Familie in Petingen„Wenn wir auf der Straße sitzen, nehmen sie uns die Kinder weg“

Familie in Petingen / „Wenn wir auf der Straße sitzen, nehmen sie uns die Kinder weg“
Familie Alshimmry entschied sich dazu, nur den Vater Qasim mit dem jüngsten Sohn für eine Publikation im Tageblatt abzulichten  Foto: Editpress/Eric Rings

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Vor acht Jahren kam Familie Alshimmry mit zwei kleinen Töchtern aus dem Irak nach Luxemburg. In ihrem Heimatland wurden sie politisch verfolgt und waren dem Tod nur knapp entronnen. Seit 2015 leben sie in einem Einfamilienhaus in Petingen, das sie nun nach einem Gerichtsbeschluss verlassen müssen. Inzwischen haben die Eltern vier Kinder und befürchten nun, diese in Erziehungseinrichtungen abgeben zu müssen, wenn sie demnächst keine neue Bleibe finden. Der aktuelle Wohnungsmarkt verschärft die Situation. Doch die Kinderrechte könnten der Familie eventuell in die Hände spielen.

In Petingen wohnt die sechsköpfige Familie Alshimmry in einem schmalen Einfamilienhaus, das zu einer Seite freisteht. An einem kalten, aber sonnigen Aprilmorgen empfängt die Familie das Tageblatt zu einem Gespräch in ihrem Wohnzimmer. Die Eltern sind verzweifelt. Der nächste Gerichtstermin steht an. Sie befürchten, dass sie nach dem Urteil Mitte Mai kein Haus mehr haben werden. Seit 2017 suchen sie nach einer neuen Wohnung. Vergeblich. Das Sozialamt in Petingen hat ihnen die Möglichkeit eröffnet, anschließend noch einige Wochen in einem Hotel unterzukommen. Danach würde die Familie allerdings auf der Straße landen. Die Kinder müssten dann in Heimen untergebracht werden.

Vor acht Jahren sind sie aus dem Irak geflüchtet. Seit 2015 haben sie den BPI-Status („bénéficiaires de protection internationale“) in Luxemburg. Sie genießen demnach internationalen Schutz hierzulande und dürfen unter diesem Status nicht mehr in ihr Heimatland einreisen. Zwei Töchter sind im Irak geboren. Die älteste besucht eine 6e im „Lycée classique“. Zwei Söhne, die heute fünf und sieben Jahre alt sind, kamen in Luxemburg auf die Welt. Qasim, der Vater, war damals Fotojournalist. Die Familie wurde politisch verfolgt und sah sich nach einem Attentat gezwungen, das Land zu verlassen.

Wir stehen jetzt wieder bei null

Frau Alshimmry, Mutter von vier Kindern

„Wir stehen jetzt wieder bei null“, sagt die Mutter. Im Irak habe man wenigstens ein Haus gehabt. „Doch die Milizen ließen uns keine Ruhe“, sagt sie. Nachdem die Familie den BPI-Status in Luxemburg zugesichert bekam, vermittelte ihnen die AIS („Agence immobiliaire sociale“), die zur Stiftung „Fondation pour l’accès au logement“ gehört, ein Haus in Petingen. Die Verträge mit der AIS laufen in der Regel über drei Jahre und sind an Bedingungen geknüpft. Diese fallen stets individuell aus und müssen von den Bewohnern erfüllt werden. Je nach Herkunftsland und Familiensituation müssen die Bewohner Landessprachen lernen, Geld für die Garantie einer späteren Wohnung zurücklegen, eventuell Fortbildungen machen oder sich aktiv bei der Suche einer Wohnung einbringen.

