„Bestes System in Europa“ stabilisieren

„Bestes System in Europa“ stabilisieren
(Tageblatt/Fabrizio Pizzolante)

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Auf der statutarischen Konferenz der Pensionierten-Abteilung des FNCTTFEL-Landesverbandes am Mittwoch referierte Minister Romain Schneider über allgemeine Themen der Sozialversicherung, sowie die Pflegeversicherung im Speziellen.

Auf letzteres durfte man gespannt sein, da die Gesetzesreform im letzten Regierungsrat noch nicht spruchreif war (Link).

Die Pflegeversicherung, jüngste der Luxemburger Sozialversicherungen, trat am 1. Januar 1999 in Kraft. 2013 wurde Bilanz gezogen. Und man kam zum Schluss: sie ist reformbedürftig. „Ist die Reform aber wirklich nötig? Denn eigentlich funktioniert das System ja gut“, stellte sich Romain Schneider dann selbst eine Frage. Und beantwortete sie wie folgt: „Keine Reform machen, heißt stehen bleiben. Man kann immer alles hinterfragen. Wir können die Qualität noch verbessern und die Transparenz. Eine administrative Vereinfachung kann gemacht werden. Es darf aber keine Leistungsverschlechterung geben. Es ist ein heißes Eisen, man hätte es auch liegen lassen können. Aber es ist eine Herausforderung. Wir wollen das System sicher machen bis zum Horizont 2040 bis 2045.“

„Konsens muss sein“

Der für die „sécurité sociale“ zuständige Minister ging dann unter dem Eindruck des Regierungsrats von vergangener Woche kurz auf den laufenden Prozess ein. „Das begann sehr früh mit einem ‚débat de consultation‘ im Parlament. Es folgten Treffen mit der COPAS, den Gewerkschaften, auch einzelnen Akteuren aus dem Sektor. Daraufhin gab es ein erstes Arbeitspapier, noch nicht mal ein Gesetzesvorentwurf, das wieder an die Partner ging. Die meisten hielten sich daran, aber einige verbreiteten dieses, es wurde bereits Stimmung gemacht. Und das in einem so sensiblen Sektor“, bedauerte Schneider diese Etappe des Prozess.

Ansonsten war er aber damit zufrieden: „Das Feedback war gut. Nachbesserungen werden jetzt gemacht. Dafür gab es am Freitag auch grünes Licht von der Regierung. Daraufhin gibt es noch mal Treffen mit den Akteuren. Denn der Konsens muss sein.“ Schneider rechnet mit einem Abschluss in den nächsten Wochen. Als Timing für das In-Kraft-Treten des Gesetzes hofft er weiter auf den 1. Januar 2017.

Verrechnung: 15 Stufen

Einer der Knackpunkte in den Diskussionen mit Gewerkschaften war deren Opposition zu einem Stufensystem zur „Klassifizierung“ der Patienten, im Gegensatz zu der heutigen individuellen Evaluation eines jeden einzelnen. „Die Pflegeversicherung wird weiter auf die Menschen bezogen sein, die Betroffenen werden individuell evaluiert“, so Schneider hierzu.

Das im Arbeitspapier vorgesehene Stufensystem sei damit aber nicht vom Tisch, so Romain Schneider auf spätere Nachfrage: „Dies bezieht sich aber auf die Verrechnung“, erklärte er, „und es bleibt auch bei 15 ‚Niveaus‘, so wie vorgesehen. Fünf, wie in Deutschland, sind eindeutig zu wenig.“

„Aidant informel“: neuer Weg

„Der Teufel liegt im Detail“, stellte der Minister in punkto der eher technischen Fragen fest. Hier müsse noch auf mehreren Ebenen diskutiert werden. Rund 20 großherzogliche Reglemente gehen mit dem Gesetzestext einher, „auch da sind wird dran, damit die meisten fertig sind beim ‚dépôt‘ des Gesetzestext. Auch die Übergangsbestimmungen müssen genau definiert werden.“

Was den sog. „aidant informel“ angeht, stellte Schneider aber bereits eine Neuerung in Aussicht: Hier wird wohl die Möglichkeit geschaffen, dass dies auch ein Nicht-Familienmitglied sein kann, der dann aber ein angemeldeter Angestellter sein muss. Was Familienmitglieder angeht, die einen Pflegefall versorgen, so würde es des Weiteren nicht reichen, nur technische Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen; auch Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten müssten geschaffen werden.

Klarstellung und Rückendeckung

Bezüglich der Pflegeversicherung hielt Romain Schneider abschließend fest, dass es wohl „das beste System in Europa ist. Und das müssen wir nun stabilisieren.“ Was ihm indes bezüglich dieses Systems nicht gefällt, ist die Vermischung von Heim-Tarifen und der „assurance dépendance“. Dies müsse aufhören: „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Der größte ‚Player‘ in diesem Bereich hat beispielsweise seit sechs Jahren seine Tarife nicht erhöht.“

Das Regierungsmitglied stellte des Weiteren klar, dass diese zum Abkommen von November 2014 mit den Gewerkschaften stehe, will heißen: dass das Gehälterabkommen im öffentlichen Dienst auch für den Krankenhaus- und sozio-edukativen Sektor zu gelten habe. „Die Regierung versteht demzufolge die Forderungen der Gewerkschaften“, so Schneider über die Demonstration des SAS- und FHL-Sektors am Samstag. Die finanziellen Berechnungen seien von den verantwortlichen Stellen gemacht worden, nun sei es an den Verhandlungen Patronat-Gewerkschaften. Und hier stoßen letztgenannte bekanntlich auf Granit.

„Ein Affront“

In einem weiteren Punkt hatte der Sozialversicherungsminister seinen Unmut geäußert: betreffend den Vorschlag des Arbeitgeberverbandes UEL, das bestehende CNS-System zu verlassen (Link): „Das ist ein Affront. Das sieht auch die gesamte Regierung so, und auch – einstimmig – die zuständige parlamentarische Kommission. Dieses Thema ist also ad acta gelegt.“

In punkto Gesundheitskasse hatte Schneider noch einmal hervorgehoben, dass man angesichts gesunder finanzieller Lage in der Quadripartite bekanntlich dabei sei, verschiedene Pisten von Leistungsverbesserungen zu erörtern. „Die Herausforderung ist, dass diese dann auch bei den Versicherten ankommen“, so Schneider.

Pensionen: keine Kürzungen

Gesunde Finanzen war auch ein Stichwort bei den Pensionen gewesen, auf die der Minister ebenfalls in seinem „Round-up“ einging. „Die IGSS macht gerade die Bilanz der Pensionsreform von 2012. Ohne zu wissen, was dabei herauskommt, kann ich aber sagen, dass keine Kürzungen notwendig sein werden“, erklärte Romain Schneider. Die Reserven seien vorhanden, die Zeit dränge nicht. Bereits jetzt könne man wohl ohne größere Probleme bis zum Horizont 2040 bis 2045 blicken.

Vor seinem Überblick über das Sozialsystem hatte Romain Schneider die Regierungspolitik verteidigt und hier u.a. darauf verwiesen, dass rund 80% der Maßnahmen der Steuerreform die Haushalte betreffen würden: „Das wird sich im Geldbeutel niederschlagen“, so Schneider, womit er auf einige Kritiken seiner Vorredner reagierte.

Den Bericht über die statutarische Konferenz der FNCTTFEL-Rentner lesen Sie in der Tageblatt-Ausgabe vom 2. Juni (Print und Epaper).