Mercuria 79: Überlegungen zum 8. März

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Ainhoa Achutegui schreibt über den Weltfrauentag

Letzten Donnerstag war Weltfrauentag, der von der UNO ernannte Tag für die Rechte der Frauen, und wie jedes Jahr haben auch diesmal alle Tageszeitungen eifrig zum Thema geschrieben oder Radiosender Beiträge gebracht. Und wie jedes Jahr hatten wir Recht auf dieselben leidigen Diskussionen: Brauchen wir den 8. März, ja/nein, Pros und Kontras wurden hier und da publiziert. Der Leitartikler des Tageblatt nutzte den Weltfrauentag, um einen Hieb gegen #MeToo zu lancieren, und fragte „whataboutism“*-klassisch, ob die Entschärfung von Notlagen nicht wichtiger als die weltweite #MeToo-Bewegung wäre.

Interessanterweise kommen genau am 8. März Stereotype und Vorurteile gegenüber Frauen stärker zum Vorschein. Der Titel des „Contra“-Artikels von Daisy Schengen im Tageblatt war zum Beispiel Programm: „Support statt Stutenbissigkeit“. Der letzte Absatz ihres Kommentars, der sich mit Karriere und Beruf und einigen der bisherigen Erfolge der Frauenbewegung auseinandersetzt, ist ein kleines Plädoyer für eine „Schwesternschaft“, an die ich übrigens auch felsenfest glaube.

Doch dann schreibt sie leider im selben Satz von einer angeblich existierenden „Stutenbissigkeit“. Sie hätte in diesem Kontext auch gleich die Wörter „Zickenkrieg“ oder „Zickenalarm“ verwenden können, beide wie „Stutenbissigkeit“ abwertende Begriffe, die sich auf vermeintlich spezifisch weibliche Verhaltensweisen beziehen und Frauen allgemein stärkeres Neid- und Eifersuchtsverhalten untereinander unterstellen. Jede Person aber, die im Berufsleben steht, weiß genau, dass Eifersucht und Neid keineswegs frauenspezifisch sind.

Seit mehr als 100 Jahren gibt es nun den Weltfrauentag; er ist ein Symbol des jahrzehntelangen Kampfes von Frauen (und mittlerweile auch von Männern) für die theoretische und praktische Gleichstellung von Frauen in allen Belangen und auf allen Ebenen. Vieles wurde erreicht, aber einiges eben auch nicht. Wir sind noch weit von einer gleichberechtigten und gleichwürdigen weltweiten Gesellschaft entfernt, in welcher sexuelle Belästigung kein Kavaliersdelikt ist, Frauenmorde nicht an der Tagesordnung sind, Hausarbeit und Kinderbetreuung nicht nur auf Frauenschultern lasten, Frauen in Aufsichtsräten, Politik und Management in gleicher Zahl und Stellung wie Männer vertreten sind und sich „Prekarität“ nicht auf „Frauenschicksal“ reimt … Wieso also sollten wir den Internationalen Frauentag eliminieren?

Wir haben Tage für Tierrechte, Männergesundheit, für den freien Zugang zu Wasser und Sanitäranlagen, für Flüchtlinge, gegen Krebs, gegen Diskriminierung und für und gegen vieles mehr. Keiner davon wird je infrage gestellt, denn wir sind uns bewusst, dass in der Hoffnung, Missstände zu beseitigen, an diesen Tagen ein besonderes Augenmerk auf die jeweilige Problematik gelegt wird. Warum wird dann ständig und heftig gestritten – auch auf Stammtischniveau in den sozialen Netzwerken –, ob der Weltfrauentag noch Sinn macht?

500.000 Menschen gingen in Madrid und Barcelona letzte Woche auf die Straße und erklärten den Weltfrauentag zu einem feministischen Streiktag. Die Bilder dazu waren beeindruckend und die Diskurse schlichtweg ergreifend. Ich hoffe, dass eine solche Massenmobilisation auch woanders möglich ist. Denn nur gemeinsam erreichen wir eine gleichwertige und -würdige Gesellschaft.

* „Whataboutism“ bedeutet in Diskussionen die Ablenkung unliebsamer Kritik durch Hinweise auf andere, angeblich erheblichere Missstände.