Leserforum„… denn sie wissen nicht, was sie tun“: Zum Bettelverbot in der Stadt Luxemburg

Leserforum / „… denn sie wissen nicht, was sie tun“: Zum Bettelverbot in der Stadt Luxemburg
 Foto: Editpress/Julien Garroy

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Dieser Satz kam mir in den Sinn, als ich kürzlich die Stellungnahmen von mehreren Verantwortlichen der Stadt Luxemburg und der Regierung zum Bettelverbot gelesen/gehört habe. Zum Inhalt möchte ich klar sagen: Als Einwohner der Stadt Luxemburg schäme ich mich für dieses politische Vorgehen. Wenn wir es nicht schaffen, solche Menschen im Stadtbild auszuhalten, dann sind wir kalt gegenüber der Realität in unserer Gesellschaft geworden. Oder wollen wir uns vergleichen mit Fantasiestädten wie Dubai, Doha, Abu Dhabi …, in denen solche Realitäten einfach ausgeblendet werden? Es gibt nun halt nicht nur die „schönen“, glamourösen Seiten der Konsumgesellschaft, es gibt auch die anderen Seiten, die weit weniger „schön“, aber umso realer sind.

Armut, Wohnungsnot … in dieser Realität lebt mittlerweile ein großer Teil der Bevölkerung in Luxemburg und anderswo – mit steigender Tendenz. Welche Ziele verfolgt eine Politik, die solche Menschen ausblendet, diese im Stadtbild einfach nicht mehr sehen will? Die Stadt Luxemburg ist stolz, als Magnet für Arbeitsplätze in der Großregion zu gelten. Jeden Tag kommen mehr als 200.000 Grenzpendler aus den Nachbarländern nach Luxemburg zur Arbeit. Diese tragen wesentlich dazu bei, dass unsere Sozialsysteme funktionieren. Sie arbeiten oft in Niedriglohnbereichen, in denen man kaum Luxemburger findet: Gastronomie, Lieferdienste, Reinigungssektor usw.

Mit ihnen kommen jedoch auch Menschen aus dieser Region nach Luxemburg, denen es noch schlechter geht. Diese finden wir auf der Straße als Bettler, Straßenmusiker und Tagelöhner wieder. Jedoch sind sie alle Teil eines Systems, das sich Marktwirtschaft nennt und das von sich aus nicht nach Gleichheit strebt, sondern die Gewinnoptimierung einer Elite anstrebt. Ohne politischen Ausgleich gäbe es keinen Sozialstaat. In diesem Zusammenhang kann ich nicht nachvollziehen, wie Politiker es mit ihrem Gewissen vereinbaren, Reglemente/Gesetze zu verabschieden, die das Betteln generell verbieten, um dann sogleich zu beschwichtigen, es gehe ihnen nur um organisierte Bettelbanden.

Die Kleinarbeit vor Ort überträgt man der Polizei und zeigt nach außen ein politisch reines Gewissen. Man hält sich vornehm zurück und lässt andere machen. Wie heuchlerisch darf Politik sein, bevor sie absurd – und vor allem gefährlich für das Allgemeinwohl – wird? Viele, auch die katholische Kirche in Luxemburg, haben die Tragweite dieser Entscheidungen erkannt und zu Recht missbilligt. Es geht um mehr als nur ums Betteln, es geht um unsere Gesellschaft und unseren Sozialstaat.

John G.
6. Januar 2024 - 18.49

@Robert Hottua : Weiter so, Herr Hottua! Geschichte hat kein Verfallsdatum.

John G.
6. Januar 2024 - 18.17

Danke Herr Ruppert, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diese Angelegenheit in ein paar klaren Sätzen in einen angemessenen Rahmen zu setzen.

Miette
4. Januar 2024 - 21.50

@Hartwig, 1933 ist Geschichte, ist aber nicht bei jedem Mitmenschen angekommen. Ich denke mal, wir leben jetzt und nicht in der Vergangenheit. Wer armen Menschen helfen will, Sachspenden und ein gutes Gespräch bringen etwas.

Hartwig
3. Januar 2024 - 17.44

An Hottua. Wir sind inzwischen in 2024 angekommen. 1933 ist Geschichte!

Robert Hottua
3. Januar 2024 - 14.24

Es geht auch um die Geschichte des Umgangs mit Bettlern in Luxemburg. Da die unfehlbare päpstliche Bistumszeitung "Luxemburger Wort" ab 1933 dem Nationalsozialismus ihren Segen gegeben hat, gelten auch in Luxemburg die historischen Erkenntnisse über die Bekämpfung und die Lösung der"Bettlerfrage" im Nationalsozialismus. ▪ Am Anfang des "Wikipedia"-Artikels "Nationalsozialistische Volkswohlfahrt" (NSV) vom 4. Juli 2023 befindet sich eine Abbildung mit dem Text: "NSV - Werdet Mitglied. Volksgesundheit - Volksgemeinschaft - Kinderschutz - Mutterschutz - Wandererfürsorge - Bettelbekämpfung". Die NS-Volkswohlfahrt wurde am 18. April 1932 durch die Nationalsozialisten als eingetragener Verein gegründet und am 3. Mai 1933, nur wenige Monate nach der Machtergreifung, zur Parteiorganisation der NSDAP erhoben. Ihr Leiter war Erich HILGENFELDT. Der Sitz befand sich in Berlin-Wilmersdorf. (…) ● Literatur: Daniel HADWIGER: Nationale Solidarität und ihre Grenzen. Die deutsche "Nationalsozialistische Volkswohlfahrt" und der französische "Secours national" im Zweiten Weltkrieg. (Schriftenreihe des Deutsch-Französischen Historikerkomitees. Bd. 18). Steiner, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-515-13025-7. Carola KUHLMANN: Erbkrank oder erziehbar? Jugendhilfe zwischen Zuwendung und Vernichtung in der Fürsorgeerziehung in Westfalen 1933-1945. In: Juventa Verlag (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der Sozialpädagogik. 1989, pedocs.de [PDF]). MfG Robert Hottua