Mit der Einschränkung seiner Pressefreiheit hat Ungarn kurz vor der Übernahme der EU- Ratspräsidentschaft für einen Aufschrei gesorgt. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte die rechtskonservative Regierung in Budapest am Mittwoch vor einer Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn rief die EU- Kommission auf, eindeutig Stellung gegen das neue Mediengesetz zu beziehen. Kritik hagelte es auch von der OSZE und dem EU-Parlament. Ungarn übernimmt im Januar den EU-Ratsvorsitz. Von der EU-Kommission war am Mittwoch keine offizielle Stellungnahme zu bekommen.
ENPA-Präsident besorgt um
Zukunft der Presse in UngarnIvar Rusdal, der Präsident des europäischen Zeitungsverlegerverbands erklärte am Mittwoch gegenüber dem Tageblatt, die ENPA sei überaus besorgt über die Zukunft der Presse in Ungarn. Deshalb habe der europäische Verband auch bereits die ungarischen Autoritäten angeschrieben.
Dieses Gesetz stelle eine ernste Bedrohung der Pressefreiheit dar und man befürchte insbesondere erhebliche negative Auswirkungen auf den investigativen Journalismus.
Das Gesetz stehe im Gegensatz zu allem für das sich die die ENPA einsetzt, kritisierte Ivar Rusdal. Der Präsident der ENPA teilte auch sein Erstaunen mit, dass gerade in Ungarn, einem Land mit einer Geschichte von Rebellion gegen Repression, ein solches Gesetz verabschiedet wurde.
„Man würde denken, dass gerade Länder die unter Unterdrückung leiden mussten, die Demokratie und die Freiheit wertschätzen würden“, sagte Rusdal.
In einer modernen Gesellschaft gebe es jedenfalls keine Rechtfertigung für die Schaffung eines staatlichen Kontroll-Regimes über die Presse, meinte der ENPA-Präsident.
Nach dem Gesetz kontrolliert eine neue Behörde die privaten Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen und Internetportale. Bei Verstößen gegen das Gesetz drohen hohe Bußgelder. Seit dem Sommer überwacht die Behörde bereits die öffentlich-rechtlichen Medien.
Verteidigung der Menschenrechte
Asselborn zog einen Vergleich zum autoritär regierten Weißrussland. „Da war die Wahl ziemlich okay. Aber wie kann eine Wahl frei sein, wenn die Leute vorher nur aus der Regierungsperspektive informiert werden? Und das ist genau die Gefahr, die jetzt besteht“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. „Es geht um ein fundamentales Interesse der EU, nämlich die Verteidigung der Menschenrechte.“
Auch die Medienbeauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE, Dunja Mijatovic, hatte von einer Gesetzeslage „wie sonst nur unter autoritären Regimen“ gesprochen.
Ein EU-Kommissionssprecher erklärte, die Behörde prüfe, ob das ungarische Mediengesetz gegen EU-Recht verstoße. Eine «schwere und anhaltende Verletzung» der im Lissabon-Vertrag festgeschriebenen Grundwerte sieht Sanktionen vor wie die Aussetzung von Rechten. Asselborn sagte, die EU stelle gerade die Pressefreiheit gegenüber Drittstaaten immer als den «ersten Pfeiler der Grundrechte» heraus. Er lobte Bundeskanzlerin Merkel für ihre «klaren Worte»: «Sie weiß ja wie keine andere, was eine unfreie Presse bedeutet.»
Die OSZE-Medienbeauftragte Mijatovic erklärte in Wien, das neue Gesetz könne «kritische Medien und die öffentliche Debatte im Land zum Schweigen bringen». Es verletze die von der OSZE gesetzten Standards zur Pressefreiheit und gefährde die Unabhängigkeit der Herausgeber und die Medienvielfalt.
Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Martin Schulz, warnte in der «Frankfurter Rundschau», Ungarn werde «große Probleme bekommen», wenn es die europäischen Standards nicht erfülle.
Ungarns sozialistische Oppositionspartei MSZP rief Staatspräsident Pal Schmitt dazu auf, die vom Parlament verabschiedete Vorlage nicht zu unterzeichnen, sondern an das Verfassungsgericht weiterzuleiten. Das Gesetz könnte dann nicht wie vorgesehen im Januar in Kraft treten.
De Maart

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