Eröffnung in der KriseWie „Simbiosa“, „The AA Warehouse“ und „Gentlemen Barbershop“ Corona trotzen wollen

Eröffnung in der Krise / Wie „Simbiosa“, „The AA Warehouse“ und „Gentlemen Barbershop“ Corona trotzen wollen
Die Eröffnung während einer Pandemie ist schwierig, doch wer Unternehmergeist besitzt, der lässt sich auch von Corona nicht so schnell unterkriegen Foto: Editpress/Julien Garroy

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Es ist Krise: Dessen ist man sich spätestens seit den letzten Covid-Maßnahmen wieder mehr als bewusst. Doch während vielerorts Geschäftsleute und Restaurateure um ihre Existenz bangen, taucht hier und da ein Schild mit der Aufschrift „Ouverture“ in den Schaufenstern Luxemburgs auf. Auch „Simbiosa“, „The AA Warehouse“ und „Gentlemen Barbershop“ gehören zu jenen Lokalen, die erst kürzlich ihre Türen für Kundschaft geöffnet haben. Denn wo die einen wirtschaftlich von den Folgen der Krise erschlagen werden, riskieren andere noch mal alles, um trotz Pandemie ihre Pläne am Leben zu erhalten oder aber Alternativen zu finden.

„Falls noch mal ein Lockdown verhängt wird, haben wir zwar keinen Anspruch auf ‚Chômage partiel‘ für unser Personal, da man hierfür mindestens sechs Monate bestehen muss, aber wir wollten uns nicht davon abschrecken lassen und einfach abwarten, bis sich wieder etwas tut.“ Mit dieser Aussage schließt Stéphanie Reuter das Gespräch zur Eröffnung ihres neuen Lokals „Simbiosa“ im „Garer“ Viertel ab. Zusammen mit Christophe Prosperi und Jérôme Bigard hat die 36-Jährige am 5. Oktober ein Streetfood-Restaurant in der städtischen rue du Fort Bourbon eröffnet – inmitten einer Krise, die viele andere des Horeca-Sektors bereits die Existenz gekostet hat. Auch bei „Simbiosa“ handelt es sich um den Versuch, den Folgen der Krise zu trotzen, denn eigentlich leitet das Team die Event-Location „Schengener Haff“.

„Durch Corona haben wir alle vorgesehenen Veranstaltungen im Sommer verloren oder mussten diese bis auf Weiteres verschieben. Unser Hauptbusiness sind Hochzeiten, diese konnten in den vergangenen Monaten natürlich auch nicht wie geplant stattfinden, also mussten wir nach einer Alternative suchen“, sagt Stéphanie Reuter. Anfangs noch im Glauben, die Situation würde sich nach einigen Monaten wieder normalisieren, wurde dem Trio schnell klar, dass dies wohl noch so bald nicht der Fall sein wird. Doch abwarten und Tee trinken gehört nicht zum Motto von Reuter, Prosperi und Bigard, es musste also ein neuer Businessplan her. „Mitte Juli haben wir das Lokal hier zum ersten Mal gesehen, danach ging alles sehr schnell“, verrät die Event-Managerin. Es habe sich um einen Glücksgriff gehandelt, denn eigentlich war der Pachtvertrag schon fast von einem anderen Interessenten unterschrieben worden. „Die Kette ist allerdings krisenbedingt wieder abgesprungen“, so Reuter.

Ruhiger durch Home-Office

Die anfängliche Idee zur Eröffnung eines „Fine dining“-Restaurants legte das Team des „Schengener Haff“ schnell wieder ab, denn dafür hätte es ein weitaus größeres Investment gebraucht, als dies nun der Fall war: „Es war für uns klar, dass wir in Richtung Streetfood und Take-away gehen würden. Nach nur ein paar Wochen stand das Konzept.“ Zu 80 Prozent vegetarisch und vegan, zu 20 Prozent deftig und mit tierischen Produkten – so gestaltet sich die Speisekarte von „Simbiosa“. Eine Symbiose eben, denn das Restaurant will jedem etwas bieten können. Die Betreiber greifen hierbei auf eine langjährige Erfahrung in der Restauration zurück, mit Küchenchef Christophe Prosperi, der in Schengen durch klassische Banketts und gehobene Küche glänzt, Jérôme Bigard, der seit fast 15 Jahren als Manager in der Branche tätig ist, und Stéphanie Reuter selbst, Geschäftsführerin sowie „Frau für alles“. 

