Westernhagen goes Nashville? Keine gute Idee

Westernhagen goes Nashville? Keine gute Idee

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Westernhagen hat am Dienstag in der Rockhal aufgespielt – oder zumindest eine amerikanische Version von ihm.

Ein großes Publikum mit recht hohem Durchschnittsalter ist am Dienstag in die Rockhal nach Esch/Alzette gekommen, um mit Westernhagen zu feiern. Der 68 Jahre alte Musiker gilt als besonders versatiler Künstler, der zum Beispiel ab den 90er-Jahren den Namen Müller fallen ließ, um zu Armani Marius zu mutieren. Bekannt wurde er 1978 durch sein Album „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“. Neben seiner musikalischen Karriere glänzte der gebürtige Düsseldorfer auch in etlichen Kinofilmen unter denen besonders „Theo gegen den Rest der Welt“ hervorsticht. So heimste Westernhagen auch als Schauspieler Preise und echte Anerkennung ein. Aber es war seine Rolle als Musiker, mit der es ihm ständig gelang, Kritik und Publikum zu begeistern.

Der Künstler hat über die Jahre das Image eines „Sprüche klopfenden, witzigen Kerlchens“ aufgebaut, dem jedoch keine Themen tabu sind. Provokante Texte, quirlig-kecke und rotzfreche Auftritte wurden so zu seinem Markenzeichen. In der Tat wurde sein Song „Dicke“ von den Radiosendern zensiert, da keiner die gewollt schockierenden Lyrics als einen sozialkritischen Beitrag wahrnahm. Umso überraschender klingen in der Rockhal die Folk-Noten beim kurzen Intro-Song „Geiler is schon“ an. Mit bedächtigem Rhythmus folgt darauf ein „Hass mich oder lieb mich“, ehe Westernhagen eine überzeugend-bluesige Version von „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ anstimmt.

Romantik-rockig unplugged

Unplugged heißt diese Tournee, die Westernhagen deshalb gewollt romantisch-rockig oder volksnah-poppig halten möchte. Dazu stehen neben sechs erfahrenen Begleitmusikern noch vier exzellente Chorsänger auf der Bühne. Diese beweisen allesamt eine technisch achtbare Qualität, die jedoch gemessen am Eifer des Publikums wenig mitreißend wirkt. Obschon die Songs akustisch einwandfrei vorgetragen werden, fehlt ihnen die endgültige Energie. Es sülzen Keyboard-Noten, es schweben melancholische Geigeneinlagen, die allesamt triefend zusammenfinden, sodass nur ein oberflächiges Ambiente entsteht. Bis zum siebten Song fehlt es echt an Rock-Feeling! Und dann bringt Westernhagen mit seiner Mundharmonika den Song „Nur ein Traum“ mit rockigen Blues-Ansätzen zum Schwingen. Des Künstlers Stimme zeigt sich wieder beißend, da sie rhythmisch durch die Noten faucht.

Daneben beleidigt er das Publikum ungewollt bei einer seiner recht knappen Ansprachen. Nachdem er angibt, dass alle wohl nur Französisch verstehen hakt er nach, indem er fragt, ob überhaupt Luxemburger in der Halle sind… Teilweise kauft der Meister sich die Gunst des Publikums zurück, indem er berechtigter Weise erklärt, dass er selten eine Soundeinstellung dieser Klasse erlebt hat. Danach gelingt es den Musikern, den anfänglich als träge Kost interpretierten Titel „Weil ich dich liebe“ durch ein orchestriertes Crescendo mit etwas Pfeffer zu würzen. Eine gut passende Slide-Gitarre haucht danach dem „Alphatier“ einen passend dominanten Charakter ein. Die Show steht nun endlich auf einem rockigeren Grundsatz.

„Mainstream Unplugged“

Doch obschon der Meister selbst von positiver Energie spricht, würde etwas mehr Pep dem Spektakel gut tun. Beim Song „Liebe“ steigert sich der Gesang zur Höchstform, mit überzeugendem Kreischen haucht des Meisters Stimme den Lyrics ein großartiges Feeling ein. Westernhagen gibt hier alles und lässt so sein ganzes Können aufblitzen. Mit einer folkartigen elektrischen Geige klingt „Liebeswahn“ wiederum romantischer an, ehe der Song hoffnungslos niedlich dahinplätschert. Ein irisches Flötenspiel errichtet im Song „Willenlos“ ein keltisches Grundgerüst, welches dank den dominanten Folk-Akzenten eine überzeugende Stimmung überträgt.

Tatsächlich sind die allesamt bekannten Melodien gut geschrieben und begeistern normalerweise ganz von selbst. Doch das ehemals kecke Kerlchen zeigt in Luxemburg eine reife Show, die ihre rockigen Wurzeln zu stark vernachlässigt. Das Ganze wirkt sehr wohl adrett und besitzt auch musikalisch ein hohes Niveau. Der Meister hat jedoch leider ein statisches Konzert auf die sitzenden Beine gestellt, die jeden knackig-frechen Unterton verhindert.

Als die Band vom Pianisten unter warmem Applaus auf originelle Weise vorgestellt wird, fällt auf, dass viele Musiker aus den USA stammen. Vielleicht ist es diesem Umstand zu verdanken dass der Auftritt zu stark von einer amerikanischen kommerziellen Musik angehaucht ist. Irgendwo zwischen New York und Nashville hat der Westfale seinen Pass verloren. Diese Big Band mit rockigem Look liefert tatsächlich quer durch den Abend eher ein bissloses „Mainstream Unplugged“ ab.

