Vor vier Jahren hat die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers die Welt in Schock versetzt. Das große Problem der weltweiten Finanzkrise war, dass viele Banken Risiken ausgelagert hatten – in sogenannte Schattenbanken („shadow banking“). Auch heute noch sind Geschäfte in diesem Graubereich sehr einträglich und wachsen rasant. Die EU-Kommission will dem einen Riegel vorschieben und Schattenbanken der Kontrolle unterwerfen.
Was versteht man überhaupt unter Schattenbanken?
Darunter fallen Unternehmen, die ähnliche Funktionen wie Banken wahrnehmen – aber im Gegensatz zu Banken fast keiner Kontrolle unterliegen. Sie bewegen sich in einer Schattenwelt oder Grauzone, daher der Name. Dazu gehören Geldmarktfonds, börsengehandelte Indexfonds und spezielle Zweckgesellschaften. Bekanntere Beispiele sind Hedgefonds oder Private-Equity-Firmen (externe Kapitalgeber, die Unternehmen außerbörslich Eigenkapital zur Verfügung stellen).
Wie groß ist dieser Graubereich?
Gigantisch. Zwischen 2002 und 2010 haben die Schattenbanken ihren Umsatz weltweit auf 46 Billionen Euro verdoppelt – das entspricht mindestens einem Viertel des globalen Finanzmarktes. Diese Zahlen nennen die Finanzaufseher des Financial Stability Board. In den USA bewegen die „Nichtbanken“ ein größeres Kreditvolumen als herkömmliche Banken.
Wie arbeiten diese Unternehmen?
Schattenbanken sammeln Kapital ein, sind als Kreditvermittler tätig oder sichern Kredite ab. Dabei arbeiten sie vor allem mit Fremdkapital und nutzen oft Hebelwirkungen, um eine Summe zu vervielfachen. Diese Strategie gilt als risikoreich.
Warum sind Schattenbanken so gefährlich?
Weil sie sich oft sehr kurzfristig finanzieren. Das kann zu einem Kollaps führen, wenn viele Kunden auf einmal ihr Geld abziehen wollen („Bank-Run“). Schattenbanken machen Geschäfte mit wenig Kapital, aber einem hohen Schuldenanteil, was bei einer Krise einen hohen Schaden anrichten kann. Diese Unternehmen unterliegen nicht der Einlagensicherung und haben keinen Zugriff auf Notenbankgeld. Ungeordnete Insolvenzen könnten verheerende Folgen haben, warnt die EU-Kommission: „Schattenbanken und ihre Tätigkeiten können eine Reihe von Risiken bergen.“
Und wieso wird der Graubereich größer?
Es ist eine praktische Sache: Viele Geldhäuser nutzen Schattenbanken als Handelspartner, um Risiken loszuwerden. Beispielsweise ist eine Bank verpflichtet, ihre Kreditrisiken immer mit Eigenkapital abzusichern. Lagert sie diese Risiken in eine Zweckgesellschaft aus, kann sie diese Regel umgehen – unbemerkt von den Aufsehern. In der Finanzkrise brachte diese Geschäftspolitik Banken wie die Hypo Real Estate oder die IKB ins Taumeln. Aber auch in jüngster Zeit nimmt diese Tendenz wieder zu: Je mehr die EU Banken kontrolliert, desto größer ist der Anreiz, auszuweichen. Damit wächst wiederum das Risiko einer Krise – ein Teufelskreis.
Wie will die EU-Kommission Schattenbanken überwachen?
Indem sie Schlupflöcher schließt. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier sagt: „Wir wollen ein engeres Netz knüpfen, damit niemand mehr durch dieses Netz rutschen kann.“ Konkret erwägt Brüssel, den Banken Grenzen für die Auslagerung von Geschäften in Schattenbanken zu setzen. Die Aufseher sollen mehr Rechte bekommen. Es könnte auch neue, speziell zugeschnittene Regeln geben. Einen Gesetzentwurf will Brüssel Anfang 2013 vorlegen.
Wie sind die Erfolgschancen?
Durchwachsen. Die größten Industrie- und Schwellenländer G-20 wollen zwar den Graubereich der Schattenbanken zähmen, doch sie ziehen nicht an einem Strang. Widerstand kommt vor allem aus den Finanzzentren der USA und Großbritanniens. Zudem sind einige Schattenbanken nicht zu greifen, weil sie ihre Aktivitäten außerhalb Europas in Steueroasen verlegt haben.
De Maart

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