Kultur(journalismus) für alle?

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Am Dienstagabend hatten sich nicht gerade Heerscharen an Leserinnen und Lesern, aber dafür schon einiges an Möchtegern-Polit-, Medien- und Kulturprominenz in den Rotondes eingefunden, um einer zumindest auf geschlechtlicher Ebene nicht allzu heterogenen Gruppe von Diskussionsteilnehmern zuzuhören, die über die staatliche Pressehilfe debattierte. Die ganze Veranstaltung, die höchstwahrscheinlich aus purer Barmherzigkeit von Maison Moderne organisiert worden war, trug den doch etwas ironisch anmutenden Titel „Au nom de la diversité“. Nicht gekommen war der Medienminister, der aber in einer Videobotschaft wieder einmal unter Beweis stellte, dass sowohl Kultur als auch Medien zu seinen Steckenpferd(ch)en gehören. Er teilte nämlich mit, dass es noch nicht wirklich etwas mitzuteilen gibt. Direkt hinter ihm hing passenderweise ein Bild, auf dem zu lesen war: „You are the best“. So weit, so gut.

Im Rahmen der Diskussion zwischen den Hauptverantwortlichen der diversen Medienhäuser, Parteimitgliedern aus dem gambischen „Trio infernal“ sowie der Opposition und dem Publikum kam unter anderem die nicht neue, aber dafür nicht weniger wichtige Debatte um ein veraltetes Verständnis von Berichterstattung auf. Noch immer seien viele Informationen in Zeitungen zu lesen, die man auch anderenorts erfahren und sich selbst zutragen könne. Diese Seitenfüller, die man in Luxemburg in eigentlich fast jeder Zeitung findet, wurden zu Recht kritisiert, da sie allemal mehr für Quantität als für Qualität stehen.

Leider trifft dieser Vorwurf auch auf weite Teile des Kulturjournalismus hierzulande zu, obwohl ihm im Kontext dieser Grundsatzdebatte häufig weitaus weniger Aufmerksamkeit zukommt. Journalistinnen und Journalisten aus diesem Bereich sehen sich in Luxemburg nicht selten völlig undifferenzierten Haltungen gegenüber. Entweder werden sie belächelt, da sie ja „nur“ Kultur abdecken, oder ihnen wird förmlich, vor allem vonseiten der Veranstalterinnen und Veranstalter, der rote Teppich ausgerollt. Sicherlich passiert dies aufgrund sozialer Gepflogenheiten, aber häufig schwingt wohl auch die Hoffnung mit, derartiges Verhalten habe in der Folge einen positiven Einfluss auf den zu schreibenden Artikel über ein Konzert, ein Stück usw.

Das ist gar nicht so weit gefehlt, denn diesen nett gemeinten Gesten wird nicht selten Rechnung getragen. Dies mündet dann darin, dass man sich einer Unmenge an unbezahlten „publi-reportages“ gegenübersieht und an einem Tag gleich fünf Artikel über ein Theaterstück liest, die an reine Nacherzählungen aus der sechsten Klasse erinnern. Oder man stößt auf Konzert-Reviews, die vor allem aus Setlists, Fröhlichkeitsbekundungen und der unermesslich wichtigen Information, wann das Konzert denn angefangen hat, bestehen. Manche Berichte, zu deren Zweck Menschen extra akkreditiert wurden, erreichen leider nicht mal den Status des Erlebnisaufsatzes.

Nun sag, wie hast du’s mit der Kritik?

