Die Teilnahme der Bürger

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Das neue Petitionswesen in Luxemburg ist also nunmehr in Kraft. Als eines der ersten Ansuchen schaffte es eine „Petition gegen die Tram und für ein Referendum“ in den zuständigen Parlamentsausschuss.

In einer lebendigen Demokratie ist es grundsätzlich zu begrüßen, wenn sich die Bürger für Politik interessieren und sich aktiv in die Debatten einbringen. Nur sollten sie es halt vorzugsweise „en connaissance de cause“ tun: Ein politisch mündiger Bürger informiert sich zuerst, bevor er zu rhetorisieren beginnt.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Dies ist im Zeitalter der Internet-Foren leider nicht der Fall: Ob sie nun pro oder contra sind, eine deutliche Mehrheit der Redner saftet erst mal unverzagt drauflos, auch und gerade wenn sie ahnungslos wie ein Neugeborenes sind. So geht einer der Tram-Befürworter seit Monaten mit der merkwürdigen Behauptung hausieren, dass man erforderlichenfalls sieben doppelstöckige Fahrzeuge aneinanderkuppeln könnte, um die nötige Kapazität zu erreichen. Was aber leider nun mal reiner Quatsch ist.

Aufseiten der Gegner des Projektes scheint die totale Ignoranz des öffentlichen Transports im Besonderen und des Verkehrswesens im Allgemeinen indes geradezu die legale Voraussetzung zu sein, um überhaupt an der Debatte teilnehmen zu dürfen.

Und gerade das macht die Auseinandersetzung so schwierig. Man hat es nämlich mit Leuten zu tun, die nicht nur keine Ahnung haben, sondern sich auch grundsätzlich für das Thema öffentlicher Transport desinteressieren: So wird dann in den Foren im Hinblick auf die geplante Tram im Brustton der Überzeugung einfach das Blaue vom Himmel herunter fabuliert.

Und dies, obwohl mittlerweile weltweit konkrete Erfahrungen mit über 40 neuen Tramsystemen bestehen, die diese wilden Spekulationen ganz einfach faktisch als „Kabes“ entlarven.

Eine Petition ist kein Referendum

Jene Leute, die eine der neuen Petitionen unterschreiben, sollten sich vor allem der Tatsache bewusst sein, dass eine Petition kein Referendum ist. Bei einem Referendum haben die Bürger nämlich ebenfalls das Recht, sich mit ihrer Stimme gegen das zur Abstimmung vorliegende Anliegen auszudrücken.

Das gibt es bei einer Petition nicht. Eine solche reflektiert mithin nur die Meinung ihrer Befürworter, mitnichten aber jene des Wählervolkes insgesamt.
Müsste denn aber nicht jeder echte Demokrat eher für Referenden anstatt der repräsentativen Demokratie sein?
Wohl kaum. Denn das Elektorat, der große Lümmel, benimmt sich, wie die Erfahrung zeigt, gerade bei Referenden nur allzu oft keineswegs wie ein verantwortungsbewusster Erwachsener.

Beispiel Kalifornien: Der bevölkerungsreichste amerikanische Bundesstaat wurde gerade durch sein liberales System der Volksumfragen quasi in den Ruin getrieben. Es hat sich nämlich erwiesen, dass sich „der“ Bürger im Golden State in der Regel absolut nichts dabei denkt, simultan für Begehren zu stimmen, welche die Einnahmen des Staates beschränken (weniger Steuern!), wie auch für solche, welche die öffentlichen Ausgaben steigern (mehr Straßen, schönere Schulen, bessere Krankenhäuser!). „Der“ Stimmbürger hätte eben nur allzu gerne „le beurre et l’argent du beurre“. Das ist zwar durchaus begreiflich, aber leider auch ziemlich kindisch. So fährt er nämlich seinen Staat schnurstracks an die Wand.

Und auch das viel gerühmte Schweizer Volk produziert manchmal Mist: Einerseits will man von der Einbindung in das EU-Wirtschaftssystem profitieren, andererseits sollen Deutsche und Portugiesen doch bitteschön draußen bleiben. Sie wollen halt „den Fünfer und das Weggli“.

Parlamente sind alles andere als perfekt. Sie treffen dennoch in der Regel bessere Entscheidungen als das, was die Kongregation der Foren-Humpejangen ahnungslos, aber meinungsstark als unumgängliche Notwendigkeiten der Politik erkannt zu haben glaubt.

(Francis Wagner)