Geistliche beten gemeinsam, arbeiten gemeinsam – und manchmal rennen sie auch gemeinsam. Mit Turban, langen Bärten oder auch ganz „unerkannt“. Ob Muslime, Sikhs, Christen, Hindus oder Buddhisten – 56 „rennende Priester“ kann man an diesem Samstagabend in Luxemburg anfeuern. Sie treten beim ING-Nachtmarathon im Großherzogtum an. Ihr Motto: „InterFaith“. Ihre Mission: Sichtbarer Frieden unter den Religionen.
" class="infobox_img" />Die lebende Lauflegende Fauja Singh ist mittlerweile eine Art Maskottchen für die „rennenden Priester“. (Bild: dpa-Archiv)
Die Geistlichen starten mit knapp 10 000 weiteren Läufern aus 100 Nationen vor der Kulisse glänzender Bürobauten. Erwartet werden rund 100 000 Zuschauer. Die Läufer rennen in die Nacht hinein, durch die Altstadt, schöne Parks und am großherzoglichen Palast vorbei. Der ING-Marathon ist einer der wenigen großen Nachtmarathons Europas.
„Rennende Priester“ aus aller Welt
Den Staffellauf, den Halbmarathon und teilweise auch den ganzen Marathon laufen die „rennenden Priester“ mit. „Wobei es nicht nur Priester im engeren Sinne sind“, erklärt Ingo Hanke, evangelischer Geistlicher in Luxemburg und einer der Organisatoren des Laufes. Es seien „geistliche Repräsentanten der Weltreligionen“: Christen, Hindus, Muslime, Sikhs und Bahai sowie in diesem Jahr auch erstmals buddhistische Mönche aus Japan.
Am Beginn der interreligiösen Marathon-Begeisterung stand ein Lauftreff von zwei evangelischen Pfarrern in Luxemburg. Die freuten sich im Jahr 2006 über den ersten Nachtmarathon. „Wir dachten: Warum nicht eine Art innere Einkehr für die Sportler zu Beginn der Veranstaltung abhalten“, erzählt Pfarrer Hanke. So entstand der „geistliche Startschuss“ – als Gebet vor dem Marathon.
„Die Kirche muss sich bewegen“
Nach zwei Jahren war klar: Da kann und muss mehr geschehen. Und so liefen zum ersten Mal die „Priests United“ beim Staffellauf mit. „Nach dem Motto: Die Kirche muss sich bewegen“, erklärt der drahtige Organisator Ingo Hanke, der in Luxemburg hauptberuflich für die Erwachsenenbildung arbeitet.
Ein „sportliches Brückenbauprojekt“ soll der Lauf sein. Darum spendet „InterFaith“ auch dieses Jahr wieder für das pädagogische Engagement der Stiftung Weltethos, die sich für interreligiöse Erziehung an Schulen einsetzt. Als Gast mit dabei ist auch der älteste Teilnehmer des Laufes, der Sikh Fauja Singh aus England. Der 102-Jährige lief bis vor kurzem noch jedes Mal mit. Doch 2013 hat er seine aktive Karriere beendet. Die lebende Lauflegende ist mittlerweile eine Art Maskottchen für die „rennenden Geistlichen“ geworden.
Schirmherr Dalai Lama
„Die meisten kommen immer wieder“, erzählt Pfarrer Hanke begeistert. Und fügt stolz hinzu, dass man den Dalai Lama als Schirmherren gewinnen konnte. Die buddhistischen Mönche aus Japan planten sogar schon, ein eigenes „InterFaith-Wochenende“ für den Kyoto-Marathon 2014 in Japan zu organisieren.
Der Andrang beim Marathon ist groß. Die Läuferzahl musste auf 10 000 limitiert werden, schon sechs Wochen vorher waren alle Startplätze ausverkauft. Die meisten Teilnehmer kommen aus Luxemburg, Deutschland und Frankreich.
Laufen im Zeichen der Völkerverständigung
Trotz der Terroranschläge auf den Boston-Marathon im April: Laut den Veranstaltern gab es im Vorfeld keine einzige Absage wegen Sicherheitsbedenken. Der Organisator des ING-Marathons, Erich François, betont: „Große Laufveranstaltungen sind nicht nur im sportlichen Sinne wichtig, sondern sind immer auch ein Zeichen der Völkerverständigung. Gerade nach den Geschehnissen in Boston ist es notwendig, zu zeigen, dass Religionen auch miteinander kommunizieren können. InterFaith war daher für mich immer von großer Bedeutung innerhalb des Marathons.“
Umgekehrt ist für die Geistlichen selbst während des Laufs ihre Religion wichtig. Das formuliert auch die 102-jährige Lauflegende Fauja Singh: „Die ersten 20 Meilen sind nicht schwierig. Doch die letzten sechs Meilen renne ich, während ich mit Gott spreche.“
De Maart

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