Gilles Hempel, Direktor von der AIS, erklärt auf Tageblatt-Nachfrage, dass die Vermietung von AIS-Wohnungen auch nach den drei Regeljahren weiterlaufen könne. Allerdings nur, wenn sich die Bewohner an die von der AIS gestellten Bedingungen halten. Dadurch wolle man erreichen, dass die Familie ihre Situation verbessern und dadurch autonomer werden kann. „Im Normalfall ist es so, dass, solange die Leute gut mitarbeiten und wir sehen, dass auch der Wille da ist und eine Entwicklung im Projekt stattfindet, unsere Kommission die Vermietung immer wieder verlängern wird.“ Nachdem die regulären drei Jahre im Oktober 2018 abgelaufen waren, entschied sich die Kommission, der Familie Alshimmry ein weiteres Jahr zu verlängern. Ende 2019 kam die Ernüchterung. Die Kommission traf die Entscheidung, den Vertrag mit der irakischen Familie nicht mehr zu verlängern.

Richter wird lediglich nach der Frist urteilen

Das ist eine Entscheidung, die die Kommission auf Basis einer „enquête sociale“ getroffen hat. Den Grund will uns Hempel nicht nennen. Er beruft sich auf das Berufsgeheimnis der Sozialarbeiter. Nur so viel könne er sagen: Die Familie habe sich nicht an die geforderten Bedingungen gehalten. Familie Alshimmry ist sich auch nach erneuter Nachfrage vom Tageblatt sicher, dass sie stets alle Bedingungen, die die AIS gestellt hat, erfüllt hat. „Wir haben auch Beweise“, sagt die Mutter. Ein knappes Jahr später, im September 2020, wurde das Dossier nochmals an die AIS-Kommission zur Überprüfung geschickt. Die AIS stellte fest, dass sich nichts an der Situation der Familie verbessert habe, so Hempel. Danach hat die Agentur das Dossier an einen Anwalt übergeben. Der Verwaltungsrat der AIS habe beschlossen, die Räumung, die seit dem 1. April wieder durchgeführt werden darf und bei der Bewohner auf die Straße gesetzt werden dürfen, vorerst weiter auszusetzen, sagt Hempel. 

Wenn die Leute aber dann raus müssen, werden nicht mehr das Projekt und dessen Bedingungen betrachtet, sondern nur auf die Gesetzgebung des Mietvertrags geschaut. Und hier ist es nur die Ablauffrist, die zählt.

Jean-Michel Campanella, Präsident Mieterschutz-Verein

Vor Gericht werden die Beweise der Familie vermutlich nicht viel nützen. Jean-Michel Campanella, Präsident vom Mieterschutz-Verein, sagt auf Tageblatt-Nachfrage, dass der Richter nur das Stichdatum im Vertrag in Betracht ziehen werde. Er wird sehen, dass der Vertrag sowie die einjährige Verlängerung abgelaufen sind. Angesichts dessen werde er sein Urteil fällen. Zwar habe die Familie – wie es die AIS verlangt – sich darum bemüht, eine neue Wohnung zu finden, doch würden dies sowie die anderen Bedingungen vor Gericht nicht berücksichtigt werden. Campanella erklärt es so: AIS-Kunden haben keinen normalen Mietvertrag, sondern eine „mise à disposition“. Mit letzterer geht ein Projekt einher, das die Bewohner erfüllen müssen. „Wenn die Leute aber dann raus müssen, dann werden nicht mehr das Projekt und dessen Bedingungen betrachtet, sondern nur auf die Gesetzgebung des Mietvertrags geschaut. Und hier ist es nur die Ablauffrist, die zählt.“ Campanella spricht von einer Grauzone.

In diesem Fall behauptet die AIS, dass die Familie die von der Agentur geforderten Bedingungen nicht erfüllt habe. Die Familie behauptet das Gegenteil. Und das Gericht wird all dies nicht interessieren. Durch den Vorwurf, die Familie habe diese und jene Bedingung nicht erfüllt, kann die AIS an den Vertrag eine Frist anbinden, die sie dann vor Gericht einfordern kann. „Das ist subjektiv“, sagt Campanella. Es sind Sozialarbeiter, die solche Familien begleiten. Da baue sich eine Beziehung auf, es passierten Dinge, die am Ende bewertet würden. Der Sozialarbeiter muss angeben, wie er die Situation einschätzt, ob die Familie Fortschritte gemacht hat, ob sie gut mitgemacht hat, ob sie aktiv nach Wohnungen geschaut hat. Campanella stellt die Frage, was denn nun eine aktive Wohnungssuche sei. Drei Wohnungen im Monat besichtigen oder fünfzehn oder hundert? Wer wisse das schon?

