Anti-RassismusWie die alten Ägypter es machten: Immer mehr Monumente geraten ins Visier der Proteste 

Anti-Rassismus / Wie die alten Ägypter es machten: Immer mehr Monumente geraten ins Visier der Proteste 
 Demonstranten versenken im Hafen von Bristol bei einem Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

In den USA, in England und auch in Belgien: Die Wut der Anti-Rassismus-Proteste richtet sich vielerorts gegen Monumente mit rassistischem Hintergrund – sei es der Sklavenhändler, der Horrormonarch oder der Konföderierten-Obelisk. 

Alles begann mit dem Tipp einer Archäologin. Die auf Ägyptologie spezialisierte Amerikanerin Sarah Parcak von der University of Alabama in Birmingham twitterte am vorvergangenen Sonntag eine kleine Anleitung, wie sich ein Obelisk stürzen lässt.

Praktische Tipps einer Expertin waren das, direkt aus der Bronzezeit in die Wochen der Anti-Rassismus-Proteste des Jahres 2020 hinein: Für alle drei Meter Monument sollten jeweils 40 Willige bereitstehen, an Ketten und Seile in ausreichender Länge denken, von beiden Seiten abwechselnd ziehen und – ganz wichtig – Handschuhe nicht vergessen; so etwas eben. Dazu gab es die kleine Skizze eines Obelisken, der als „rassistisches Monument“ gekennzeichnet war. Und den nicht ganz unschuldigen Hinweis, ein solcher stehe doch gar nicht weit entfernt, nämlich in Birmingham selber.

Dann ging alles ziemlich schnell, wie Artnet.com schreibt. Noch am selben Abend schien die Menge, die gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstrierte, den Schnellkurs in Ägyptologie verinnerlicht zu haben. Um das Konföderierten-Denkmal „Confederate Soldiers and Sailors Monument“ im Park der Stadt lagen rasch Ketten. Alles lief auf den Umsturz hinaus, bis sich der Bürgermeister der Stadt, Randall Woodfin, mit Megafon in der Hand Gehör verschaffte – und den Protestierenden versprach, den Obelisken selber abbauen zu lassen. Was am frühen Dienstagmorgen vergangener Woche dann auch erledigt war, nachdem Arbeiter das fünf Stockwerke hohe Monument fachgerecht zerlegt und abtransportiert hatten.

Es dauerte nicht lange, bis der Generalbundesanwalt die Stadt mit einer Klage bedrohte. Doch Bürgermeister Woodfin ließ die Drohung kalt. Gegenüber der lokalen Onlinezeitung aus Alabama al.com sagte Woodfin, „es war unabdingbar, diese Statue zu entfernen, um weitere Unruhen zu vermeiden“. Komme jetzt eine Strafzahlung auf die Stadt zu, wäre ihm das egal. „Wir werden jede Strafe akzeptieren – denn sie wird nie so schlimm ausfallen wie weitere Unruhen in unserer Stadt.“

Wir hatten hier eine Statue von jemandem, der Geld damit verdiente, andere ins Meer zu werfen – jetzt liegt er selber am Meeresboden

Marvin Rees, Bristols Bürgermeister

Ähnliche Worte gab es am Sonntag im englischen Bristol zu hören, nachdem auch dort Proteste gegen Rassismus eine Statue zu Fall gebracht hatten. Hier wurde der alte Sklavenhändler Edward Colston – etwas weniger fachgerecht, aber umso nachhaltiger – erst vom Sockel gezogen, dann mit roter Farbe besprüht, mit Füßen getreten, zum Kai gerollt und dort in das Hafenbecken gestoßen. Alles begleitet von großem Jubel der Umstehenden.

Polizeichef Andy Bennett sagte anschließend in die Fernsehkameras der BBC, die Protestierende zu verhaften, sei aus polizeitaktischer Sicht sinnlos gewesen, da es nur zu noch größeren Tumulten geführt hätte. Um anzufügen, man wisse ja, dass „diese historische Figur für die schwarze Gemeinschaft der Stadt eine große Last bedeutet hat“. Bristols Bürgermeister, Marvin Rees, sagte, es sei wichtig, „jenen zuzuhören, die in dieser Statue einen Affront gegen die Menschheit sahen“. Jetzt sei es an Bristol und seinen Einwohnern, den Kampf gegen Rassismus und Ungleichheit dauerhaft zu führen. „Wir hatten hier eine Statue von jemandem, der Geld damit verdiente, andere ins Meer zu werfen, jetzt liegt er selber am Meeresboden“, sagte Bürgermeister Rees noch zum Sender Channel 4.

Um Griffen in die Trickkiste der Ägyptologie vorzubeugen, wurde jetzt in Antwerpen eine Statue von König Leopold II. präventiv vom Sockel geholt. Der Monarch wird wegen seiner Schreckensherrschaft über den Kongo mit Millionen Toten als brutalster Kolonialherr Afrikas bezeichnet – gilt aber ebenfalls als „Erbauer“ des modernen Belgiens (was, wohlgemerkt, nur durch den Raubbau an Mensch und Natur im Kongo gelingen konnte).

Die Statue Leopold II. in Brüssel nach den Protesten
Die Statue Leopold II. in Brüssel nach den Protesten Foto: AFP/Kenzo Tribouillard

Teile der „Black Lives Matter“-Proteste in Belgien hatten da bereits eine Antwerpener Leopold-II.-Statue in Brand gesetzt und weitere, unter anderem in Hal, Hasselt, Ostende, Tervueren und Gent, mit roter Farbe besprüht, die, wie im Fall Colston, das Blut der Sklaven symbolisieren sollte. Hinzu kommen in Belgien mehrere Petitionen, die ein Ende der Leopold-II.-Statuen fordern und zum Teil bereits mehr als 50.000 Unterschriften sammeln konnten.

Das „Problem“ beim Abbauen dieser Monumente dürfte sein, späterhin Argumente darzulegen, wieso sie bei all dem, für was sie stehen, irgendwann wieder zurück an ihren alten Platz sollten. Denn für was all die Leopolds, Colstons oder Konföderierten-Obelisken stehen, wissen die meisten Menschen jetzt besser als vorher. Das hat Archäologin Sarah Parcak aus der Geschichte gelernt, und das sieht auch Michael Walker so, der für die linke Organisation für alternative Medien Novara Media arbeitet. Walker schrieb auf Twitter, die Statue Colstons niederzureißen, habe die Menschen mehr über britische Geschichte gelehrt, als sie es die ganzen Jahre tat, in denen sie da stand. Da dürfte etwas dran sein.

Christophe Cherel
9. Juni 2020 - 13.02

alles ofraissen! keng monumenter fir Krichsverbriecher, Sklavendreiwer an aner dubios Gestalten.

Realist
9. Juni 2020 - 7.41

Gewalt gegen Sachen ist also im Grunde okay? Diese Einstellung fliegt dem grünrot wählenden Bionade-Wohlstandsbürger spätestens dann um die Ohren, wenn es sein eigener SUV ist, der "aus politischen Gründen" abgefackelt wird.