Die Orchestermusiker jedenfalls schienen ohne Druck zu spielen, sodass sich diese ganze entspannte Atmosphäre sehr positiv auf das musikalische Geschehen auswirkte. Auf dem Programm standen dann auch zwei Werke, die wenig innere Aufregung vermittelten. Mit einer sehr schön ausmusizierten und romantischen Ouvertüre D 644 (Die Zauberharfe) von Franz Schubert starteten die Musiker dann in dieses knapp einstündige Konzert, bei dem es natürlich auch keine Pause gab. Gustavo Gimeno dirigierte diese Ouvertüre mit sehr viel Gefühl und Sinn für die feinen Strukturen von Schubert. Diese Ouvertüre ist übrigens nicht für das Schauspiel Rosamunde (1823) komponiert worden, sondern bereits drei Jahre vorher für das Melodram Die Zauberharfe (1820). Erst im Laufe der Zeit hat es sich eingebürgert, dieses Werk unrichtigerweise als Rosamunde-Ouvertüre zu bezeichnen. Das wegen des Sicherheitsabstands großzügig auf der gesamten Bühne verteilte Orchester entwickelte dann auch einen sehr offenen, transparenten und enorm räumlichen Klang, das der weichen und fließenden Melodik des Schubert-Stückes enorm entgegenkam.
Beethoven hat seine fünfsätzige sechste Symphonie 1807/08 quasi gleichzeitig mit der Fünften komponiert und hier zwei sehr unterschiedliche Werke geschrieben, die sich aber durchaus ergänzen. Auf der einen Seite die akzentreiche, rhythmisch prägnante und vorwärtstreibende Fünfte, die aus dem Dunkel ans Licht strebt, auf der anderen die sehr zurückhaltende, deskriptive, durchgehend schöne und empfindsame Sechste, in der sich Beethoven als ein wahrer Klangmaler entpuppt und hier ganz sicher schon eine Weiche zur Romantik legt. Auch die Sechste oder Pastorale („Ländliche“) profitierte von der Orchesteraufstellung. Gimeno nahm sich demnach Zeit, sodass sich alle Farben und Melodien, Stimmungen und Nebenstimmen wunderbar entwickeln konnten. Einzige Ausnahme in Sachen Tempi: der 4. Satz mit dem Gewitter, wo Gimeno das Tempo anzog, ohne es allerdings wirklich krachen zu lassen.
Vielmehr bettete er auch diesen dynamischen Satz in ein allgemein räumliches und sanftes Klangbild ohne markante Akzente ein. Das OPL spielte überragend und entließ das begeisterte Publikum mit hoffnungsvollen und friedlichen Klängen in die Sommerpause, die in diesem Jahr, auch ohne die vielen abgesagten oder reduzierten Festivals, eine ganz besondere wird. Auch für Gustavo Gimeno, der nämlich in Toronto am 23. September offiziell als neuer Chefdirigent des Toronto Symphony Orchestra mit einem Mozart-Mahler-Programm debütieren sollte. Auch dieses erste Konzert ist abgesagt. Wir wünschen Gustavo Gimeno trotzdem von dieser Stelle aus viel Glück und Erfolg auf seinem neuen Posten und möge er uns hier als Chefdirigent des OPL noch lange mit seinen hochkarätigen und engagierten Interpretationen erfreuen.
Ein letztes „Back to live“-Konzert wird es am 16. Juli in der Philharmonie mit Francesco Tristano Schlimé geben. Die neue Spielzeit in der Philharmonie wird, wenn Covid-19 es denn erlaubt, am 17. September mit einem Konzert des OPL, Gustavo Gimeno und dem Pianisten Krystian Zimerman beginnen. Auf dem Programm stehen die beiden ersten Klavierkonzerte von Beethoven sowie Anton Weberns Fünf Sätze op. 5 in der Fassung für Streichorchester.
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