„Drachentöter“

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Es ist der Kampf zwischen Gut und Böse. Im Rennen um das Weiße Haus rückt das schwierige Verhältnis der USA zu China in den Mittelpunkt: "Drachentöter» oder «Panda-Knuddler"? Chinesische Experten kennen die Spielchen - doch wieviel kostbares Porzellan wird zerschlagen?

Im amerikanischen Wahlkampf tritt Mitt Romney als „Drachentöter“ auf: Mit harter Hand gegen China will sich der republikanische Präsidentschaftskandidat profilieren und bringt Präsident Barack Obama in die Defensive. Unter dem Titel „China konfrontieren“ beklagt Romney in seinem Wahlprogramm: „China stellt eine ganze Liste von Problemen dar, die dringend nach Lösungen schreien.“ Romney verspricht eine „furchtlose Haltung“.

„Wenn wir wollen, dass sich die Chinesen an die Regeln halten, müssen wir bereit sein, ‚es reicht‘ zu sagen – zu einer Beziehung, die zu oft ihnen hilft und uns schadet.“ Am ersten Tag nach einem Einzug ins Weiße Haus will Romney die asiatische Wirtschaftsmacht als „Währungsmanipulator“ einstufen. Auch will er Strafzölle erheben, Klagen bei der Welthandelsorganisation (WTO) einreichen, chinesische Unternehmen von Ausschreibungen in den USA ausschließen und Hürden im Marktzugang mit gleicher Münze in den USA zurückzahlen.

China ist größter Kreditgeber der USA

Obwohl China der größte ausländische Kreditgeber der USA ist, beide Länder wirtschaftlich voneinander abhängig sind und die USA in allen großen Krisen der Welt die Kooperation Chinas als Veto-Macht im Weltsicherheitsrat braucht, beteuert Romney: „Die USA operieren aus einer Position der Stärke heraus.“ Er wirft Obama vor, „einseitige“ Vereinbarungen mit China zu akzeptieren und aus Rücksicht auf die Handelsbeziehungen die Augen zu verschließen.

Um hier nicht vollends als „Panda-Knuddler“ zu erscheinen, beteuert der US-Präsident wiederum, „nicht tatenlos zuzusehen, wenn sich unsere Konkurrenten nicht an die Regeln halten“. Er schuf eine Arbeitsgruppe, die ungerechte Handelspraktiken Chinas untersuchen soll. Jüngst reichte Obama bei der WTO auch eine Beschwerde wegen angeblicher Subventionen der chinesischen Autoindustrie ein. Prompt spricht Romney von einem Wahlkampftrick. Und China erinnert Obama an die Milliardenhilfen für Amerikas Autoindustrie in der Finanzkrise.

Reich der Mitte im Zentrum

So rückt das Reich der Mitte ins Zentrum des Wahlkampfes – wegen der gewachsenen Bedeutung stärker als je zuvor. Es ist ein bekanntes Spiel: Schon Bill Clinton hatte 1992 dem damaligen Präsidenten George Bush Senior vorgeworfen, in China „Diktatoren zu umarmen“. Als Präsident ging Clinton selbst eine „konstruktive strategische Partnerschaft“ mit Peking ein. Auch Bush Junior ging 2001 erst auf Konfrontationskurs, entwickelte sich später zum „Freund Chinas“.

„Es geschieht immer wieder“, sagt Liu Xuecheng, früher Vizedirektor des China-USA-Zentrums am Institut für internationale Studien in Peking. „Jeder Präsident tritt aber der Realität entgegen, wenn er das Amt übernimmt.“ In den USA werde immer „ein Feindbild“ gesucht. „Ansonsten fühlen sie sich nicht wohl“, glaubt Liu Xuecheng. Er nimmt Romneys Getöse nicht ernst. „Was er sagt, bedeutet nichts, solange er nicht den Präsidentenposten übernommen hat.“

Kritik aus Peking

Romneys China-Schelte stößt in Peking zunehmend auf Kritik. „Es ist schon voller Ironie, das ein beträchtlicher Teil des Vermögens dieses Politikers, der auf China einprügelt, aus Geschäften mit chinesischen Unternehmen entstanden ist“, schreibt die Staatsagentur Xinhua. „Wenn diese Schlammschlacht-Taktik amerikanische Politik wird, könnte leicht ein Handelskrieg zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt ausbrechen.“

Soweit muss es nicht kommen, glaubt Cheng Xiaohe, Professor für internationale Beziehungen an der Pekinger Volksuniversität: „Die Politik der Republiker gegenüber China wird normalerweise netter und pragmatischer als die der Demokraten, wenn sie die Macht übernehmen, weil Republikaner eher die Interessen der Geschäftswelt und der Wall Street vertreten“, erwartet Cheng Xiaohe einen Sinneswandel Romneys. „Wenn er ins Amt kommt, wird seine China-Politik eine andere sein.“

„Pragmatisch und gemäßigt“

Bei allem Misstrauen wird Obamas China-Politik in Peking als pragmatisch und gemäßigt beschrieben – mit einem Blick für globale Probleme. Auch wenn die USA immer noch belehrend aufträten, fühlt sich China zunehmend ebenbürtig behandelt. Die Wahlkampfschlacht setzt die Beziehungen aber „definitiv unter Druck“, sagt der renommierte Professor Shi Yinhong von der Volksuniversität. „Die Gefahren können groß sein.“ Er will nicht ausschließen, dass es zu einer Konfrontation kommen könnte – nicht nur im Handel, sondern wegen der Spannungen im Pazifik auch auf militärischer Ebene.

Die China-Karte auszuspielen, «kann die US-Wirtschaft nicht retten», warnt das Parteiorgan „Volkszeitung“ (Renmin Ribao) die beiden Wahlkämpfer. Am Ende bräuchten die USA doch die Kooperation Chinas – unabhängig davon, wer von beiden Präsident werde: „Aber diese bösen Worte werden ihm wie ein Mühlstein am Hals hängen.“