Abenteuerliche Räubergeschichte

Abenteuerliche Räubergeschichte
(Tageblatt-Archiv)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Im Juni 2014 stand der Escher Geschäftsmann Gerard Lopez plötzlich wegen eines "Fait divers" im Rampenlicht. Und was für eines: Eine langjährige Bekannte war in seiner Anwesenheit entführt worden. In Nancy fand nun der Prozess statt. Eine abenteuerliche Räubergeschichte.

Im Fokus: Marc B., Mitte 40, aus Metz. Erste Gefängnisstrafe: 1989. Der Mann, dem man eine gewisse Ähnlichkeit mit Kult-Regisseur Quentin Tarantino nicht absprechen kann, machte anschließend „Karriere“, wird in Frankreich dem „grand banditisme“ zugerechnet – demnach einer der bekanntesten Ganoven des Hexagons. Die nun folgende „Geschichte“ ist jedenfalls auch Hollywood-reif.

Zur Erinnerung: Im Juli 2014 wird Stéphanie T., eine Freundin des Luxemburger Geschäftsmanns Gerard Lopez, entführt. Wie sich später herausstellt, ist Marc B., der sich als „Befreier“ des Opfers ausgibt, der Drahtzieher hinter der Affäre.

„Après deux jours d’audience, rien n’apparaît effectivement très clair.“ Nach zwei Tagen vor Gericht erscheine nichts sehr eindeutig, schreibt der Journalist, der für Le Républicain Lorrain den Prozess in Nancy verfolgt (hier geht’s zu den Répu-Artikeln). Trotzdem wird Marc B. als Organisator der Entführung für schuldig befunden und zu acht Jahren Haft (die Staatsanwaltschaft hatte sechs verlangt) verurteilt. Zwei weitere Beschuldigte werden freigesprochen, drei andere erhalten Haftstrafen zwischen einem und vier Jahren.

Von Ermittlern als Vermittler „angeheuert“

Das Opfer ist verwandt mit dem Angeklagten, eine „angeheiratete Cousine“, wie Marc B. angibt. Er wird von den Ermittlern aus Nancy kontaktiert, da diese „à sec“ seien, und solle seine Kontakte im Milieu spielen lassen, um mehr über die Hintermänner herauszufinden. Das gelingt ihm in kürzester Zeit, „der Ex-Freund“ stecke dahinter.

Marc B. arrangiert dann ebenfalls die Freilassung nach etwas mehr als drei Tagen, hinterlässt eine Garantie, holt das Opfer in Belgien ab und setzt es bei dessen Elternhaus ab. 5,5 Millionen Euro hätten die Entführer von Lopez verlangt – von dem er später die genannten 300.000 Euro als Danksagung erhält, so Marc B. („ich hatte mir mehr Profit erhofft“). Der angibt, „so arbeite ich nicht“, die fünf Mitangeklagten kenne er nicht, er habe nur geholfen, „jeder ist doch froh, dass mein Name im Dossier ist“.

Von Anfang an sei der Ex-Freund im Fokus der Ermittler gewesen, auch das Umfeld habe stets nur diesen verdächtigt, und plötzlich habe sich die Affäre gegen ihn gedreht. „Der Ex-Freund wurde ein einziges Mal vernommen, das Protokoll hat zwei DIN-A4-Seiten, mehr nicht“, so Verteidiger Olivier Rondu. Der mehrmals die dünne Beweislage in den 6.500 Dossierseiten anprangert, einen belgischen Polizisten erwähnt, der eine belastende Aussage plötzlich ändere, sich beschwert, dass er Gerard Lopez keine Fragen stellen könne. Dessen Aussagen werden in der Tat lediglich vorgelesen, die Anhörungen bestehen quasi exklusiv aus Verhören der Beschuldigten.

Die Diamanten von Zaventem

Zum Zeitpunkt der Entführung hätte Marc B. eigentlich im Gefängnis sitzen müssen. Im Februar 2013 wird auf dem Brüsseler Flughafen Zaventem ein hoch-professioneller Raubüberfall – teilweise als eine Art „Jahrhundert-Überfall“ bezeichnet – auf einen Transportflieger verübt, 120 Päckchen mit Diamanten im Wert von 40 Millionen Euro sind die Beute. Die belgische Justiz verdächtigt Marc B. als Drahtzieher, er wird im Mai 2013 in Metz festgenommen.

Die Ermittlungen kommen zu keinem endgültigen Schluss, Marc B. wird unter Auflagen freigelassen. Unter juristischer Aufsicht hält er sich im Juni 2014 in Brüssel auf, wo er, wie erwähnt, dann laut eigenen Angaben von den französischen Ermittlern wegen der Entführung kontaktiert wird.

Festgenommen wegen der Entführung wird er übrigens in der Gegend von Annecy in Frankreich, nicht in Belgien. Wegen des Zaventem-Überfalls soll er im Herbst vor der belgischen Justiz erscheinen. Die Garantie, die er den Entführern gelassen haben soll, wäre dem Vernehmen nach übrigens ein Diamant gewesen …