Freitag7. November 2025

Demaart De Maart

Ein General rechnet ab

Ein General rechnet ab

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Vor einem Jahr wurde Nato-Kommandeur in Afghanistan Stanley McChrystal abgesetzt. Nun feuert der General zurück. Die USA wüssten zu wenig über die lokale Kultur, um den Krieg zu gewinnen.

Stanley McChrystal nimmt kein Blatt vor den Mund. Abschätzige Äusserungen über amerikanische Regierungsmitglieder kosteten den 4-Sterne-General im vergangenen Jahr seinen Job als Oberbefehlshaber der Nato-Truppen in Afghanistan. Auch – oder gerade – im Ruhestand zeigt sich der 57-Jährige Vollblutsoldat weiterhin angriffig: Im Rahmen eines Auftritts vor dem Rat für Auswärtige Beziehungen in New York übte er am Donnerstag beißende Kritik am Kriegsmanagement in Afghanistan.

Die USA hätten zum Zeitpunkt der Invasion vor zehn Jahren zu wenig über das Land am Hindukusch gewusst. Selbst heute fehle es am nötigen Wissen über die lokale Kultur, um den Konflikt erfolgreich zu beenden. „Wir wussten nicht genug und wir wissen noch immer nicht genug“, kritisierte McChrystal. „Die meisten von uns – mich eingeschlossen – besaßen ein sehr oberflächliches Verständnis über die Gegenwart und Vergangenheit Afghanistans sowie eine erschreckend vereinfachte Vorstellung seiner jüngsten Geschichte.“ Auch die Sprachkenntnisse der US-Truppen seien ungenügend gewesen und diese hätten keinen ernsthaften Versuch unternommen, daran etwas zu ändern.

Indirekt kritisierte McChrystal auch den Entscheid der Regierung Bush, 2003 im Irak einzumarschieren. Die Invasion habe den Auftrag in Afghanistan erschwert und die Wahrnehmung des US-Feldzugs in der muslimischen Welt verändert. „Als wir 2001 die Taliban in Afghanistan angriffen, gab es Verständnis dafür, dass wir uns verteidigen können und dürfen“, erklärte der General außer Dienst. Al Kaida sei von den Taliban beherbergt worden, was diese zu einem „legitimen“ Ziel gemacht habe. „Ich denke, unsere Entscheidung, in den Irak einzumarschieren, war weniger legitim“, sagte McChrystal. Der Irakkrieg habe ausserdem militärische Ressourcen abgezweigt, die man in Afghanistan gut hätte brauchen können.

In Vietnam und Iran die selben Fehler gemacht

Laut McChrystal hatten die USA eine stark „vereinfachte“ Vorstellung der jüngsten Geschichte Afghanistans, als sie 2001 einmarschierten. Damit spielte er vermutlich auf den Kalten Krieg ab, denn von 1979 bis 1989 war das Land am Hindukusch von sowjetischen Truppen besetzt. Die USA versorgten die aufständischen Mudschaheddin mit Waffen und trugen massgeblich zur schmachvollen Niederlage der Sowjetunion bei.

Die Worte des hoch-dekorierten Generals erinnern an eine Reihe von Aussagen anderer US-Regierungsvertreter, die Niederlagen mit fehlendem Wissen über den Gegner erklärten. So gestand Robert McNamara, von 1962 bis 1968 US-Verteidigungsminister, im Vietnamkrieg die Denkweise des Vietcongs nicht verstanden zu haben. Die USA hätten das südostasiatische Land als «Schauplatz des Kalten Kriegs“ und als Stein in ihrer Domino-Theorie betrachtet. Die Vietnamesen hingegen glaubten, Amerika wolle einfach „Frankreich als Kolonialmacht ablösen“.

William Sullivan, der letzte Botschafter der USA im Iran (1977 bis 1979), beschrieb in seinen Memoiren sein Erstaunen, als er seine neue Stelle in Teheran antrat. Praktisch sämtliche iranischen Mitarbeiter in der Botschaft in Teheran seien Vertreter der armenisch-christlichen Minderheit gewesen. Schiitische Perser, die in allen Bereichen des Landes den Ton angaben, waren kaum vertreten. Daher gab es auch keine Beziehungen zwischen der US-Botschaft und dem schiitischen Klerus, der bald darauf die Macht im Iran übernahm und das Land abrupt aus dem Einflußgebiet der USA riss.

Einsicht kommt stets zu spät

Im Dokumentarfilm „The Fog of War“ schildert Robert McNamara seine Lehren aus einem langen und von verschiedenen Kriegen geprägten Leben. Die erste und wichtigste „Lektion“ lautete, sich in seinen Feind hineinzuversetzen und seine Denkweise zu verstehen. Die Erkenntnis, genau dies verpasst zu haben, scheint den USA aber immer erst im Nachhinein zu kommen.