Die Schlämmer-Falle

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der Wahlkampf hat begonnen – wenn auch nur im Kino! Auch wenn Merkel, Steinmeier & Co sich zurzeit noch bitten lassen, einer zeigt der deutschen Nation seit gestern, wo es langgeht: Horst Schlämmer!

Der stellvertretende Chefredakteur des Grevenbroicher Tagblatts, Horst Schlämmer, hat es nämlich satt! Ständig bekommt er von seinem Chef nur zweitklassige Aufträge über Kaninchenzüchtervereine oder ähnlich Spektakuläres zugewiesen. Er fühlt sich zu Höherem berufen und zielt nichts weniger als das Amt des deutschen Bundeskanzlers an. Mit Hilfe seiner eigens dafür gegründeten Partei HSP, der „Horst-Schlämmer-Partei“, nimmt er dieses Ziel in Angriff und stellt sich als Kanzlerkandidat auf.

Diesen Entschluss trifft er jedoch nicht von heute auf morgen. Nachdem der Chefredakteur des Grevenbroicher Tagblatts an einer Fischvergiftung erkrankt ist, muss Schlämmer die Interviews mit den Vertretern verschiedener Parteien zum Thema „Superwahljahr 2009“ übernehmen und tut dies auf seine sehr eigene, unkonventionelle Art. So bietet er seinen Gegenübern einen Schnaps oder Kartoffelsalat an und konfrontiert sie mit der verwirrenden Frage: „Was mangelt in Deutschland?“.

Er kommt zu dem Schluss, dass in Deutschland alles immer weniger wird und er gerne wieder „mehr von weniger“ hätte. Er beschließt, sich aktiv am politischen Leben zu beteiligen denn, wie er es treffend formuliert: „Was die Andern nicht können, kann ich schon lange nicht!“ Um die Wahl zu gewinnen, sucht er sich prominente Unterstützung und findet diese auch prompt in der Person von Alexandra Kamp, die das Amt der First Lady anstrebt und davon träumt, die deutsche Carla Bruni zu werden. Diese lässt ihre Kontakte spielen und trommelt etliche C-Prominente wie Kader Loth, Claudia Effenberg oder Jürgen Drews zusammen, um die HSP zu unterstützen.

Des Weiteren ernennt Schlämmer den Bundeshasen zu seinem Maskottchen und will den Bundesadler durch diesen ersetzen lassen, sobald er Bundeskanzler wird. So wundert es nicht, dass „Hasenpower“ zum Schlachtruf der HSP wird.

Von Grevenbroich nach Berlin

Hinter Schlämmer steckt der Schauspieler und Moderator Hape Kerkeling, der nach einjähriger Pause mit seinem beliebtesten Alter Ego wieder in die Öffentlichkeit zurückkehrt. Mit „Horst Schlämmer – Isch kandidiere“ ist Kerkeling ein Stück politisches Kino gelungen, das intelligent und witzig den Wahlkampf in Deutschland thematisiert – wenn auch mit etlichen Kollateralschäden für die Beteiligten. So demaskiert der Film, gewollt oder ungewollt, jede politische Person, die darin vorkommt.

Bei dem Versuch, die Konfrontation mit dem Journalisten Schlämmer mit Humor zu nehmen, verlieren die meisten ihr politisches Gesicht und schaufeln sich mit ihren unsinnigen Antworten ihr eigenes Grab. Völlig ungewollt entwickeln sich somit die lockeren Interviews mit Schlämmer zu einer Falle, die viele Politiker ihre Glaubwürdigkeit kostet. Einzig der Nordrhein-Westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers meistert die Begegnung mit Schlämmer souverän und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

Hat sich Kerkeling doch sicherlich an „Borat“ inspiriert, so kommt Horst Schlämmer jedoch ganz ohne Fäkalhumor und homophobe Gags aus und brilliert durch intelligenten Witz und gezielte Sticheleien, die er als versehentliche Versprecher tarnt. Welche Ausmaße der (fiktive) Wahlkampf von Schlämmer jedoch annimmt, zeigt sich in einer repräsentativen Umfrage des Stern. Ganze 18% der Deutschen könnten sich vorstellen, ihre Stimme am 27. September an die HSP zu vergeben. Ein Wert, von dem die FDP, die Grünen und vielleicht sogar schon bald die SPD nur träumen kann.

Verwunderlich ist es dann doch nicht. Wirft man einen Blick auf Schlämmers Parteihomepage oder seine mediale Präsenz in den letzten Wochen im Vergleich zu Steinmeier oder Merkel, so könnten diese sich ruhig eine Scheibe von ihm abschneiden. Schlämmers Kinodebüt hat also beste Chancen, ein voller Erfolg zu werden und wenn dann vielleicht in vier Jahren der Bundeshase vor dem Bundestag herumspringt, kann niemand behaupten, er sei nicht gewarnt worden. Oder wie Schlämmer es treffender ausdrückt: „Dann weißte Bescheid, Schätzelein!“