Beginnt ein neues Kapitel für Europa?

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(AFP)

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Am Sonntag bestimmen die Franzosen, ob Nicolas Sarkozy noch fünf Jahre im Amt bleibt, oder ob mit François Hollande nach 17 Jahren ein Sozialist in den Élysée-Palast zurückkehrt.

Frankreich hat die Wahl, doch die Auswirkungen haben Bedeutung weit über das Nachbarland hinaus: Hier einige Fragen und Antworten:

Ist Hollande noch zu stoppen?

Es ist wieder spannender geworden: Einer am Freitag veröffentlichten BVA-Umfrage zufolge konnte Sarkozy seinen Rückstand in einer Woche um zwei auf fünf Punkte verkürzen. Doch hat der Amtsinhaber die Chance verpasst, seinen Gegner Mittwochnacht im einzigen TV-Duell zu „atomisieren“, wie er es sich vorgenommen hatte.

Im Gegenteil: Die meisten Franzosen fanden Hollande in dem harten Schlagabtausch überzeugender. Und bei den noch Unentschiedenen sehen Meinungsforscher Nachteile für Sarkozy. Da der Wahlkampf am Freitag zu Ende geht, wäre ein Sieg des Amtsinhabers eine riesige Sensation.

Warum hat Hollande die größten Chancen?

Er hat den Franzosen eine Abmilderung der Reformpolitik versprochen: Er will 60.000 Lehrer einstellen, 150.000 Einsteigerjobs schaffen, den Mindestlohn anheben. Und er will die französischen Truppen schon in diesem Jahr aus Afghanistan abziehen. Gut kommt auch sein Widerstand gegen die als Spardiktat empfundene Politik von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel an. Doch sind die wenigsten Franzosen wirklich begeistert von Hollande.

Ein Großteil wird einfach deswegen für ihn stimmen, um den extrem unbeliebten Amtsinhaber loszuwerden. Und das Lager der Rechtspopulistin Marine Le Pen setzt auf ein Scheitern Sarkozys, damit ihre Hoffnungsträgerin für die nächste Wahl die besten Chancen hat. Hinzu kommt, dass der letzte Präsidentschaftswahlsieg der Sozialisten ein Vierteljahrhundert zurück liegt, 1988 gewann François Mitterand. Seit 1995 sitzen die Gaullisten im Élysée-Palast.

Würde ein Präsident Hollande Frankreich und die Eurozone noch tiefer in die Krise stürzen?

Sarkozy hat die Angst davor geschürt, doch mit geringem Erfolg. Hollande hat seine Wahlversprechen unter Finanzierungsvorbehalt gestellt, auch er räumt dem Schuldenabbau Priorität ein. Mit der von ihm angekündigten Stärkung des Mittelstandes würde er sogar eine verfehlte Wirtschaftspolitik des Vorgängers korrigieren. Und sein Kampf für einen europäischen Wachstumspakt begrüßen auch viele Beobachter in Brüssel.

Allerdings kann die Lage auch aus dem Ruder laufen: Wenn die Wirtschaft in Frankreich einbricht, dann wäre Hollande zu einem härteren Reformkurs gezwungen. Dass die Märkte nach seinem Sieg am Montag abschmieren, erwarten Analysten aber nicht. Denn der Machtwechsel im Élysée ist schon lange vorweggenommen.

Wie geht es nach der Wahl weiter?

Nach der Wahl ist vor der Wahl: Am 8. und 16. Juni wird ein neues Parlament bestimmt, und den Premierminister stellt die stärkste Fraktion. Sollte Hollande am Sonntag gewinnen, würde er nach seiner Amtseinführung, vermutlich am 15. Mai, zunächst eine Übergangsregierung präsentieren, die allerdings nur per Dekret beschließen kann. Als aussichtsreichste Kandidatin für den Chefposten gilt die Parteichefin der Sozialisten, Martine Aubry. Gehandelt wird aber auch Fraktionschef Jean-Marc Ayrault.

Noch hat Sarkozys UMP in der Nationalversammlung rund hundert Sitze mehr. Würden die Konservativen ihre Mehrheit im Juni behaupten, käme es unter einem Präsidenten Hollande zur gefürchteten Kohabitation. Wahrscheinlicher ist indes, das bei einem Machtwechsel im Élysée auch in der Nationalversammlung die Sozialisten den Sieg davontragen.