Ob sie sich Sorgen wegen der aktuellen Krise macht, beantwortet Reuter so: „Wir sind nach wie vor positiv eingestellt. Das Ganze ist auch relativ gut angelaufen, trotz immer neuer Maßnahmen. Natürlich befürchten wir einen zweiten Lockdown, aber auch da finden wir einen Weg.“ Aktuell sei es zwar noch ruhig und eher leer im hauptstädtischen Bahnhofsviertel, doch man spekuliere auf die Ankunft der Tram, und nach insgesamt 65 Bestellungen direkt am ersten Tag hat sich mittlerweile auch schon eine gewisse Stammkundschaft eingefunden. Dennoch wolle sich das Team auf alle möglichen Szenarien vorbereiten, denn seit der Ankündigung strengerer Covid-Regelungen bemerken die Geschäftsführer von „Simbiosa“ eine gewisse Nervosität bei der Kundschaft. „Viele sind wieder im Home-Office, dadurch ist es natürlich etwas ruhiger geworden. Dennoch haben wir unsere Öffnungszeiten mittlerweile von 11.00 bis 15.00 auf 11.00 bis 21.30 Uhr ausgeweitet und bieten seit letztem Montag auch einen Lieferservice über WeDely an.“  

Nicht nur „Bleift doheem“

Auch ein Online-Shop für Take-away-Bestellungen wurde eingerichtet, aus Angst vor einer erneuten Schließung. Doch das Trio ist zuversichtlich und pokert auf den Erfolg ihres Konzeptes, denn auf diesen sind sie bitter angewiesen: „Am Wochenende wurde der ,Schengener Haff’ wieder gemietet – das erste Mal, dass dort seit Juli ein Event stattfindet, und auch das letzte Mal bis zum Ende des Jahres. ,Simbiosa’ ist dabei natürlich eine kleine Hilfe, die uns erlaubt, wenigstens die Miete einzunehmen.“ Machbar sei dies allerdings nur durch die Tatsache, dass in Schengen hauptsächlich mit Freelancern im Service gearbeitet wird, daneben hofft das Team um Reuter ebenfalls auf die Hilfe vom Staat. „Wir haben alles an Unterstützung angefragt, was geht. Es gibt unterschiedliche Hilfen für neue Geschäfte sowie den ‚Fonds de relance et de solidarité‘. Es ist aber auch wichtig zu betonen, dass wir eine Perspektive und klare Ansagen benötigen, vor allem in der Unterhaltungs- und Horeca-Branche. Es reicht nicht, den Leuten ‚Bleift doheem‘ zu sagen, während die Restaurateure weiter arbeiten müssen. Zwar versuchen wir uns, so gut es geht, umzustellen, aber wir brauchen Unterstützung“, so die 36-Jährige.

Auf diese hoffen ebenfalls „The AA“. Am 5. Juli haben Alessia, kurz Ale, und Anne ihren Vintage- und Secondhand-Shop „The Warehouse“ in Fentingen eröffnet. Durch Covid-19 verlief der Startschuss allerdings anders als geplant. „Eigentlich wollten wir ein offizielles Event organisieren. Da wir aber Geld für die Miete benötigt haben, haben wir auf einen großen ,Kilo Sale’ umgestellt und eben so angefangen“, verrät Anne. Von der eigenen Lagerhalle im industriellen Stil der Vintage-Geschäfte großer Metropolen wie New York träumt das Duo bereits seit langem. In einer zweijährigen Testphase versuchten sich „The AA“ erst in Gasperich am Shop-Leben. „Das war allerdings nur temporär und in Zusammenarbeit mit Thierry Henschen von ‚Younik Vintage‘. Wir haben dort quasi unseren Stock gelagert und sind auf Märkte gegangen, aber eigentlich wollten wir immer ein eigenes Lokal besitzen.“

Das Team von „The AA“ kann neben der Unterstützung seitens der Gemeinde auch auf die Hilfe zahlreicher Freiwilliger zählen
Das Team von „The AA“ kann neben der Unterstützung seitens der Gemeinde auch auf die Hilfe zahlreicher Freiwilliger zählen The AA Warehouse Vintage & Second Hand