Wieso müssen die Leute beweisen, dass sie etwas suchen, wenn man eigentlich genau weiß, dass sie kaum eine Chance haben, etwas zu finden?

Jean-Michel Campanella, Präsident Mieterschutz-Verein

„Wieso müssen die Leute beweisen, dass sie etwas suchen, wenn man eigentlich genau weiß, dass sie kaum eine Chance haben, etwas zu finden?“, fragt sich der Präsident des Mieterschutzes. Man könne die Leute nicht bestrafen, wenn man wisse, dass sie nichts finden können. „Wir können die Entscheidungen der AIS nicht kritisieren, aber als Mieterschutz sind wir da schon enttäuscht“, so Campanella. Auch sagt er, dass eine solche Situation, wie sie Familie Alshimmry erlebt, zurzeit nicht außergewöhnlich sei. Es habe schon ein paar solcher Fälle im Zusammenhang mit der AIS gegeben. Aber auch mit anderen sozialen Agenturen.

Immobilienmakler erteilen der Familie eine Abfuhr

In der Tat ist die Situation der Familie aus Petingen keine günstige. Sie kamen als Flüchtlinge aus einem Land, wo Milizen die Oberhand übernommen hatten. Der Vater ist zu 30 Prozent invalide und das jüngste Kind ist Autist. Die Mutter bekommt durch die „Assurance dépendance“ der CNS ein Gehalt zur Betreuung ihres jüngsten Sohnes ausgezahlt. Der Vater hatte sich laut eigenen Angaben in der ersten Woche in Luxemburg sofort um Arbeit bemüht. Sein erster Job in Luxemburg war Lkw-Fahrer, danach arbeitete er in einer Reinigungsfirma. Doch sein Gesundheitszustand verschlechterte sich zunehmend. Er hat Rückenprobleme, die auf einen früheren Unfall zurückgehen. Er bekommt regelmäßig Spritzen gegen die Schmerzen. Hinzu kam ein Asthma-Problem, das er auf Schimmel im Haus in Petingen zurückführt. Zweimal musste seine Frau den Krankenwagen rufen, weil ihr Mann keine Luft mehr bekam.

Laut AIS-Direktor Gilles Hempel wusste die Agentur von dem Schimmelproblem. Dies sei allerdings erst entstanden, als die Familie im Haus gelebt habe, sagt er. Der technische Dienst der Agentur überprüfe die Häuser, bevor sie an Mieter weitergegeben werden, sagt er. Spätere Tests hätten ergeben, dass der Schimmel nicht durch die Bausubstanz gekommen sei, sondern durch vermutlich fehlerhafte Lüftung sowie falsches Heizen durch die Familie. In wärmeren Gegenden habe man nicht unbedingt Doppelverglasung oder Heizungen in den Häusern. Mehrmals habe die AIS die Familie in Bezug auf das Lüften und Heizen geschult. Doch der Schimmel sei wiedergekommen. Wenn es sich tatsächlich um unzureichende Lüftung handelte, bedingt durch ein Bett, das an besagter Stelle stand, dann hätte das die soziale Koordinatorin der AIS dem technischen Dienst melden müssen, sagt der Vater. Die Familie kontaktierte zudem das Gesundheitsministerium, das sich vor Ort begab, um den Vorfall zu registrieren. 

