Donnerstag13. November 2025

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Ein Präsident nimmt sich aus dem Spiel

Ein Präsident nimmt sich aus dem Spiel
(AFP/Stephane de Sakutin)

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Der französische Staatspräsident François Hollande ist ein gewiefter, ein erfahrener Politiker. Jetzt hat er sich verzockt. In einem gerade erschienenen Buch gibt er Äußerungen von sich, die zwischen Naivität und Zynismus schwanken.

Wird der französische Staatspräsident François Hollande es sich erlauben können, im kommenden Jahr noch zu Präsidentschaftswahl anzutreten? Daran gibt es viele Zweifel nach der Veröffentlichung eines 661 Seiten starken Buches zweier Journalisten der Tageszeitung „Le Monde“. „Was ein Präsident nicht sagen sollte“ heißt es und gibt wieder, was François Hollande in Gesprächen mit zwei Journalisten der Zeitung von sich gegeben hat.

Es sind Äußerungen wie sie am Biertisch fallen, die die beiden Investigativ-Journalisten von Le Monde aufgezeichnet haben. Äußerungen, über deren Tragweite – gegenüber Journalisten ausgesprochen – sich der französische Staatspräsident offensichtlich nicht im Klaren war. Die französische Justiz sei feige, sagt er laut den Aufzeichnungen. Die beiden höchsten Juristen des Landes standen noch am Abend der Veröffentlichung im Elyséepalast und verlangten Auskunft.

„Ungezogene Bengel“

In einem „gespannten“ Gespräch von 20 Minuten nahm Hollande die Äußerung nicht zurück. Und trotz eines erklärenden öffentlichen Briefes nahm der Präsident des Kassationsgerichtshofes am folgenden Morgen bei der feierlichen Einführung neuer Richter die Gelegenheit die Indignation der Richterschaft zu erklären. Die Anwälte legte nach und verlangten eine Entpolitisierung des „Hohen Rates der Jurisprudenz“. Das Verhältnis des Staatspräsidenten zur Justiz dürfte als nachhaltig gestört angesehen werden.

Hollande legte sich nicht nur mit den Richtern an. Die Spieler der Nationalmannschaft seien „ungezogene Bengel“. In der Beziehung mit der heutigen Umweltministerin Ségolène Royal, aus der vier Kinder hervorgingen, sei er der politische Kopf gewesen. Allerdings verlor Ségolène Royal die Präsidentenwahl nur knapp gegen Nicolas Sarkozy. Es gibt kaum jemanden, mit dem es Hollande sich nicht verdirbt.

Abrechnung mit Trierweiler

Die sozialistische Partei sollte im Prinzip „liquidiert“ werden, heißt es. Hollande nimmt auch seine derzeitige Freundin nicht aus, die unter der Situation leide, rechnet mit Valérie Trierweiler ab, seiner ehemaligen Lebensgefährtin, die ihm mit einem von ihm stammenden acht Jahre alten Tweet antwortet.

Auch der Islam kommt in dem Buch mit negativen Aussagen vor. Gleichzeitig philosophiert François Hollande darüber, dass es demütigend sein könnte, die Wahl zu einer zweiten Amtszeit zu verlieren, aber auch genauso demütigend, nicht wieder antreten zu können. Der unbeliebteste Präsident der fünften Republik Frankreichs zeigt sich in dem Buch auf niedrigstem Stammtisch-Niveau.

Pikanter Hintergrund

François Hollande hat eine Schwäche für Journalisten. Die beiden Investigativ-Journalisten haben insgesamt 61 Stunden Zugang zu ihm gehabt, haben ein Aufnahmegerät mitlaufen lassen und sich am Ende geweigert, ihm die Texte zu zeigen und die Zitate autorisieren zu lassen.

Nach Recherchen der Genfer Tagezeitung „Le Temps“ hat Hollande in den vergangenen Monaten 105 Stunden Gespräche mit 15 Journalisten geführt. Kein französischer Staatspräsident ist so offen gegen Journalisten gewesen wie François Hollande.

Offener Presse-Umgang

Dass Hollande der Tageszeitung „Le Monde“ auf den Leim gegangen ist, hat überdies einen pikanten Hintergrund. Als seine Lebensgefährtin Valérie Trierweiler – ihrerseits Journalistin – zu Beginn der Präsidentschaft einen offenen Umgang mit der Presse pflegte, soll Hollande ihr mitgeteilt haben, dass „Le Monde“ sein Ressort sei.

Das Buch hat eine fein ausgeklügelte Wahlkampf Strategie zerstört. In der links angehauchten politischen Zeitschrift „Le Nouvel Observateur“ (Obs) erschien in der vergangenen Woche ein langes Interview zur erfolgreichen Politik des Staatspräsidenten, die tatsächlich so völlig katastrophal, wie häufig dargestellt, nicht ist. Nur kam am selben Tag auch das Buch in die Pariser Redaktionen. Der geplante Effet des Interviews verpuffte.

Viele Namen

Parteichef Cambadelis stotterte in die Fernsehkameras, dass man die wirkliche Bilanz im „Obs“ lesen könne. Premierminister Manuel Valls distanzierte sich auf einer Kanada Reise ungewohnt deutlich von Staatspräsident Hollande. Claude Bartolone, Präsident der Nationalversammlung, schimpfte „So darf sich ein Präsident nicht gehen lassen“ und der Abgeordnet der Sozialistischen Partei, Laurent Baumel, spottete: „Der Mann hat immer noch nicht realisiert, dass er Staatspräsident ist“.

Gleichzeitig aber beknien sozialistische Würdenträger Hollande, sich wieder zur Wahl zu stellen. Warum? Die Sozialistische Partei findet niemanden Überzeugenden. Stellt er sich nicht , müsste Manuel Valls antreten, für den es zu früh ist, weil er als Premierminister verbraucht ist und eine Wahlperiode „Erholung“ benötigt. In der Partei könnte dann Linksaußen Arnaud Montebourg die Vorwahl gewinnen, der aber keine präsidiale Statur hat.

Chaos ausgelöst

Ohne François Hollande wäre der Linksaußen aller französischen Linken, Jean Luc Melanchon der Kandidat. Gar nicht zu reden vom „Progressisten“ Emmanuel Macron. Dessen Bewegung „En Marche“ (Vorwärts), verzeichnet mitterweile 88.000 Mitglieder. Macron selbst aber erweist sich als Zauderer. Anders als auf der bürgerlichen Seite, wo alles auf Alain Juppé zuzulaufen scheint, hat Staatspräsident Hollande durch 61 Stunden Stammtisch Gespräche mit zwei Investigativ Journalisten im linken Spektrum für die Präsidentenwahl ein Chaos ausgelöst.