Kämpfen ums Überleben

Nach langer Suche in der Stadt schien der Traum für die Mädels, die sich selbst als „AAlienz“ bezeichnen und „für immer dem Club der 27-Jährigen angehören“, schon geplatzt, denn Mieten im Zentrum sind für die meisten schier unbezahlbar. Doch der Kontakt einer Bekannten habe die rettende Lösung gebracht. „Die Halle gehört einer Freundin und sie hat sie uns zu einem fairen Preis vermietet“, sagt Anne. 200 Quadratmeter, kostenlose Parkmöglichkeiten, eine Lage nah an der Stadt – außerhalb von Corona-Zeiten eigentlich ein Garant für Erfolg. Doch AA-Team kämpft trotz bester Voraussetzungen monatlich ums Überleben. „Das, was wir im Verkauf einnehmen, reicht knapp für die Miete. Ale arbeitet Vollzeit im Schuhgeschäft ihres Vaters, ich vermiete Sozialwohnungen bei der ‚Société nationale des habitations à bon marché‘. Den Shop betreiben wir nur nebenbei, anders wäre es auch nicht möglich“, sagt Anne. Was in der Kasse fehlt, wird aus eigener Tasche bezahlt, gespart wird bei Privatem.

Das Prinzip im Geschäft bleibt dabei dasselbe wie bereits in Gasperich: verkauft werden Vintage- und Secondhand-Kleider sowie -Accessoires. Wer zu Hause selbst alte „Fashion Pieces“ besitzt, der kann diese gegen einen Gutschein bei „The AA“ eintauschen. „Wir machen viel Tauschhandel und geben die Sachen, die wir nicht verkaufen, an gemeinnützige Organisationen ab“, so Anne. Der große Boom im Business blieb bislang jedoch aus – trotz XXL-Andrang beim Eröffnungs-Kilo-Event: „Das war ganz schrecklich. Wir hatten alles super organisiert, mit Türsteher, Distanzmarkierungen am Boden und abgezählter Anzahl an Gästen im Innern. Die Leute hatten allerdings so Bock auf den Sale, dass der Andrang riesig war, wodurch extrem lange Wartezeiten entstanden, die Leute im Stress einkaufen mussten und sogar die Polizei kam und Knöllchen an all jene verteilte, die draußen ihre Maske nicht anhatten. Bei 149 Euro Strafgeld haben die Betroffenen danach natürlich nicht mehr bei uns eingekauft.“

Kein Boom wie davor

Der Umsatz reichte anschließend nicht einmal, um mehr als die Miete zu bezahlen, die Schuld daran geben „The AA“ der Krise: „Es herrschte eine komische Stimmung und die Leute haben nicht viel gekauft, ganz anders als das beispielsweise bei unserem Event in den ,Rotondes’ vor Corona der Fall war.“ Und auch außerhalb besonderer Veranstaltungen bemerkt das Duo die Folgen der Krise. Da Ale und Anne aufgrund ihrer Jobs nur an Sonntagen öffnen können, sind sie hier auf besonders viel Kundschaft angewiesen. Diese ist durch Covid jedoch verunsichert und zögert, groß shoppen zu gehen. Es muss also gehandelt werden, und genau das wollen „The AA“ auch tun. „In einem nächsten Schritt wollen wir einen E-Shop einrichten, dafür müssen wir aber erst Hilfe beim Staat beantragen.“ Eine Unterstützung bietet hingegen von Anfang an die Hesperinger Gemeinde, insbesondere unter der Leitung von Bürgermeister Marc Lies. „Sie helfen uns, wo sie nur können, unter anderem durch die Aufstellung eines Schildes draußen oder die Erlaubnis seitens Gemeinde und Staat, jeden ersten Sonntag im Monat bis 18.00 Uhr öffnen zu dürfen“, sagt Anne.

Auch in puncto Networking können „The AA“ auf eine ganze Reihe Unterstützung zählen, so arbeiten sie regelmäßig eng mit „Electro Viaduc“-Gameshop-Besitzer Eric Rosenfeld zusammen, haben ein großes Graffiti-Mural von Künstler Alain Welter anfertigen lassen und präsentieren stolz das neue Logo von Tattoo-Mogul Dan Sinnes. Dennoch bleibe die Betreibung eines Ladens in der Krise schwierig. „Man muss ständig nach neuen Maßnahmen und Regelungen Ausschau halten und bei der ,Santé’ anrufen. Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht aufpassen müssen“, sagt Ale. Doch wer etwas wissen will, der muss sich halt anstrengen, so lautet die Devise der Shop-Besitzerinnen. Generell funktioniert das Warehouse nach dem „Learning by doing“-Prinzip, besonders wenn es um vergangene und kommende Events geht: „An Halloween haben wir ein neues Ticket-System getestet, das wir aber auch wieder anpassen müssen. Künftig wird es wohl entweder zahlpflichtige Tickets geben, die man als Gutschein im Shop wieder einlösen kann, oder aber längere Einkaufszeiten.“

