dienen sollten. In der ganzen Gegend hatten die Nazis unter dem Codenamen „Riese“ zudem unterirdische Stollen bauen lassen, in denen Waffen hergestellt werden sollten.

Spalte im Fels

Der langjährige Schatzsucher Gaik ist sich sicher, dass es eine geheime Weiche der Nazis an der Bahnstrecke Breslau-Walbrzych gab, durch die Züge in das Tunnelsystem geleitet werden konnten. Er zeigt auf die hohe Böschung neben dem Gleis: „Es gibt eine große in der Böschung versteckte Spalte im Fels, sie ist voller verschiedener Steine – bestimmt von den Deutschen herangeschafft, um den Eingang zum Tunnel zu verbergen.“

Tatsächlich ist dort die Vegetation auf etwa 15 Metern Breite auffällig anders. Die meisten Neugierigen an der Stelle machen Späße über die „Goldbarren“, die dort liegen sollen. Ein in der Nähe lebendes junges Paar aber ist ernstlich besorgt: Sollte der Zug vermint sein, wie polnische Behörden warnten, dann fürchten sie im Fall einer Explosion um ihr Haus.

Lesen Sie auch:

Der Ort bleibt geheim

Rätselraten um angebliches Nazigold