RomanBleiche Brustwarzen: Mieko Kawakamis „Brüste und Eier“ ist wunderbar durchgeknallt

Roman / Bleiche Brustwarzen: Mieko Kawakamis „Brüste und Eier“ ist wunderbar durchgeknallt
 Foto: Von Miwakon – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0 *

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Vom Liebesleben japanischer Frauen: Mieko Kawakamis „Brüste und Eier“ ist ein wunderbar durchgeknallter Roman. Japan ist ein strenges Land. Tradition, Ehre und Würde spielen die größte Rolle. Einst haben Ehefrauen ihre Ehemänner „Gebieter“ genannt, viele tun das heute noch, auch jüngere. Aber nicht die Figuren Mieko Kawakamis, die 1976 in Osaka geboren wurde und in ihrem Land schon eine bekannte Autorin mit einigen Preisen ist. Japans Literatur-Superstar Haruki Murakami nennt ihren neuen Roman „atemraubend“.

Makiko hat die 30 bereits überschritten, als alleinerziehende Mutter hat sie ein Problem mit ihrer zwölf Jahre alten Tochter Midoriko, vor allem aber mit ihren Brüsten. Die will sie unbedingt vergrößert und ihre Warzen farblich verändert haben, um für Männer interessanter zu werden. Ihren Lebensunterhalt verdient sie in der Region Osaka als „Hostess“, ihre Brüste sind ihr zu flach und die Brustwarzen zu dunkel, sie sollen rosarot sein. Makiko hat sie schon mehrfach zu bleichen versucht – erfolglos. Midoriko findet den Wunsch ihrer Mutter nach größerem Busenumfang „voll eklig“. Die beiden reden seit einem halben Jahr kaum noch miteinander.

Die 43 Jahre alte Autorin Mieko Kawakami schreibt also über Figuren, die in Japans Gesellschaft nicht vorgesehen sind, sie sind nicht brav und angepasst. Ein Satz lautet: „Das Patriarchat hat in Japan die Stellung einer Religion.“ Es gibt urkomische Szenen in diesem Roman, etwa wenn Makiko vor ihrer Schwester Natsuko im Badehaus ihren Busen entblößt und wie das geschildert wird. „Wieder und wieder rauschten ihre Brüste und mit ihren Brüsten ihre Brustwarzen aus dem Wasser, stiegen, noch dazu in Zeitlupe, auf, wie das Ungeheuer von Loch Ness oder ein riesiges U-Boot. Auf ihrer Brust, die nicht größer war als die Schwellung nach einem Mückenstich, saßen in großen Höfen zwei ebenso breite wie hohe, imposante Brustwarzen. Sie sahen förmlich wie Bedienknöpfe aus.“

Das Patiarchat als Religion

Makikos Schwester Natsuko ist die Jüngere, 30 Jahre alt und mit dem Anspruch, Schriftstellerin zu werden, sie arbeitet an ihrem ersten Roman. Als Makiko und Midoriko sie in ihrem winzigen Apartment in Tokio besuchen, gibt Natsuko zu, asexuell zu sein, ein Leben mit einem Mann kann sie sich nicht vorstellen. Aber ein Kind hätte sie gern, das sie allein großziehen würde – eine unkonventionelle Idee im starren Japan.

Deren Gesellschaft wird in dem Buch bloßgestellt, es ist ein Blick auf die groteske Geschlechtertrennung. An weibliche Selbstverwirklichung ist nicht zu denken in einem Land, in dem Bosse ihre angestellten Frauen in Uniformen stecken und selbst die Absatzhöhe ihrer Schuhe vorschreiben. Dennoch hat der Roman Humor, die Dialoge der Frauen untereinander sind voller witziger Bosheit. Das alles liest sich ziemlich durchgeknallt, auch weil es so fragil und unwahrscheinlich ist.

Was noch faszinierender ist: Mieko Kawakami setzt Männer hintendran. Sie sollen nicht mehr über Frauen herrschen. Im zweiten Teil des Romans gibt es Diskurse über Sex und Mutterschaft, dazu werden mehrere Stimmen von Frauen in die Handlung eingeführt. Frauenleben werden beschrieben und es geht dabei immer wieder um Kinder und ihre Zukunft. Die Diskurse sind westlichen Debatten sehr ähnlich, Ehe ist kein Modell mehr für viele moderne Frauen.

Der zweite Teil des Romans hat aber Schwächen, weil es zu sehr um die Rumpfgemeinschaft von Müttern und ihren Kindern geht. Es fehlen die Erwartungen an männliche Partner und den Wandel in der verfestigten Gesellschaft. Dem Roman muss aber bescheinigt werden, ein anstehendes Thema ins Gespräch gebracht zu haben – und das auf heitere Weise. Der Übersetzerin Katja Busson ist es gelungen, die Sprachweise der Autorin, die sie ihren Figuren in die Münder legt, authentisch zu vermitteln.

LINK Hier finden Sie eine Leseprobe aus dem Roman.

* Foto: Von Miwakon – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=48772017

Infos

Mieko Kawakami: „Brüste und Eier“
Aus dem Japanischen von Katja Busson
DuMont, Köln
495 S., 24 €