SchulserieTrivial- „vs.“ Hohenkammliteratur (Belletristik), Teil 2

Schulserie / Trivial- „vs.“ Hohenkammliteratur (Belletristik), Teil 2
 Foto: Editpress/Anne Lommel

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Die Schulen haben wieder geöffnet und deshalb gibt es heute auch die letzte Folge unserer Schulserie mit Übungen zur deutschsprachigen Literatur sowie zur Rechtschreibung (Orthografie) und Grammatik.

Zu viele ästhetische und weltanschauliche Zugeständnisse an die jeweilige Erwartungshaltung eines breiteren Publikums sind eine sichere Voraussetzung dafür, von der gestrengen Kritik als trivial (jedem zugänglich) abgetan zu werden. Dieses mitunter elitäre wie selbstgerechte Urteil mancher Kritiker widerfuhr sogar einem der wichtigsten Nachkriegsromane der deutschsprachigen Literatur, S. Lenz’ „Deutschstunde“ (1968). Gar von „Komplizenschaft mit dem Leser“ war die Rede. Solche Wertungen sind bei aller Belesenheit ihrer Verfasser dennoch meist intersubjektiv, sie entstammen einer akademischen Elite, objektiv sind sie damit noch nicht unbedingt.

S. Freud hat sich ebenfalls der trivialen Literatur gewidmet und erblickt in der „Unverletzlichkeit“ der Helden solcher Romane „Seine Majestät das Ich“. Diese Literatur zeichne sich durch eine stete Wunscherfüllung des Dichters als eines Tagträumers aus, deshalb überstehe der Held jedes Abenteuer bzw. verliebe sich jede Frau in den Helden.

In K. Mays „Winnetou“ begegnet man beispielsweise einer ausgesprochenen Kritik an den weißen Siedlern: „Der Rote [der Indianer] schonte das Wild, weil es ihm Nahrung gab. Er erlegte nur so viel, wie er brauchte. Der Weiße aber hat unter den ungezählten Herden gewütet wie ein grimmiges Raubtier, das auch dann, wenn es gesättigt ist, weiter mordet, nur um Blut zu vergießen.“ (Band I, S. 56)

Obwohl es sich hier um Abenteuerliteratur handelt, so zielt Mays Kritik in eine ähnliche Richtung, wie sie auch etliche Vertreter der sog. „Belletristik“ anbringen, mit dem Unterschied, dass diese Kritik dann meist in subtilerer Form, etwa qua Symbolik oder innerhalb komplex angelegter Figurendialoge vorgetragen wird. Übrigens wird sich in jüngster Zeit wieder vermehrt dem Phänomen „Karl May“ aus philologischer Perspektive genähert, wie der Link zu einem lesenswerten Aufsatz am Ende dieser Folge zeigt. Danach speist sich Karl Mays Erzählweise unter anderem aus dem Fundus der Heiligenlegende.

In der vorherigen Folge war von den etlichen Begriffen die Rede, die zur Kennzeichnung der nicht-kanonisierten Literatur dienen. Einer davon ist der „Kitsch“. L. Reiners meint zu dieser Darstellungsweise. „Im Kitsch ist das Süße nur süß; die Spannungen der Wirklichkeit werden dem Reiz des Stofflichen [des Inhalts] geopfert. Das Stoffliche ist für den Kitschmacher entscheidend; die Gestalt des Werkes formt er möglichst glatt.“ (S. 172)

Ist das Leben nun zu kurz für Kitschromane, -filme oder -musik? Das Bedürfnis danach dürfte jedenfalls nicht aussterben.

Weiterführende Literatur: G. Teuscher: „Eine Darstellung zu Theorie, Geschichte und Vertretern der Trivialliteratur“. Ibidem, Stuttgart 1999
Von Heydebrand – Winko: „Einführung in die Wertung von Literatur“. Schöningh. Paderborn u.a. 1996.
S. Freud: „Der Dichter und das Phantasieren“. Reclam 2010.
L. Reiners: „Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa“ C. H. Beck. München 1991.
https://www.abenteuer.fak13.uni-muenchen.de/lektuere-logbuch/winnetou/luedemann_winnetou.pdf