Seit 2017 sucht Familie Alshimmry aktiv nach einer neuen Behausung. Seit sechs Jahren stehen sie laut eigenen Angaben auf den Listen des „Fonds du logement“ und der „Société nationale des habitations à bon marché (SNHBM)“. Bis heute haben sie kein Angebot bekommen. Auch befinden sie sich im ständigen Kontakt mit dem „office social“ ihrer Gemeinde sowie anderen Sozialbüros. Abitatio, eine neue Abteilung der Stiftung „Fondation pour l’accès au logement“, führt ebenfalls Wartelisten. Sie vermitteln Leuten Neubau-Wohnungen, die sich unter Vertrag mit der AIS befinden, alle Bedingungen erfüllt haben und trotzdem kein Haus auf dem privaten Wohnungsmarkt finden, sagt Hempel. 2023 sollen erste Wohnungen fertig sein. Aber nicht für die Familie aus Petingen. Da sie laut AIS nicht alle Bedingungen erfüllt hat, geht sie leer aus.

Wir brauchen aber nicht für jedes Kind ein Schlafzimmer. Zwei Schlafzimmer für die Kinder reichen uns aus.

Frau Alshimmry, Mutter von vier Kindern

Die Lehrerin der ältesten Tochter sieht sich zwar nicht in der Verantwortung, der Familie helfen zu müssen, dennoch fühlt sie sich um das Wohlergehen der Kinder mitverpflichtet. Deshalb hat sie sich nun die Zeit genommen, um verschiedene Immobilienmakler zu kontaktieren. Mit ihrer education.lu-Adresse hatte sie auch großen Erfolg, sagt sie gegenüber Tageblatt. Sie bekam zahlreiche Antworten und das Interesse, der Lehrerin etwas zu vermieten, schien riesengroß. Doch die Vorfreude erfuhr ein abruptes Ende, sobald die Lehrerin beim Rückruf am Telefon sagte, dass die Mietobjekte nicht für sie, sondern für eine sechsköpfige Familie aus dem Irak seien. Die Makler regeln die Kontaktaufnahme und die Besichtigungen, doch das letzte Wort haben stets die Vermieter. Bei knapp einem Dutzend Anfragen kam es immerhin zu drei Besichtigungen innerhalb einer Woche durch die irakische Familie. Doch am Ende scheiterten sämtliche Anfragen. Oftmals schaltete sich der Vermieter ein. Ein häufiger Ablehnungsgrund war, dass das Haus für eine sechsköpfige Familie zu klein sei. „Wir brauchen aber nicht für jedes Kind ein Schlafzimmer“, sagt die Mutter. „Zwei Schlafzimmer für die Kinder reichen uns aus.“

Laut Agentur sollten beide Eltern arbeiten gehen

Trotz der teilweisen Invalidität des Vaters und der Behinderung des jüngsten Sohnes sagt Hempel: „Wir sagen den Leuten, ihr müsst autonom werden auf dem Niveau der Behausung und dafür muss man in Luxemburg zu zweit arbeiten gehen. Das ist eine Realität in Luxemburg.“ Sicherlich ist es nicht falsch zu behaupten, dass es eine Realität in Luxemburg ist, doch erscheint es fragwürdig, wie die Familie unter den erwähnten Bedingungen zu zweit arbeiten sollte. 

Wir sagen den Leuten, ihr müsst autonom werden auf dem Niveau der Behausung, und dafür muss man in Luxemburg zu zweit arbeiten gehen. Das ist eine Realität in Luxemburg.

Gilles Hempel, Direktor der AIS

Vom Tageblatt kontaktiert, sagt Marianne Donven, Expertin für die Belange von Flüchtlingen und frühere Mitarbeiterin des Außenministeriums, dass es viele solcher Fälle gibt. Seit dem 1. April sei es der Regierung wieder gestattet, Räumungen vorzunehmen, sprich, Leute vor die Tür zu setzen. Dies war wegen der Corona-Pandemie zeitweilig ausgesetzt worden. Donven sagt, dass Luxemburg das einzige Land sei, wo es so einfach gehe, dass man Kinder abgenommen bekommt, weil die Familie kein Zuhause mehr hat. „Dieser Druck für die Eltern ist schrecklich, zumal noch ein behindertes Kind im Spiel ist, das auf die Mutter fokussiert ist.“

