Symposion über die Poesie des Porträts

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Nachdem die luxemburgische Sparkasse vor ein paar Jahren aufgehört hatte, aktiv Fotografie zu sammeln, tat sich für Marita Ruiter, Besitzerin der Galerie Clairefontaine, eine Lücke auf, die sie wieder schließen wollte. Eine Ausstellung allein sollte es aber nicht sein. Heike Bucher

So entstanden die „Photomeetings Luxembourg“, eine Kombination aus Workshops, Vorträgen und Ausstellungen zum Thema Fotografie. Am zweiten September-Wochenende findet nun die vierte Auflage der „Photomeetings“ statt unter dem diesjährigen Motto: „Photojournalism and Portraiture“. Das dreitägige Event versteht sich gleichzeitig als eine Hommage an die Fotografin Gisèle Freund, die dieses Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Gisèle Freund ist eine Literaturliebhaberin und Reisende gewesen. Anfang der 1930er Jahre ging die junge Deutsche (und Jüdin) nach Paris, um ihre Doktorarbeit zu schreiben. Soziologisch untersuchte sie die Anfänge der Fotografie in Frankreich und wurde bald selbst eine gefeierte Fotografin.

Liebe zur Literatur

Mit dem Aufkommen der Farbfotografie Ende der 1930er Jahre machte Gisèle Freund in kurzer Zeit Porträts von über 80 Schriftstellern. Namen wie Joyce, Gide, Breton, Elliot, Wilder, Woolf oder Zweig waren darunter. Die Liebe zur Literatur begleitete Gisèle Freund durch ihr langes Leben, eine enge Freundschaft verband sie mit Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre. Selbst schreiben wollte sie nie, bis auf Begleittexte für ihre Fotos oder Zeitungsartikel traute sie sich an nichts Großes heran, weil sie sich in keiner Sprache richtig zu Hause fühlte, obwohl sie bestimmt vier davon sprach. Anfang der 1940er Jahre floh Freund vor den Nazis nach Argentinien. Zehn Jahre verbrachte sie in Mittel- und Südamerika, bevor sie nach Paris zurückkehrte. In dieser Zeit entstanden neben Künstlerporträts vor allem Fotos von ihren zahlreichen Reisen. Ein beobachtender und unaufdringlicher Stil wurde Gisèle Freund nachgesagt, hinterlassen hat sie ein großes Werk. Marita Ruiter hat Gisèle Freund kennengelernt und gerät gerne ins Schwärmen. Für Ende Oktober bereitet sie gerade eine Ausstellung mit Berlin-Fotos von Gisèle Freund vor, die im Berliner Willy-Brandt-Haus gezeigt wird. Fotos von der Berliner Mauer sind dabei, ein Berlin, wie Freund es vorfand, als sie ihre Heimatstadt nach fast 30 Jahren wieder besuchte.
„Das sind vielleicht nicht die großen Würfe, aber wichtige Dokumente ihrer Zeit“, sagt Marita Ruiter. Deshalb ist sie froh, sie in Berlin zeigen zu können. „Woanders hätte das keinen Sinn ergeben.“

Ehrlichkeit und Integrität

Aber vorher stehen natürlich noch die „Photomeetings“ auf dem Plan und es gibt einiges zu tun. Die Anmeldungen laufen, Fotos für die Ausstellungen müssen noch gerahmt werden. Wenn am nächsten Freitag, den 11. September morgens um 9 Uhr der Startschuss fällt und Rolf Tarrach die Begrüßungsworte hält, wird alles fertig sein. Marita Ruiter hat sich interessante Gäste eingeladen und weil es sich um eine Hommage an eine Frau handelt, werden drei Fotografinnen die Workshops leiten: Jessica Backhaus, Herlinde Koelbl und Paula Muhr. So unterschiedlich die Arbeitsweisen der drei Fotografinnen sind, so unterschiedlich werden auch die Workshops sein. „Ehrlichkeit und Integrität“ sind die Bedingungen, die Jessica Backhaus an die Teilnehmer stellt. In ihrem Workshop „Turning a dream into reality“ bekommt man Tipps und Anregungen dafür, wie der Traum, ein eigenes Buch zu publizieren, Wirklichkeit werden kann. Bei Herlinde Koelbl hingegen geht es um die Kunst, Porträts von Menschen zu fotografieren. „Verwurzelte Gegenwart“ heißt ihr Workshop und verspricht eine kleine Reise in die Welt der persönlichen Motivation.
Im Workshop „Absence“ von Paula Muhr geht es um das Nachstellen von Menschen in Situationen, die auf alten Fotos zu sehen sind, möglichst mit denselben Menschen. Bis zu zwölf Teilnehmer können sich pro Workshop einschreiben, Vorkenntnisse braucht man nicht unbedingt. „Viele Leute denken, sie müssten schon ganz viel über Fotografie wissen, wenn sie hier teilnehmen wollen, aber so ist das nicht, hier kann jeder mitmachen“, sagt Marita Ruiter. Vorträge, Diskussionen und Ausstellungen runden das Programm ab. Viel Arbeit hat sich Marita Ruiter aufgehalst, „aber so etwas macht man nicht alleine“, sagt sie. Sie überlegt, das Konzept der „Photomeetings“ einmal woanders auszuprobieren, in einem etwas größeren Rahmen vielleicht. Denkbar wäre es bestimmt.
www.photomeetings.lu  


Workshops und Vorträge 
  
Workshops:
Vom 11. bis 13. September jeweils von 9-12 und 13-16 Uhr.
Jessica Backhaus: „Turning a dream into reality“ (D, F, E)
Herlinde Koelbl: „Verwurzelte Gegenwart“ (D, E)
Paula Muhr: „Absence“ (D, E)

Vorträge und Präsentationen:
René Burri und Hans-Michael Koetzle, 11. September, 14-19 Uhr
Joachim Ladefoged, 12. September, 14-16 Uhr
Klaus Honnef: „Gisèle Freund – eine Fotografin zwischen Theorie und Praxis“, 12. September, 17-19 Uhr
Georg Stefan Troller, Film-Präsentation: Interview mit Gisèle Freund, 13. September, 14-16 Uhr

Abschließend: Rundtischgespräch mit Jessica Backhaus, Herlinde Koelbl, Robert Gruber, Georg Stefan Troller u.a., Moderation Mario Hirsch, 13. September, 17-19 Uhr

Begleitende Ausstellungen mit Arbeiten der beteiligten Fotografen. Veranstaltungsort ist die Uni Luxemburg, Campus Limpertsberg, Bâtiment des sciences.
Gebühren für die Workshops: 150 Euro, Studenten 75 Euro
Vorträge: 10 Euro, um Anmeldung wird gebeten
Anmeldungsformulare: Galerie Clairefontaine, Tel.:
47 23 24