Freitag24. Oktober 2025

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Erfolgreiche Extremisten dank Facebook und Co.

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Links- und Rechtsradikale Gruppierungen nutzen seit Jahren soziale Netzwerke, um ihre Ideen zu verbreiten. Dies wirkt sich auf die Mitgliederzahlen der Radikalen aus.

Die rechtsextreme English Defense League (EDL) ist vor zwei Jahren mit weniger als 50 Mitgliedern gegründet worden. Die meisten von ihnen waren robuste, weiße Kerle, die an Strassenecken standen und gegen die ihrer Meinung nach unkontrollierte Einwanderung von Muslimen anschrien. Mittlerweile hat die EDL, die von dem norwegischen Attentäter Anders Behring Breivik als Inspirationsquelle bezeichnet wurde, nach eigenen Angaben über 10.000 Anhänger. Ein Erfolg, den sie auch sozialen Netzwerken wie Facebook zuschreibt.

„Ich wusste, dass wir den Weg über die sozialen Netzwerke einschlagen müssen“, sagte EDL-Führer Stephen Lennon der Nachrichtenagentur AP. „Aber zu sagen, wir hätten diesen Geistesgestörten zu dem inspiriert, was er getan hat, ist falsch. Wir haben unseren Unterstützern nie gesagt, es sei in Ordnung, Gewalt anzuwenden“, sagte Lennon. Mittlerweile haben norwegische Ermittler die Daten auf Breiviks Computer ausgewertet und teilten mit, es seien keine Hinweise auf Verbindungen zu rechtsextremen britischen Organisationen wie der EDL gefunden worden.

Neben Facebook, MySpace und Twitter gibt es im Internet tausende Foren, von Linksextremen, Rechtsextremen und sonstigen Radikalen. Allein in Deutschland betrieben rechtsextreme Gruppen Ende vergangenen Jahres 1.000 Webseiten und 38 Internetradio-Stationen. Das Ziel dieser Aktivitäten ist zumeist die Anwerbung neuer Mitglieder. Insbesondere Profile in sozialen Netzwerken ziehen jüngere Zielgruppen an, die ihre Informationen nur noch zu einem geringen Teil aus den traditionellen Medien beziehen.

Gemischte Gefühle

Die Behörden betrachten die Online-Aktivitäten der Extremisten mit gemischten Gefühlen. Zum einen erkennen sie deren Rekrutierungspotenzial. Andererseits erlauben sie ihnen, ohne grossen Aufwand die Aktivitäten der Gruppen zu verfolgen. Allerdings ist es äusserst schwierig, allein anhand der Online-Aktivitäten einer Person zu unterscheiden, ob dort jemand nur angibt oder sich zum Mörder entwickelt. Gemeinhin kündigen die meisten Täter ihre Verbrechen vorher nicht an.

Im Internetzeitalter sind Gleichgesinnte leicht zu finden

Zweifellos helfen die modernen Kommunikationsmittel dabei, Gleichgesinnte zu finden. „Wenn man vor fünfzig Jahren davon überzeugt war, dass die Erde von Spionen vom Jupiter bevölkert sei, hätte man eine ganze Menge Zeit gebraucht, um jemanden zu finden, der diesen Glauben teilt“, sagt Bob Ayers, ein mittlerweile in London lebender ehemaliger US-Geheimdienstmitarbeiter. „Heute ist das nicht mehr so.“

Etliche der E-Mail-Adressen, an die Breivik Stunden vor den Anschlägen sein Manifest verschickte, sind Facebook-Profilen zuzuordnen, deren Nutzer Hakenkreuze, SS-Runen oder sonstige Nazi-Symbole oder Zeichen ultranationalistischer Gesinnung auf ihren Seiten haben.

Allerdings ist noch unklar, welchen Einfluss Facebook, Twitter und Co. auf das Zustandekommen extremistischer Gewalt haben. „Der Umstand, dass es mehr Blogs und mehr Online-Foren gibt, bedeutet nicht, dass die Gefahr eines Terroranschlags grösser wird“, sagt Matthew Goodwin, Dozent für Politikwissenschaften und Autor eines Buchs über die rechtsextreme Szene in Grossbritannien. „Selbst wenn sie radikale und rechtsextremistische Ansichten vertreten, bedeutet das nicht, dass sie Gewalt befürworten.“

Extreme Gruppen erscheinen im Internet mächtiger als sie sind

Das Internet lasse Gruppen wie die EDL mächtiger erscheinen, als sie sind, sagt auch Daniel Hodges, Sprecher des britischen Magazins Searchlight, das gegen Rechtsextremismus kämpft. „Es erlaubt ihnen, den Anschein zu erwecken, als hätten sie eine kritische Masse erreicht. Aber viele der rechten Aktivisten leben online, nicht in der realen Welt.“ Das bekam auch die immigrationsfeindliche British National Party bei den vergangenen Wahlen zu spüren, als ihr vor Ort schlicht die Manpower fehlte.

Für viele Bürgerrechtler sind Verbote bestimmter Botschaften im Internet nur schwer mit der Meinungsfreiheit zu vereinbaren und in der Durchsetzung äusserst problematisch. „Facebook und andere soziale Medien haben eine starke Tendenz zur Selbstkorrektur“, sagt Jullian York, Direktor der in San Francisco ansässigen Bürgerrechtsgruppe International Freedom of Expression at the Electronic Frontier Foundation. „Oftmals überrennen Leute, die etwas gegen die Hassbotschaften haben, einfach die Gruppen. Das ist effektiver, als sie zu verbieten.“