Geld und Moral

Geld und Moral
(Alain Rischard/editpress)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Staaten haben Panamaleaks erst möglich gemacht

Nach WikiLeaks, SwissLeaks und LuxLeaks nun Panamaleaks. Der Umfang des neuesten Datenlecks ist enorm und kaum mit den vorherigen zu vergleichen. Die Bezeichnung „Panama Papers“ trifft da schon eher zu. Sie erinnert in ihrer Brisanz an die große Enthüllungsaktion aus Zeiten des Vietnam-Kriegs. Die „Pentagon Papers“ legten offen, wie die US-Öffentlichkeit während Jahrzehnten über die Vietnam-Politik der US-Regierung und ihre verdeckten Aktionen dort gezielt in die Irre geführt wurde.

Lucien Montebrusco lmontebrusco@tageblatt.lu

Mit Blut ist auch Geld befleckt, das via Offshore-Firmen in Sicherheit gebracht wurde, mithilfe der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca. Nicht nur Politiker oder die Gladiatoren unseres Zeitalters, Sportler, tauchen in den „Panama Papers“ auf. Die Recherchen des internationalen Journalistennetzwerks ICIJ ergaben, dass das Geld von Politikern, Sportlern und Künstlern neben dem Vermögen von Mafiabossen, Drogenschmugglern und ähnlichen unsauberen Gestalten verwaltet wurde.

Was jahrelang dank dieser Offshore-Firmen geschah, ist allemal moralisch verwerflich, wurden doch Staaten ihnen zustehende Steuern vorenthalten, wurde Geld aus illegalen Geschäften weißgewaschen. Doch unethisch ist nicht illegal. Was Luxemburger Banken ihren vermögenden Kunden anboten, das heißt ihr Vermögen in Steuerparadiesen zu parken, war nicht ungesetzlich.

Die Arbeit des Journalistenkonsortiums war und ist notwendig, trug sie doch bisher stets zu einem bisschen mehr Transparenz bei. Bedenklich ist jedoch die Instrumentalisierung der Enthüllungen. Die Schlagzeilen der ersten Meldungen über die „geleakten“ Daten am Sonntagabend hatten vor allem eine Person in den Fokus gestellt: Russlands Präsident Wladimir Putin. Dabei wurde aus den Millionen Dokumenten nicht ersichtlich, dass er unmittelbar Vermögen in Offshore-Gebiete verschoben hatte. Doch zu seinem engsten Freundeskreis gehören Personen, die selbst …

Die moralische Keule zu schwingen, ist berechtigt. Wer dank seiner Wähler an die Macht kommt, diese dann auch noch missbraucht, um die eigenen Taschen zu füllen oder diese vollen Taschen in Sicherheit zu bringen, begeht Verrat am Wähler. So unter anderem in der Ukraine geschehen. Dessen Präsident Petro Poroschenko war angetreten, das alte, korrupte Regime zum Teufel zu jagen, steckt jedoch selbst bis zum Hals drin. Statt wie versprochen sein Schokoladenimperium zu verkaufen, verschob er es in eine Holding auf den Jungferninseln.

Ja zur moralischen Verurteilung der Missetäter. Doch sollten dann auch andere sich aufdrängende Fragen gestellt und beantwortet werden. Warum waren und sind derlei Konstrukte überhaupt möglich? Weil die einzelnen Länder nur unzureichend gegen Steuerhinterziehung vorgingen, weil das politische und wirtschaftliche System selbst derlei Exzesse und Schlupflöcher ermöglichte und noch immer erlaubt. Nicht der Einzelne ist demnach zu verurteilen. Wer würde sich nicht bemühen, bei der Steuererklärung auch noch den kleinsten Trick zu nutzen, um seine Steuerlast zu senken? Umso mehr, wenn es um Millionen geht.

Steuerflucht und unsaubere Finanzkonstrukte sind jedoch nicht allein mit Gesetzen zu bekämpfen. Der Staat muss auch die personellen Mittel haben, um Steuerbetrug zu bekämpfen. Der schlanke Staat, wie er uns von supranationalen Organisationen und deren ideologischen Vordenkern gepredigt wurde, kann das nicht.

Die „Panama Papers“ werfen demnach mehr Fragen auf als bloß solche über Köpfe von Politikern, Sportlern, Künstlern und anderen Gutverdienern, die ihr Geld in sicheren Häfen parkten. Wie so oft stellt sich auch hier die Systemfrage.