Qualitativ hochwertige und saubere Kritik ist eine der Königsdisziplinen im Journalismus im Allgemeinen und im Kulturjournalismus im Besonderen. Dementsprechend gestaltet sie sich alles andere als einfach und kann nicht im Schnelldurchlauf umgesetzt werden. Somit wird des Öfteren in Ermangelung von Zeit, Mut oder auch Kompetenz auf eine Art Gefälligkeitsjournalismus ausgewichen, die zumindest der Leserschaft nichts bringt. Es ist äußerst bedauerlich, dass nicht mehr Kulturredaktionen als „Gaston Vogel vun der Kulturzeen“ (Laurent Loschetter sich aufs Lëtzebuerger Land beziehend bei Radio 100,7 am 4.9.2017) bezeichnet werden. Die Relevanz liegt nicht darin, ob man von Loschetter gemocht oder gehasst wird, sondern problematisch ist hierbei, dass die in diesem Fall gemeinte Journalistin zum Ausnahmefall hochstilisiert werden kann, weil sich schon einige, aber nur wenige andere Kulturjournalistinnen und -journalisten in Luxemburg trauen, bestimmte Akteurinnen und Akteure zu kritisieren und wie gesagt, sauber (!) auszuformulieren, warum die Welt zum Beispiel einen bestimmten Film, ein Buch, ein Stück oder eine Ausstellung nun wirklich nicht gebraucht hat.

Hinzu kommt, dass sobald eine Luxemburgerin oder ein Luxemburger bei irgendeiner Show im Ausland mitmacht, alle gleich „Hurra“ schreien, ohne beispielsweise das dargebotene Format zu hinterfragen oder sich die Frage zu stellen, warum die Künstlerinnen oder der Künstler nicht in Luxemburg Fuß fassen konnte. Was sehr häufig fehlt, sind Hintergrundberichte, die im wahrsten Sinne des Wortes hinter die Kulissen schauen. Und das, obwohl es im Land der Vetternwirtschaft mit diesem Thema im kulturellen Kontext nicht allzu weit her ist. Außerdem mangelt es oft an Durchhaltevermögen, wenn es drum geht, staatliche Initiativen wie beispielsweise die „Assises culturelles“ im Auge zu behalten. Verfolgt man deren Nachwirkungen und Konsequenzen nicht, so verpufft das Ursprungsevent als schlichte Willensbekundung seitens des Staats, der in der allgemeinen Wahrnehmung ja dann „nicht nichts“ gemacht hat. Ebenso ist es eigentlich der Job der Kulturjournalistinnen und -journalisten, sich genau anzuschauen, ob der Kulturminister und der Staatssekretär für Kultur ihre Aufgaben erfüllen und Verantwortung übernehmen. Es ist schlimm genug, dass bei Bettels Vorgängerin nicht wirklich tief gegraben wurde, vielleicht auch weil man unisono peinlich berührt war. Die Berichterstattung über alle drei sollte oder muss gar darüber hinausgehen, dass erwähnt wird, ob jemand aus dem Trio bei dieser oder jener Veranstaltung präsent oder (wie häufiger mal) verhindert war.

Zu guter Letzt sei noch die luxemburgische Büchse der Pandora des Kulturjournalismus, nämlich die Frage nach dem „embedded journalism“ und Interessenkonflikten, erwähnt. Viele Kulturjournalistinnen und -journalisten in Luxemburg verbindet eine Freundschaft mit Kulturschaffenden oder sie engagieren sich sogar selbst in jenem Bereich, der eben auch ihr Arbeitsbereich ist. Dies soll nicht a priori verurteilt werden, sondern es muss offener damit umgegangen und ehrlich darüber diskutiert werden.

Abschließend sei eins hier noch klargestellt: Ja, wer im Schlachthaus sitzt, sollte nicht mit Schweinen werfen. Ich arbeite nun seit zehn Jahren als Kulturjournalistin und habe ohne Zweifel schon einige (unter anderem hier aufgeführte) Fehler gemacht. Und es werden auch noch welche folgen. Es soll ohnehin nicht nur darum gehen, (manchmal durchaus menschliche) Fehler auf ein Minimum zu reduzieren, sondern Ziel kann und muss es sein, sich gemeinsam Gedanken darüber zu machen, warum sie passieren. Dies gilt ebenso für jene Kulturredaktion, in der ich arbeite, als auch für andere. Lasst es uns anpacken. Dann kommen wir irgendwann vielleicht weg von dem, was Karl Valentin mal gesagt hat: „Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.“