Qasim Alshimmry hält seinen jüngsten Sohn im Arm
Qasim Alshimmry hält seinen jüngsten Sohn im Arm Foto: Editpress/Eric Rings

Donven erklärt, dass wir in Luxemburg unserem „Accueil“ nicht immer ganz gerecht würden. „Wir tun viel, aber danach hapert es oft, zumal was den Zugang zum Arbeitsmarkt angeht.“ Daher kämen die meisten Probleme, sagt sie. Bei dieser Familie sei es anders, weil Vater und Mutter noch andere Verpflichtungen beziehungsweise Einschränkungen hätten. Mit dem Grundgehalt „Revis“ etwas zu mieten, sei sehr schwierig. Sie selber stehe mehrfach als Garant für Leute, die sonst nichts bekommen hätten. An Leute mit dem „Revis“ wolle niemand etwas vermieten, weil man keine Pfändung auf das Gehalt machen könne. „Das ist für die Vermieter nie interessant“, sagt sie.

Dieser Druck für die Eltern ist schrecklich, zumal noch ein behindertes Kind im Spiel ist, das auf die Mutter fokussiert ist

Marianne Donven, Expertin in Flüchtlingsfragen

Cassie Adélaïde ist Koordinatorin der Projekte bei „Passerell“. Bei dieser Organisation arbeiten Juristen, viele davon auf freiwilliger Basis, und interessieren sich für den Einfluss juristischer Entscheidungen auf die fundamentalen Rechte. Dazu gehört unter anderem die Kinderrechtskonvention. Adélaïde stellt klar, dass eine solche Situation, wie sie die Familie aus Petingen gerade erlebt, auch Luxemburgern oder anderen Ausländern in Luxemburg passieren kann. Es betrifft sämtliche Bürger, die von Armut betroffen sind. Sie sagt, dass den Eltern die Kinder nur abgenommen werden können, wenn sie deren Grundbedürfnisse nicht erfüllen können. Dies sei bei der Familie Alshimmry definitiv nicht der Fall. Einem Kind die Wohnung wegzunehmen, sei eine „atteinte très grave aux droits de l’enfant“. Es sei komplett grotesk, zu einer solchen Situation zu gelangen. „Wenn heute die Wohnungspreise in Luxemburg solche Proportionen annehmen, dass sie Kinderrechte dadurch verletzen, dann wird es Zeit, dass man im Land aufwacht“, sagt sie.

Richter darf den Eltern die Kinder nicht wegnehmen

Einerseits habe man die Wohnungsproblematik in Luxemburg, andererseits könne man aber auch das Argumentieren der Richter infrage stellen, wenn sie eine Entscheidung treffen, die zum Nachteil der Kinder gefällt wird, und dies zudem in einem sozialen Kontext. „Es ist nicht das Ziel, die Kinder zu bestrafen, es ist das Ziel, sie zu schützen“, sagt sie. Die Eltern seien in der Verantwortung, die Bedürfnisse der Kinder zu erfüllen und der Staat trage die Verantwortung, sie darin zu unterstützen. „Der Staat ist demnach mitverantwortlich für die Fähigkeit dieser Bürger, eine Unterkunft zu haben.“

Wenn der einzige Grund, ein Kind in einem Heim unterzubringen, darin besteht, dass der Familie das Haus weggenommen wird, dann darf der Richter eine solche Entscheidung nicht treffen

