Das Land feierte in der Hauptstadt

Das Land feierte in der Hauptstadt
(Pierre Matgé)

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Am Dienstag feierte Luxemburg offiziell seinen 175. Unabhängigkeitstag. Die akademische Sitzung fand im hauptstädtischen "Cercle" statt.

Zahlreiche Schaulustige hatten sich vor dem Gebäude versammelt, um einen Blick auf die Ankunft der prominenten Gäste, allen voran das großherzogliche und das erbgroßherzogliche Paar, werfen zu können. Großherzog Jean konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Feier teilnehmen. Er habe sich erkältet, erklärte Staatsminister Xavier Bettel später. Fast auf den Punkt genau 17.00 Uhr war es, als der Großherzog den Saal betrat. Als „Hausherrin“ begrüßte die Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg, Lydie Polfer, die Anwesenden. Nach ihr richteten sich Staatsminister Xavier Bettel, der Historiker Michel Pauly, Kammerpräsident Mars di Bartolomeo und zum Abschluss Großherzog Henri an die anwesenden Gäste.

Der Staatschef streifte in seiner Rede auch das umstrittene Datum. Wäre aber das Jahr 1815 als Gründungsdatum genommen worden, so müsste man sich bereits in einem Jahr wiedersehen, um zweihundert Jahre Unabhängigkeit zu feiern, scherzte der Monarch. Er wies auch darauf hin, dass das Land sich damals in eine äußerst schwierige Situation befand. „E Staat huet missten opgebaut ginn; et gouf kee richtegt Nationalgefill; (…) de Lëtzebuerger Territoire wor kleng, an dobäi och aarm. De Wee vun der Natioun an d’Souveränitéit wor dofir extrem holpreg. An dach gouf et dat ‚lëtzebuergescht Wonner‘.“

Multikulturelle Stadt

Diktierten zu der Zeit die damaligen Großmächte das Geschehen, sind es heute vollkommen andere Begebenheiten. „D’Garantie vun de Groussmuechten ass keng Viraussetzung méi fir d’Bestoe vun eisem Land.“ Nur durch die europäische Konstruktion habe Luxemburg seine existenziellen Bedrohungen ablegen und seinen Platz unter den anderen Nationen finden können.

Als Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg setzte Lydie Polfer den Ort der Festlichkeiten in den Mittelpunkt ihrer Ansprache. 1839 habe die Stadt 20.000 Einwohner gezählt, heute sind es deren 104.000, darunter 68 Prozent Nicht-Luxemburger. Als Luxemburger könnten wir stolz auf die Entwicklung sein, denn sie zeige, dass Luxemburg eine weltoffene und multikulturelle Stadt sei. Polfer ging auch auf die Geschichte des Festsaales ein, der Zeuge von so manchem historischen Ereignis war wie z.B. die Feier der Hundert-Jahr-Unabhängigkeitsfeier im Jahr 1939.

An die Kinder denken

Staatsminister Xavier Bettel sieht im Jahr 1839 einen doppelten Geburtstag, einen politischen und philosophischen. Damals sei sowohl der Grundstein gelegt worden für das Land als auch für den nationalen Gedanken. In den vorigen 175 Jahren habe das Land bewiesen, dass es fähig ist, verschiedene Nationalitäten in seiner Mitte aufzunehmen, nach vorne zu blicken und an einer gemeinsamen Zukunft zu arbeiten. Und mit Blick auf die Aktualität fügte er hinzu: „Wa mir haut Onofhängegkeet feieren (…), da solle mir eis och froen, wéi e Lëtzebuerg mir eise Kanner iwwerloossen.“

Dem Kammerpräsidenten und ersten Bürger des Landes, Mars di Bartolomeo, war der multikulturelle Aspekt unseres Landes so wichtig, dass er ihn gleich am Anfang seiner Rede erwähnte. Seine Vorfahren seien wie viele aus anderen Ländern immigriert und hätten zusammen mit den Luxemburgern geholfen, das heutige Luxemburg aufzubauen. Er wies auf den weiten und erfolgreichen Weg hin, den das Land in den 175 Jahren zurücklegte. War es damals so arm, dass etliche Luxemburger in der neuen Welt ihr Glück versuchten, ist es heute wohlhabend.

Nach vorne bringen

Als ehemaliger Sozialminister war er sich es wohl selbst schuldig, auf eines der weltbesten Sozialsysteme, das Luxemburg hat, hinzuweisen. Luxemburg habe sich verändert und musste sich verändern. „Lëtzebuerg wier haut net dat, wat et ass, wann et deemols bliwwe wär, wat et war.“ Di Bartolomeo zeigte sich überzeugt davon, dass es auch heute möglich sein müsse – unter deutlich besseren Voraussetzungen als damals –, zusammen das Land nach vorne zu bringen.

Im Anschluss an den offiziellen Festakt fand auf der place d’Armes ein freies Konzert des „Marly Marques Quintet“ statt.

(Claude Molinaro)