Start mit reduzierter Mannschaft

Einen Plan für die Zukunft besitzt auch Elvir Frljuckic. Vor knapp anderthalb Wochen startete der Manager sein neustes Projekt in Schifflingen. Der „Gentlemen Barbershop“ in der rue Drusenheim lockt mit insgesamt sechs Friseursesseln, vier Angestellten sowie 40-jähriger Erfahrung im Business. „Wir arbeiten ‚à l’ancienne‘, sprich nach traditioneller Manier, die zeitaufwendig ist und unseren Kunden ein wahres Erlebnis bietet“, sagt Frljuckic. Wer einmal den Salon betritt, der kommt auch wieder, dessen ist sich der Manager sicher. Die Eröffnung des Barbershops war bereits seit längerem geplant, denn seit drei Jahren ist Frljuckic Besitzer des Lokals. Aufgrund der Krise gab es allerdings so einiges an Änderungen, hauptsächlich beim Thema Personal. „Durch die aktuelle Situation ist es uns nicht möglich, mit vollständiger Mannschaft anzufangen. Die Mitarbeiter, die jetzt allerdings hier arbeiten, hatten ihren Vertrag bereits erhalten und auch das Startdatum stand fest.“

Man habe keinen Schritt nach hinten machen wollen, denn trotz Corona pokere das Team auf den Erfolg seiner Arbeitsmanier. „Jedes neue Lokal, jede neue Aktivität, jeder neue Standort benötigt seine Zeit, um einen ordentlichen Umsatz zu erwirtschaften. Dafür braucht man genügend Kapazitäten, um laufende Kosten von Anfang an tragen zu können. Wir glauben allerdings an unser Savoir-faire, und die ersten Tage haben uns dies auf positive Weise bestätigt“, so Frljuckic. 60 Prozent der Erstkundschaft stamme aus der Umgebung, die restlichen 40 kamen aus allen Ecken des Landes. Der Vorteil des 50 Quadratmeter großen Lokals: sein Standort direkt am zentral gelegenen Kreisverkehr mit Anbindung an die Straße nach Foetz sowie ins Schifflinger Zentrum. Ab Januar soll dann ebenfalls ein zweiter Salon seine Türen für Kundschaft öffnen, diesmal jedoch ausschließlich für ein weibliches Publikum. „Dort wird es acht Sessel geben, wir attackieren mit insgesamt fünf neuen Angestellten. Bei den Damen ist es möglich, etwas mit dem Personal zu jonglieren. Während die Farbe bei einer Kundin einwirkt, kann z.B. bei einer anderen bereits mit dem Brushing begonnen werden.“

Die Unvorhersehbarkeit der Krise

Doch trotz Zuversicht setzt ebenfalls der „Gentlemen Barbershop“ auf die Hilfen vom Staat, vor allem da ein hochwertiger Salon auch eine hochwertige Inneneinrichtung voraussetzt. „Das neue Gesetz dieses Jahres erlaubt es Betrieben, für Material und Ausstattung bis zu 30 Prozent der Ausgaben zurückzuerhalten, deswegen sind wir dabei, unser Dossier für den Antrag beim Staat zu finalisieren“, so Frljuckic. Denn auch wenn in Schifflingen keine Miete fällig wird: Ein Lokal kostet, das Bankdarlehen zahlt sich nicht von selbst und die Krise bleibt vor allem eines, nämlich unvorhersehbar, egal ob für Neueinsteiger oder Geschäftsleute mit Erfahrung.

Miette
11. November 2020 - 22.11

Ich wünsche den mutigen Gründern von ganzem Herzen viel Erfolg! Den Kopf über Wasser halten und niemals den Mut verlieren? Ich ziehe meinen Hut vor solchen Streitern??? Gutes Gelingen und bleiben sie bitte alle gesund❣❣❣

CESHA
11. November 2020 - 14.49

Wünsche allen gutes Gelingen und viel Erfolg!