Cassie Adélaïde, Koordinatorin der Projekte bei „Passerell“

„Wenn der einzige Grund, ein Kind in einem Heim unterzubringen, darin besteht, dass der Familie das Haus weggenommen wird, dann darf der Richter eine solche Entscheidung nicht treffen“, sagt Adélaïde. Es kann immer sein, dass es ein weiteres Kriterium gibt, wieso man den Eltern die Kinder wegnimmt. Aber wenn die Räumung der Wohnung der einzige Grund ist, hat die Familie das Recht, vor die europäischen Gerichte zu ziehen, um diesen Entscheid anzufechten. „Das ist absolut verrückt, dass eine öffentliche Institution wie die AIS einfach eine Familie auf die Straße setzen kann und dann in der Folge ein Richter den Eltern die Kinder wegnimmt und sie in ein Foyer setzt, weil es keine andere Lösung gibt.“ Dies sei keine neue Situation. Es seien Situationen, die in Luxemburg sehr oft vorkommen. Es sei ja gut, dass Agenturen wie die AIS den Leuten befristete Wohnungen anbieten, aber wenn sie am Ende dann nichts finden würde, weil in Luxemburg ein struktureller Mangel an Wohnungen bestehe, dann müsse die AIS ihre Statuten überdenken, denn sie könne nicht vulnerable Leute auf die Straße setzen.

Stéphanie Goerens, Verantwortliche der Abteilung „Solidarité“ beim Familienministerium, sagt auf Tageblatt-Nachfrage, dass sich das Ministerium aus Datenschutzgründen nicht zu dem konkreten Fall der Familie aus Petingen äußern dürfe. Goerens hält das Gespräch allgemein, nennt es ein Backgroundgespräch und möchte nicht zitiert werden. Sie sagt, dass dieser Fall nichts mit Integration zu tun habe, sondern dass es sich eher um ein Problem der Wohnungssituation in Luxemburg handele. Sie verweist auf das Wohnungsbauministerium.

Das Wohnungsbauministerium arbeitet an der dringend notwendigen Reform des Gesetzes von 1979 über die Wohnungsbeihilfen, was insbesondere die Erschwinglichkeit betrifft

Ministerium für Wohnungsbau

Das Wohnungsbauministerium sagt gegenüber Tageblatt, dass die Nachfrage auf dem Luxemburger Wohnungsmarkt nach wie vor sehr hoch sei, vor allem im Bereich der bezahlbaren Wohnungen („logements abordables“). Dies spiegele sich sicherlich auf die Wartelisten wider, so das Ministerium. Beim „Fonds du logement“ stehen aktuell 4.000 Anträge auf einer solchen Warteliste. „Das Wohnungsbauministerium arbeitet an der dringend notwendigen Reform des Gesetzes von 1979 über die Wohnungsbeihilfen, was insbesondere die Erschwinglichkeit betrifft.“ Zudem würden mit dem neuen „Pacte logement“ die Weichen neu gestellt in Bezug auf die Unterstützung der Gemeinden beim Schaffen von bezahlbaren Wohnungen. Auch sei eine Anpassung des Mietgesetzes auf dem Instanzenweg. Das Wohnungsbauministerium hebt insbesondere große Projekte in Düdelingen und Wiltz hervor, die in den Startlöchern stehen würden. Insgesamt sollen an diesen Orten über 2.000 Wohnungen entstehen. Ein weiteres Vorhaben, das sich im Bau befinde, sei das „projet d’envergure Elmen“. Hier sollen weitere 800 Wohnungen auf den Markt gebracht werden.

Nach welchen Kriterien werden denn eigentlich die Wohnungen des „Fonds du logement“ vergeben? Mitarbeiter des Fonds begeben sich vor Ort und leiten eine „enquête sociale“ ein. Eine interne konsultative Kommission analysiere zusätzlich, wo ein Notfall vorliegt, bevor Wohnungen zugeordnet werden. Die Chance auf eine solche Wohnung hänge zudem von Kriterien wie Gehalt, Prekarität oder aktuelle Wohnsituation ab.

Franziska
13. April 2021 - 21.15

Wie kann man heutzutage 4 Kinder in die Welt setzen, wenn es auf der Welt schon über 8 Milliarden Menschen gibt? Ich empfinde dies als den größten Egoismus überhaupt.

GERGES Jang
12. April 2021 - 12.03

Mir hun Wunengen am Land, déi joare laang eidel stinn a verfaalen,och Heiser déi dem Staat gehéieren,waat fir mech net ze verentwerten ass! Ech hun virun 6Joar en Haus un den Fonds de Logement verkaat,waat direkt hätt kiente bewunnt ginn(200mcar.) Haut ,no 6Joar onbewunnt,net gehezt,net geleft,waat kascht daat fir et erem andrei zesetzen?Em Staat seng responsabilitéit,iss Steiereren! An zeg Leit ,déi frou währen fir dran zewunnen. Wivill esou Heiser huet de Staat am Land? Onverständlech an Traureg.

