La Dolce VitaWie lebt es sich im Belpaese?

La Dolce Vita / Wie lebt es sich im Belpaese?
Ein Mann mit einer Gesichtsmaske liest vor dem Kolosseum ein Buch Foto: dpa/XinHua/Elisa Lingria

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La Dolce Vita – mit diesen Worten wird häufig das Lebensgefühl in Italien beschrieben. Doch lässt sich das Leben südlich der Alpen wirklich ausschließlich mit diesen Worten des „süßen Lebens“ beschreiben? Einen Blick hinter die Kulissen warf unsere Korrespondentin Elke Bunge.

Der Duden beschreibt unter dem Schlagwort „Dolce Vita“: „Luxuriöses Leben, das aus Müßiggang und Vergnügungen besteht.“ Fragt man einen Italiener, so könnte dieser die Definition ohne Weiteres bestätigen. Doch nur die allerwenigsten können sich in Reichtum und Luxus sonnen, so einfach in den Tag hineinleben und vor lauter Langeweile den unsinnigsten Beschäftigungen nachgehen. Die meisten Italiener mühen sich im Alltag, die notwendigen Mittel zu erwirtschaften, um das Leben ihrer Familie und ihr eigenes zu unterhalten. Und dennoch ist ihr Lebensstil ein ganz eigener, geprägt von einer Leichtigkeit, um die viele Menschen aus den nordalpinen Ländern die Italiener – und nicht nur sie, sondern viele Südeuropäer – beneiden. Sicher mag das mediterrane Klima mit seinen sonnendurchfluteten Sommern und den meist milderen Wintern dazu beitragen. Vor allem ist es auch eine Mentalitätsfrage, die ein italienischer Freund einmal mit dem Unterschied zwischen Deutschen und Italienern beschrieb: Die Deutschen leben, um zu arbeiten – die Italiener arbeiten, um zu leben.

Dabei arbeiten Italiener nicht weniger als Deutsche oder Luxemburger. Die Millionen Beschäftigten in Industrie, Handwerk und Landwirtschaft sehen sich tagtäglich genau einem solchen Arbeitspensum gegenüber wie ihre Kollegen nördlich der Landesgrenzen. Den Unterschied macht vielleicht die Herangehensweise an die tägliche Arbeitsaufgabe. Es ist etwas anderes, wenn man zu Hause nach dem Erwachen mit eher weniger Ruhe einen Kaffee trinkt und hastig ein erstes Frühstück zu sich nimmt, als wenn man mit Kollegen, Nachbarn oder Freunden vor Arbeitsbeginn in der Lieblingsbar einen Cappuccino oder Espresso mit einem süßen Hörnchen genießt, die jüngsten Neuigkeiten austauscht und so gut informiert und gelaunt zur Arbeit schreitet. Wer fröhlich ist, arbeitet besser und erfüllt seine Aufgaben schneller und präziser als ein müder, unzufriedener Mensch – eine Volksweisheit, von zahllosen psychologischen Studien bestätigt.

Wettermeldungen aus diesen Tagen berichten von rekordverdächtigen Temperaturen. Nicht nur im Süden des Belpaese, auf Sizilien, in Kalabrien, auch in den zentralen und eher nördlichen Regionen werden Temperaturen über 40 Grad Celsius gemessen. Unmöglich, bei solchen klimatischen Verhältnissen um die Mittagsstunde, wenn die Sonne im Zenit steht, zu arbeiten. Die Siesta, die Mittagspause zwischen 12 und 15 Uhr, ist nahezu heilig.

Handwerker, die in unserem Hause tätig waren, begingen sie recht kulturvoll: Die Werkbank wurde mittels weißem Tischtuch zur Tafel erhoben, die mitgebrachten Speisen sahen allesamt sehr appetitlich aus, der heimische Rotwein durfte nicht fehlen. Nach dem Essen gab es eine Mittagsruhe im Schatten einer großen Pinie, bevor pünktlich um drei Uhr nachmittags die Hämmer wieder klopften. Nun setzten sie die Arbeiten wenigstens bis 19 Uhr fort.

Geselligkeit wird großgeschrieben

Danach kann man oft beobachten, dass auf dem Heimweg nochmals die Bar aufgesucht wird: Schließlich konnte am Tage viel passiert sein und es gab Anlass, sich über Neuigkeiten auszutauschen. Dazu nimmt man vor dem Abendessen noch einen Aperitif, um den Feierabend anklingen zu lassen.

Unverzichtbar für das italienische Lebensgefühl ist die Gemeinschaft. Geselligkeit, das Zusammensein mit der Familie, mit Freunden oder auch mit Nachbarn ist ein wesentlicher Ausdruck des italienischen Lebensgefühls. Reichhaltige Abendessen – mit Antipasti, Nudel-, Fleisch- oder Fischgerichten – werden nicht nur an Wochenenden zelebriert. Sie können auch „unter der Woche“ stattfinden. Dabei kommt es eben nicht auf eine rasche Nahrungsaufnahme zur Sättigung des Körpers, sondern auf das Beieinandersein zur „Sättigung der Seele“ an. Auch das Abendessen im Kreise von Freunden ist dem Nachrichtenaustausch gewidmet, wichtige Familienentscheidungen werden beim Diner besprochen und getroffen.

In vielen Beschreibungen, wie Urlauber das „Dolce Vita“ genießen sollen, heißt es so oder so ähnlich: „…lassen Sie den Abend bei einem gemütlichen Glas Wein ausklingen.“ Doch kennt die italienische Sprache weder die Vokabel „gemütlich“, noch trinken Italiener nach den Mahlzeiten noch ein Glas Wein. Allenfalls wird nach dem Abendmahl noch ein Digestif zum Caffè (Espresso) gereicht. Denn zum italienischen Lebensgefühl gehört unbedingt auch das „fare una bella figura“ (einen guten Eindruck machen) hinzu.

Betrachtet man all dies, so mag es nicht verwundern, dass sich die im Ausland lebenden Italiener nach Möglichkeiten sehnen, ihre Sicht der Dolce Vita leben zu wollen. Dazu gehört, auch im Ausland heimische Produkte kaufen zu können – und wenn diese nicht in Geschäften zu finden sind, über Online-Dienste zu bestellen. Damit es auch in der Fremde schmeckt wie bei „la mamma“.