Zwei Resolutionen, eine Motion und eine „Question élargie“: Der Umgang mit der Türkei ist nicht nur aussenpolitisch kompliziert, auch im Parlament stößst die Problematik mittlerweile an die Grenzen des im internen Reglement Vorstellbaren. So wurde gestern eine „neue, einmalige Form der Debatte“ (dixit Präsident Mars di Bartolomeo) notwendig.
Einstimmig wurde am Ende der Debatte in einer Resolution die aktuelle politische Entwicklung der Türkei aufs Schärfste verurteilt. Keine Mehrheit (34 Nein, 3 Enthaltungen) gab es für eine Resolution der CSV zur Suspendierung der EU-Beitrittsverhandlungen. Die ADR ist prinzipiell gegen einen EU-Beitritt der Türkei. Ihre Motion wurde mit 57 Stimmen abgelehnt.
„Mitgliedschaft in der EU unmöglich“
„Natürlich muss Europa gute Beziehungen mit der Türkei, einem großen und wichtigen Land vor seiner Haustür pflegen, aber wer die EU liebt, der muss sich eingestehen, dass das heute schon schwierig und als Mitglied der EU unmöglich ist“, machte Fernand Kartheiser gleich eingangs seiner Rede die Position der ADR deutlich. Mit erschreckender Geschwindigkeit sei die Türkei in der rezenten Vergangenheit in Richtung Diktatur abgerutscht. Die Entwicklung widerspreche „so massiv unseren Vorstellungen, wir brauchen nicht noch darauf zu warten dass die Todesstrafe eingeführt wird“ um uns klar gegen einen Beitritt der Türkei zur EU auszusprechen. Luxemburg müsse „den Mut zu einer klaren Linie“ haben.
„Eskalation geht immer weiter“
Die rechtsstaatlichen Regeln würden in der Türkei massiv verletzt, die Türkei sei nicht auf dem Weg zu einer Diktatur, sie sei „schon fast dort angekommen“ legte Laurent Mosar (CSV) nach. Die Verfolgung der Kurden komme schon „einem Völkermord ziemlich nah“. Unterstützung von Mosar gab es für Aussenminister Jean Asselborn. Der hatte in einem Radiointerview den Vergleich mit Nazi-Deutschland gezogen. Als CSV der sei man aber „der Meinung dass Warnungen nicht mehr reichen und der Moment gekommen ist um die Verhandlungen auf Eis zu legen.“ Es gehe letztlich auch um die Glaubwürdigkeit der Politik. Das aktuelle Zögern und Taktieren der EU-Politik sei Wasser auf die Mühlen der Populisten.
Man stelle fest, dass „der Konflikt trotz aller Kritiken immer weiter eskaliert“, bemerkte auch Marc Angel (LSAP). Es sei aber „nicht an der EU, den letzten Hoffnungsfaden für die Menschen in der Türkei zu durchschneiden. Das soll Erdogan selbst machen.“ Scharfe Kritik kam auch von Anne Brasseur (DP). Nichts entschuldige den Putsch, die Türkei habe sich aber schon zuvor auf dem Weg Richtung Diktatur befunden. „Wenn sich die Türkei disqualifiziert, trennt sie die letzten Bande mit der EU selbst.“
„Nicht die letzte Hoffnung nehmen“
Man solle „als EU den Menschen in der Türkei nicht die letzte Hoffnung nehmen indem man die Tür knallt“, meinte ebenfalls Claude Adam (déi gréng). „Auch wenn das zugegebenermassen gegenüber der europäischen Bevölkerung nicht einfach zu argumentieren.“ „Tyranen sind nicht für die Ewigkeit“ meinte David Wagner (déi Lénk). „Die Hoffnung auf fortschrittliche Kräfte in der Türkei gebietet es, den Kontakt nicht ganz abzubrechen.“
„Die Türkei hat die Beitrittsprozedur angestossen, es ist auch an ihr, diese zu stoppen. Wir sollten Erdogan nicht den Gefallen tun, dies als EU zu machen“, stimmte Aussenminister Jean Asselborn zu.
De Maart
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