Zu viele amerikanische Notenköche

Die deutsche Trotzseele hat sich leider versteckt! Der „Taxi Mann“ klingt wieder südstaaten-artig. Und Westernhagen setzt noch einmal nach Tennessee über. Zu viele amerikanische Notenköche verderben tatsächlich den musikalischen Brei. Auch der Song „Sexy“ verliert seinen frechen Charme und artet zum Händeklatschend-Produkt aus. Nach 20 Songs ist es Zeit für die erste Pause ehe „Heroes“ als Hommage an den großen David Bowie ertönt. Dank der elektrischen Geige verwandelt sich der Song jedoch in ein geschmackloses Gehabe mit deutschen Lyrics an Stelle des englischen Originaltextes. Aus Heroes werden traurige Helden, die den dahinplätschernden Song ohne jegliche Überzeugung über die Distanz retten.

Vielleicht wollte Westernhagen sich einen zwei Stunden langen Traum erfüllen, indem er mit Top-Musikern seine Songs in eine amerikanische Garderobe hüllt? Ach, zwei Herzen schlagen in meiner Brust, doch wo bleibt das Originalherz?

Christian Schaack

Jeannosch
19. Oktober 2017 - 13.29

An wien ass dat dann? En Sänger aus der Provenz.

Marc H.
19. Oktober 2017 - 12.52

Mettig, kann och net mat Hr Schaack d'accord sinn a schléissen deenen aneren Commentairen unn. Mech huet kee beleidegt. Super Concert.. Super Band, Westerhagen jovial a frendlech. Et war unplugged ugesot and dann klént et noutgedrogen anescht. Och dem Clapton säin Layla ass unplugged komplett anescht wéi elektrisch an och net méi sou rockeg. Mir huet z.B. den Bluesfeeling a verschidden Lieder ganz gutt gefall

Jerry H.
19. Oktober 2017 - 11.29

Deed mer leed Här Schaack, awer ech muss deenen Meeschten hei recht gin,...et war een Top-Concert! Ee gudgelaunten Sänger/Entertainer, eng absolut professionnell Band, Hingerhautmomenter an eng Play-list déi näischt opstoë gelooss huët. Mat ärer wéineg schmeichelhafter Kritik heimst der Iëch lo selwer Kritik an...!!

tomix
19. Oktober 2017 - 8.04

Pass verluer? Hallo? Ech hat en heiren däitsch sangen.

Chantal S.
18. Oktober 2017 - 20.08

Komplett mat Iech averstaanen Här Jos C. Ech hun de Concert vun Ufank bis zum Enn genoss an vill Erennerungen sinn opkomm well ech den Här Westernhagen schon zenter mei wei 30 Joer lauschteren. Fir mech wär de Concert einfach nemmen genial. An och keng Beleidigungen raushéieren. Wär schon op villen Concert'en an der Rockhal an bal all Musiker mengt mir géifen nemmen franzéisch schwetzen. So what :-) ass fir mech keen Problem.

Jos C.
18. Oktober 2017 - 16.37

Här Schaack, grammatesch gesinn as dat een Top-Artikel. Leider kent mier beim Liesen d'Gefill dat ier wuel op engem aneren Concert wi ech (an di meescht Leit di gester Owend do waren) wart an dat der eigentlech léiwer wolt virum Fernseh setzen an Fussball kucken ? Et war ee mega-geilen Concert, vun Ufank bis Schluss, super Stemmung, gutt Musik(er), een ganz gudd gelaunten Marius, immens intim an emotionell Arrangementer, jeh, alles wat um "Unplugged" - Modus bekannt a beléift as ("Originalherz"???) Dier schreiwt den Marius hätt gemengt mir géifen souwisou nemmen franséisch schwetzen, hat der net richteg nogelauschtert? Hien huet sech nämlech gewonnert dat suvill Leit hien hei kennen an dorop hin huet e gefrot ob Letzebuerger am Sall sin ? Beleidegend war dat awer net, deet mer leed. Ironie ? Dovunner schéngt der nach net vill héieren ze hun. Wat d'Soundastellung ugeet huet en sech luewend iwert d'Akustik vun der Rockhal geäussert - di um Meschpult gett vu sengen EEGENEN TECHNIKER gemat, di brauch en awer net ze luewen wann e sech well fir d'"Beleidegung" (di keng war) zreckhuelen. "Bisslos" ? Nee, op kee Fall, ech si bestemmt keen Westernhagen-Fanboy mee dat loossen ech net zielen. An dat d'Lidder anecht klengen wi am normalen "Gewand" as jo zimlech normal mengt der net ? Et as een Unplugged-concert, do as gewenscht dat d'Lidder anecht klengt. Wan en se lo 1-1 zum Original gespillt hätt, jhust eben akustesch, wat hätt der dann geschriwen ? Dat doen as eng onberechtegt an onfair Kritik vun engem vun deene beste Concerts di ech bis elo besicht hun, an dat sin der net wéineg. D'"Originalherz" vun deem der schreiwt, huet wahrscheinlech ausser Iech keen vermesst.