M.A
11. April 2021 - 20.48

Jo wie schon divers Leit hei schreiwen an och Recht hun ! Schon sclëmm fir die Famili , sollt daat dann e sou sin ! Mä waat ass mat eisen Leit !? Do geht it villen nit besser ! BEI eisen Wunningspreiser .

J
11. April 2021 - 11.11

[Gelöscht] --------- Bitte argumentieren Sie sachlich. Vielen Dank. - die Redaktion

jean-pierre goelff
11. April 2021 - 7.29

An daat alles am ,trotz Covid,Luxus-Marienländle!Schummt iëch!!

Hurin
10. April 2021 - 23.33

Et ass kloer datt AIS keng kloer Äntwert op dëse Problem huet an et ass och kloer datt de Problem vun de Loyer zu Lëtzebuerg ganz grouss ass wéinst de Onméiglech Ufroen Vum Besëtzer An iwwerdriwwe Präisser op de private Mäert Mir hunn net d'Recht dës Famill ouni Beweiser ze beschëllegen. D'Famill seet datt si e Beweis hunn datt se all d'Konditiounen erfëllen, déi am Kontrakt geschriwwe sinn.

Siss
10. April 2021 - 23.27

Et ass schrecklech an do misst dringend eppes geschéihen. Ech hunn selwer sou eng Situatioun materliewt wou meng Schülerin vun der Police an d‘Schoul siche komm ginn ass. D‘Mamm hat och hier Wunneg verluer an se waren provisoresch an engem Hotel. Wou d‘Mamm dunn an Maternité komm ass, well d‘Kand wat se erwaard huet op Welt komm ass, sin déi 2 Meedercher an de Foyer placéiert ginn. An dat war eng ganz léif Fra déi sech gutt em hier Kanner bekemmert huet. Ech wees och leider net wat dono aus der Famill ginn ass. Ech hunn Kand nie méi erem gesinn dono. War och ganz ellen vir Klassenkameroden.

Frank Goebel
10. April 2021 - 19.03

Guten Tag, die allgemein problematische Situation in Luxemburg ist regelmäßig Inhalt unserer Berichterstattung, z.B. in diesem Leitartikel vom 1.April: https://www.tageblatt.lu/headlines/die-immobilienkrise-benoetigt-auch-kurzfristige-loesungen/ - Viele Grüße aus der Redaktion

Dieudonné Baustert
10. April 2021 - 18.19

Obwuel déi Famill mer leed deet, Mee waat ass dann matt deenen lëtzebuergesche Famillje wou an genau deier doter Situatioun stin? Wéini kënnt dann mol iwert déi een Artikel an d'Zeitung.

CESHA
10. April 2021 - 14.37

"Die Familie habe sich nicht an die geforderten Bedingungen gehalten." Mehr muss man eigentlich nicht wissen. Und dass es hierzulande schon mit 1-2 Kindern schwierig ist, eine Wohnung zu finden, sollte bekannt sein. Meiner Ansicht nach zeugt es von einer gewissen Verantwortungslosigkeit, in einer so prekären Situation noch weitere Kinder in die Welt zu setzen.

Linda
10. April 2021 - 13.36

Ass net schéin. Et ass net déi eenzesch Famill an esou enger Situatioun. Mir hun och vill Letzebuerger wou esou do stin. Matt an ouni Kanner! Och mir stin op laangen Waardeleschten. Och ons heleft keen! Weder Gemeng nach FDL ! Et stinn am ganzen Land Heiser an Wunningen eidel! Sie vafaalen! Do misst eppes enaholl gin. Wann Proprietairen se nach géifen an da Rei haalen! Ass meeschtens net den Fall. Déi missten dann besteiert gin!