LNS-ForscherWie lange eine Immunität nach einer Coronainfektion vorhält, ist ungewiss

LNS-Forscher / Wie lange eine Immunität nach einer Coronainfektion vorhält, ist ungewiss
Dr. Trung Nguyen leitet die Abteilung für Virologie und Serologie am Luxemburger „Laboratoire national de santé“ (LNS) in Düdelingen Foto: Editpress/Julien Garroy

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Nach einer überstandenen Corona-Infektion sind Menschen mit einer gesunden Immunreaktion für einige Zeit vor dem Virus geschützt. Wie lange dieser Schutz vorhält, weiß man noch nicht, sagt Dr. Trung Nguyen, Leiter der Abteilung Virologie und Serologie am Luxemburger „Laboratoire national de santé“ (LNS), im Gespräch mit dem Tageblatt.

Nach den langen Tagen, die die Menschen wegen der Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus drinnen verbracht haben, fällt vielen nun die Decke auf den Kopf. Auch die Wirtschaft ächzt. Der Schaden ist bereits so hoch, dass einige glauben, die Gefahr durch den wirtschaftlichen Abschwung sei schwerwiegender als die Folgen einer frühzeitigen Lockerung der Schutzmaßnahmen. Für andere, wie etwa die Chefin des Instituts für sozioökonomische Forschung Liser, Aline Muller, hat noch immer Priorität, dass das Gesundheitswesen nicht zusammenbricht. Die Folgen eines Nicht-Lockdowns könnten viel schlimmer sein als die eines Lockdowns, sagt sie.

Wichtigster Berater für die Politik (und die Bürger) sind derzeit die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die das Virus unermüdlich studieren, seine Ausbreitung beobachten und an einem Impfstoff arbeiten. Einer der vielen Aspekte der Pandemie, auf die Politiker und Wissenschaftler gleichermaßen im Moment mit großem Interesse blicken, ist die Immunität, die Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus entwickeln. In Großbritannien etwa hofft man darauf, dass medizinisches Personal und Pflegekräfte, die sich angesteckt haben, nach erwiesener Immunität wieder arbeiten können.

Nach einer Erkrankung mit einem Virus baut das Immunsystem des Körpers typischerweise eine Abwehrfunktion auf. Es bildet Antikörper, die den Menschen vor einer möglichen Neuansteckung rüsten. Auch bei Corona scheint dies der Fall zu sein.

Dr. Trung Nguyen ist Leiter der Abteilung Virologie und Serologie am Luxemburger „Laboratoire national de santé“ (LNS) in Düdelingen. Im Moment gibt es um Corona ständig Neuigkeiten, die den Wissenschaftler beschäftigen. Zuletzt kamen aus China zwei Meldungen, die er ermutigend findet, berichtet er im Gespräch mit dem Tageblatt. Zum einen haben Mediziner in China festgestellt, dass sich Menschen mit einer schnellen Immunreaktion rascher von einer Covid-19-Infektion erholen als andere. Zum anderen haben Forscher dort gute Ergebnisse mit der Plasmatherapie erzielt. Dabei wird Plasma, in dem die Antikörper enthalten sind, von geheilten Patienten auf Kranke übertragen. Wissenschaftler in anderen Ländern, darunter Frankreich und Luxemburg, forschen auch an dieser Methode. Zwei Nachrichten, bei denen das Immunsystem eine wichtige Rolle spielt.

Wie lange eine Immunität vorhält, ist noch nicht klar, erklärt Dr. Nguyen. Es kann sich um Wochen, Monate oder Jahre handeln. Die Epidemie ist schlicht noch zu rezent, um solche Aussagen zu treffen. Aufschluss darüber können nur langfristige Beobachtungen liefern. „Bislang wissen wir, dass die Immunität ein bis zwei Monate vorhält“, sagt Nguyen. Zudem sei derzeit auch unklar, wie zuverlässig der Immunschutz durch die Antikörper wirkt. Von anderen Viren aus der Familie der Coronaviren auf das aktuelle Virus zu schließen, sei schwierig, sagt Nguyen. Selbst diese könnten sich in der Hinsicht stark unterscheiden.

