Kein Atomausstieg in Deutschland

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Die Abkehr vom Atomausstieg ist beschlossene Sache. Mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition wurde die Verlängerung der Atomlaufzeiten durchgesetzt.

Der deutsche Bundestag billigte am Donnerstag in Berlin mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition Laufzeitverlängerungen für die 17 deutschen Reaktoren um durchschnittlich zwölf Jahre. Weil der deutsche Bundesrat nicht mitentscheiden darf, plant die Opposition jedoch eine Verfassungsklage. Für die Laufzeitverlängerung stimmten im deutschen Bundestag 308 Abgeordnete, dagegen 289. Zwei Parlamentarier enthielten sich.

In der Schlussdebatte über das Energiekonzept hatte sich die Opposition mit der schwarz-gelben Koalition noch einmal einen erbitterten Schlagabtausch geliefert. Der deutsche Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) warf SPD, Grünen und Linken „argumentationsloses Kampfgeschrei“ und Konzeptionslosigkeit vor. Die Opposition beklagte einen „Putsch“ gegen ihre Rechte bei der Beratung der Energiegesetze und warnte vor dem Ende des gesellschaftlichen Friedens in Deutschland. Ihr Versuch, Debatte und Abstimmung in letzter Minute zu verhindern, scheiterte allerdings an der Mehrheit von Union und FDP.

Verlängerung um acht bis 14 Jahre

Die Verlängerung der Atomlaufzeiten um acht bis 14 Jahre ist zentraler Punkt des schwarz-gelben Energiekonzepts. Von den zusätzlichen Gewinnen der vier Betreiber will die Koalition bis zu 30 Milliarden Euro abschöpfen und in den Ausbau erneuerbarer Energien stecken. Sie argumentiert, sonst wäre die Umstellung auf Ökoenergien bis 2050 nicht bezahlbar. Die heutige Opposition, die in der rot-grünen Regierung vor zehn Jahren den Atomausstieg bis 2021 durchsetzte, warnt vor den Gefahren der Technik und davor, dass der billige Atomstrom den Ausbau erneuerbarer Energien verzögert.

„Energiepolitische Blindgänger“

Der deutsche Umweltminister Röttgen sagte, SPD, Grüne und Linke hätten kein Gegenkonzept. Sie seien „energiepolitische Blindgänger, Sie haben nichts drauf.“ Dagegen plane die Regierung „die effizienteste, klimafreundlichste, wettbewerbsfähigste Energieversorgung, die es weltweit gibt in einem Industrieland“. Dies sei in Zahlen belegt. Die Koalition wolle bis 2050 einen Anteil von 80 Prozent für erneuerbare Energien an der Stromversorgung, 80 Prozent weniger Kohlendioxidausstoß und eine Halbierung des Energieverbrauchs. „Das ist unser Konzept, das ist Zukunft, und zwar ganz konkret“, sagte er. Über diese Ziele gebe es in Wahrheit Konsens im deutschen Bundestag. Dazu solle sich die Opposition bekennen. Der deutsche Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) warf den Anhängern der Opposition vor, den für erneuerbare Energien so wichtigen Netzausbau zu blockieren. Um den Widerstand der Bürger zu überwinden, schlug Brüderle einen „nationalen Pakt für neue Netze“ vor.

Deutsches Verfassungsgericht soll Gesetze stoppen

Die früheren deutschen Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne) zerpflückten dagegen das Konzept der Regierung und griffen ihren Nachfolger auch direkt an. Röttgen fülle seine Aufgabe als Minister für Reaktorsicherheit nicht aus, sagte Gabriel. Unter anderem weiche er Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke auf. Der SPD-Chef zeigte sich sicher, die längeren Atomlaufzeiten noch stoppen zu können: „Wir werden dieses Gesetz beim Bundesverfassungsgericht zu Fall bringen.“ Dies bekräftigte auch Grünen-Fraktionschef Trittin. Die Koalition habe im deutschen Bundestag die Rechte der Minderheit ignoriert und wolle auch den Bundesrat nicht beteiligen. „Sie brechen die Verfassung und sie spalten die Gesellschaft“, sagte Trittin.

Die Entscheidung zur Verlängerung der Laufzeiten diene nur den vier Kraftwerksbetreibern. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi schloss sich der Kritik an. Wenn in Deutschland ein Atomkraftwerk explodiere, werde Leben hier unmöglich: „Das nehmen Sie alles in Kauf für die Profitinteressen von vier Konzernen“, sagte Gysi. Im Regierungsviertel demonstrierten während der Debatte Tausende mit einer Menschenkette und einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert gegen die Laufzeitverlängerung.

dapd