Mittwoch3. Dezember 2025

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Die hässliche Seite der Glitzerstadt

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2022 findet die Fußball-WM im Golfstaat Katar statt. Das Land will sich das Prestige-Projekt rund 100 Milliarden Dollar kosten lassen. Hunderttausende rechtlose Arbeiter sollen das Wunder in der Wüste realisieren.

Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?

(Aus: Fragen eines lesenden Arbeiters, Bertolt Brecht)

2022, wenn in Katar die Fußball-Weltmeisterschaft angepfiffen wird, werden sich vielleicht einige der Hundertausenden Gäste wie Brechts lesender Arbeiter die Frage stellen, wer denn die zwölf neuen, vollklimatisierten Stadien, die neuen 70.000 Hotelzimmer erbaute; in welchen Häusern die Bauarbeiter schliefen.

100 Milliarden Dollar will das Emirat für das Monsterprojekt Fußballweltmeisterschaft 2022 investieren. Gebaut werden die neue Stadien und Hotels von Gastarbeitern aus Nepal, Bangladesch, Somalia und anderen Entwicklungsländern. Bis zu einer Million Bauarbeiter werden dazu zusätzlich gebraucht, so vorsichtige Schätzungen. Dabei arbeiten und leben bereits heute Hunderttausende Bauarbeiter im Wüstenstaat und das unter erbärmlichen Bedingungen wie die Internationale Gewerkschaftskonföderation in ihrer Publikation Hidden faces of the Gulf miracle feststellt.

Eine Minderheit

Der Golfstaat Katar, in Luxemburg wegen des möglichen Einstiegs von Qatar Airlines bei Cargolux seit einigen Wochen näher bekannt, zählt rund 1,7 Millionen Einwohner. Davon sind knapp ein Fünftel Katarer. Die Mehrheit stellen Ausländer: Inder, Pakistanis, Iraner, Philippinos, Somalier, … Auch unter der arbeitenden Bevölkerung stellen die Einheimischen eine verschwindend kleine Minderheit: Nur sechs Prozent. In der Bauindustrie ist die Dominanz ausländischer Arbeitskräfte noch erdrückender: 2010 wurden 504.684 ausländische und 621 katarische Bauarbeiter gezählt. 293 der 621 Katarer waren leitende Angestellte.

Ins ölreiche Land gelockt wurden die Bauarbeiter mit hohen Löhnen. Hier leben sie in übervölkerten Baracken in Industriegebieten außerhalb der Hauptstadt Doha, so der ITUC-Bericht. Löhne werden oftmals verspätet ausbezahlt. Und auch nicht in der im Heimatsland vereinbarten Höhe. Sie sind Opfer skrupelloser Rekrutierungsagenturen, die die Gastarbeiter die Schulden abstottern lassen, die sie für die Überfahrt nach Katar zahlen mussten.

Rechtlos

Ohne Rechte und ohne Schutz müssen die Bauarbeiter meist ihren Pass der Firma überlassen. Das soll für rund 88 Prozent der Arbeiter der Fall gewesen sein, so ein Bericht über Asiatische Arbeitskräfte, den Ituc zitiert. Dieselbe Firma dürfen sie nicht verlassen, um beim Konkurrenten arbeiten zu gehen. Sich gewerkschaftlich organisieren ist ebenfalls verboten. Zwar duldet das Emirat neuerdings Arbeiterkomitees, aber nur in Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten mit katarischem Pass. Ausländer dürfen sich nicht anschließen. Streiks sind theoretisch erlaubt, aber nur nach Genehmigung durch den Arbeitsminister und nach zweiwöchiger Vorankündigung. In der Gas- und Erdölindustrie sind Streiks gänzlich verboten.

Verbesserungen setzten die Scheichs bezüglich der Freizügigkeit der Gastarbeiter in Aussicht. Doch vom sogenannten Kafala-Prinzip, das den Arbeiter fast wie den Sklaven an seinen Herrn bindet, will das Land nicht gänzlich abrücken. Versprochen werden auch bessere Unterkunftsbedingungen. Doch bereits heute bestünden klare Regeln für die Behausungen der Bauarbeiter, sagt die Ituc: mindestens vier Quadratmeter pro Bewohner in Gemeinschaftsräumen, eine Toilette für acht Arbeiter, Strom und Wasser. Einige Stunden Aufenthalt in der Arbeitersiedlung bei Doha reichten jedoch, um sich zu überzeugen, wie diese Regeln missachtet werden, so die Gewerkschafter.