Medikamente können Immunsystem hemmen

Ein anderer Faktor ist die Mutationsrate des Virus. Wenn es sich so weit verändert hat, dass die Antikörper es nicht mehr erkennen, dann bieten sie auch keinen Schutz mehr. Aus diesem Grund braucht es für die Grippe zum Beispiel in jedem Jahr einen neuen Impfstoff.

Vor Kurzem hatten die koreanischen „Centers for Disease Control and Prevention“ berichtet, dass bei 51 Patienten, die an Convid-19 erkrankt waren und als geheilt galten, die Krankheit neu ausgebrochen war. Ob sie sich neu infiziert hatten oder noch nicht richtig geheilt waren, ist noch ungewiss. In Korea gilt ein Patient als geheilt, wenn er zweimal im Abstand von mehr als einem Tag negativ auf das Virus getestet wurde.

„Es kann sein, dass es sich bei diesen Patienten um Menschen mit einer Beeinträchtigung des Immunsystems handelt“, mutmaßt Dr. Nguyen. Ebenfalls möglich sei, dass Medikamente, die zur Behandlung benutzt worden sind, das Immunsystem beeinträchtigt haben. „Man weiß zum Beispiel, dass Plaquenil das Immunsystem hemmt.“ Dabei handelt es sich um ein Medikament, das zur Vorbeugung von Malaria dient. Es enthält den Wirkstoff Hydroxychloroquin. Solche Medikamente werden derzeit vielerorts im Kampf gegen Corona getestet. Auch in Luxemburg. „Wir haben mit dem ‚Centre hospitalier du Nord‘ zusammen Versuche gemacht und festgestellt, dass Patienten, die mit Hydroxychloroquin behandelt worden sind, keine Antikörper bildeten“, sagt Nguyen. Er unterstreicht, dass es sich dabei nicht um belastbare Daten handelt: „Die Ergebnisse müssen erst genauer untersucht werden.“

Seit dem Anfang der Corona-Pandemie verfolgen viele Menschen gebannt die Zahlen der Infizierten, der Toten und der Genesenen. Diese lassen sich allerdings nur zu einem Bruchteil interpretieren, solange man nicht weiß, wie viele Menschen infiziert sind oder waren. Bekannt ist, dass nicht jeder Erkrankte Symptome zeigt. Deshalb ist auch nicht bekannt, wie viele Prozent der Erkrankten tatsächlich im Krankenhaus landen.

Aufwendige Studie

Luxemburg will diesbezüglich mit einer groß angelegten Studie Licht ins Dunkel bringen. Bei der Studie „Con-Vince“ (Wissenschaftler lieben solche Wortspiele) sollen 1.500 Menschen getestet und über Wochen immer wieder untersucht werden. Darunter sowohl Patienten, die eine schwere Covid-19-Erkrankung überstanden haben, als auch solche, die keine oder nur schwache Symptome haben.

„1.500 Personen, das ist schon eine hohe Zahl“, sagt Dr. Nguyen. Bereits mit einer kleineren Stichprobe von 100 Leuten ließen sich gewisse Rückschlüsse ziehen – aber je größer die Stichprobe, desto aussagekräftiger die Ergebnisse. „Wir müssen die Leute regelmäßig zurückrufen, um sie zu untersuchen, das ist sehr kompliziert.“ Zudem sei die Untersuchung sehr personalintensiv. Ein Ziel der Studie ist unter anderem, zu beobachten, ob die Zahl der Antikörper im Blut der Testpersonen konstant bleibt oder abnimmt. Die Untersuchung ist noch nicht angelaufen. Die Tests, die dazu benutzt werden, sind noch nicht validiert. Theoretisch könne man aber bereits Blut einsammeln und die Proben später untersuchen.

Daneben habe die Luxemburger Regierung 10.000 Antikörper-Schnelltests bestellt, die bereits validiert sind, erzählt der Wissenschaftler. Mit diesen Tests kann festgestellt werden, ob Antikörper im Blut vorhanden sind – jedoch nicht, wie viele es sind. Damit eignen sie sich zwar dafür, festzustellen, ob jemand infiziert war und nun einen Schutzschirm aufgebaut hat, doch für eine genaue wissenschaftliche Studie reichen sie nicht aus.

Wie diese Tests angewandt werden, sei die Entscheidung des Ministeriums, sagt Nguyen. Großbritannien hatte angekündigt, Schnelltests in Drogerien und über das Online-Kaufhaus Amazon zu verteilen.