Vorfall in EschVom Opfer zum Täter: Was geschah am Freitag wirklich in der Hiehl?

Vorfall in Esch / Vom Opfer zum Täter: Was geschah am Freitag wirklich in der Hiehl?
Am unteren Trainingsfeld der Jeunesse in der Hiehl trainierte am Freitag die U13, als das Unfassbare geschah Foto: Editpress/Julien Garroy

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Ein 22-jähriger Jugendtrainer des Fußball-Rekordmeisters Jeunesse Esch muss sich nach den Vorfällen vom vergangenen Freitag auf dem Trainingskomplex des Vereins in der Hiehl wegen Totschlags verantworten. 

Ein Mann ist tot, einer sitzt in Untersuchungshaft und Dutzende Kinder sind traumatisiert. Am Freitag trugen sich in Esch Szenen zu, die schwer einzuordnen sind. Was ist auf dem Trainingsgelände der Escher Jeunesse wirklich geschehen? Die Justiz hat sich, entgegen ihrer Gewohnheiten bei solchen Fällen, nicht mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen in Schweigen gehüllt, sondern am Montagnachmittag eine für ihre Verhältnisse detaillierte Pressemitteilung herausgegeben. 

Demnach handelt es sich beim Täter und gleichzeitig Opfer der Zwischenfälle auf dem Trainingsgelände des Fußball-Rekordmeisters Jeunesse Esch um einen 25-jährigen Mann. Er wurde erstochen, nachdem er beim Jugendtraining, mit zwei Messern bewaffnet, das Spielfeld betreten hatte und von mehreren Personen außer Gefecht gesetzt worden war.

Messer und Stein

Notwehr oder Totschlag? Das ist die Frage nach den Vorkommnissen am frühen Freitagabend auf dem Jeunesse-Trainingskomplex in der Escher Hiehl. Ein 25-jähriger Mann hatte, mit zwei Messern bewaffnet, das Spielfeld betreten, wo die Minimes (unter 13 Jahre alt) gerade trainierten. Nach der Pressemitteilung der Justiz hatte der Mann verbal gedroht und physisch Spieler und Trainer angegriffen. Der Mann wurde von mehreren Personen verfolgt und noch auf dem Spielfeld gestellt und außer Gefecht gesetzt. Kurz zuvor hatte der Angreifer laut Justiz seine beiden Messer weggeworfen. „Zu diesem Zeitpunkt stellte der Mann keine Gefahr mehr dar“, heißt es wortwörtlich in der Pressemitteilung.

Eine der Personen, die den Angreifer neutralisiert hatten, griff sich eines der Messer und stach mehrmals zu. Auch schlug er ihn mit einem Stein. Der 22-Jährige wurde am Samstag dem Untersuchungsrichter vorgeführt. Ihm wird Totschlag vorgeworfen. Seitdem sitzt er im neuen Untersuchungsgefängnis in Sanem. Soviel zur offiziellen Mitteilung der Justiz, die zum Schluss darauf hinweist, dass noch viele Fragen zu klären sind und für den Tatverdächtigen die Unschuldsvermutung gilt.

Beim Tatverdächtigen handelt es um den Minimes-Trainer des Vereins, der selbst früher in der Jugend der Jeunesse spielte. Tageblatt-Informationen zufolge müssen sich auch die anderen am Zwischenfall beteiligten Personen verantworten, darunter zwei beim Training anwesende Väter der Jugendspieler. Sie sehen sich Vorwürfen des Mordversuchs („tentative de meurtre“), der schweren Körperverletzung („coups et blessures volontaires“) und unterlassener Hilfeleistung („non-assistance à une personne en danger“) ausgesetzt.

Das berichten Augenzeugen

Unterdessen ist in den sozialen Medien eine Diskussion über die Deutung der Tat entbrannt. „Kaltblütiger Mord im Affekt“ oder aber ist der Trainer ein „Held, der 26 Kinder gerettet“ hat? Mit anderen Worten: Es bleibt zu klären, ob es sich um legitime Verteidigung oder um einen Notwehrexzess handelt. Die Mitteilung der Justiz deutet auf Letzteres hin. Genaue Auskunft darüber könnte die Identität des 25-jährigen Angreifers geben und die Antwort auf die Frage, ob er den Jugendtrainer gekannt hat. Was dann auf eine persönliche Fehde hindeuten würde.

 Foto: Editpress/Julien Garroy

Anwesenden zufolge handelt es sich beim Angreifer um niemanden aus dem Umfeld des Vereins oder des Luxemburger Fußballs. Auch hatte, übereinstimmenden Aussagen zufolge, die Auseinandersetzung lange vor der eigentlichen Tat begonnen. Der Angreifer soll bereits vorher am Trainingsfeld gewesen sein. Es war zu heftigen verbalen Auseinandersetzungen gekommen. So heftig, dass die Polizei informiert wurde. Allerdings war der Mann bei Ankunft der Beamten nicht mehr vor Ort, sodass diese wieder abzogen. Eine gute halbe Stunde später sei er, bewaffnet mit den beiden Messern, auf den Trainingskomplex zurückgekehrt. 

Laut Justiz bedrohte er sowohl die Kinder und als auch die Trainer, was die Aussage von Jeunesse-Präsident Marc Theisen widerlegen dürfte, die Jugendspieler wären nie in Gefahr gewesen (siehe Tageblatt von gestern). 26 Nachwuchsspieler sollen am Training teilgenommen haben. Als der Angreifer mit den beiden Messern kurz vor 18.00 Uhr wieder auftauchte, wurden sie eiligst in die Kabinen geschickt. Ihnen wurde am Sonntag vom CGDIS ein psychologischer Hilfsdienst angeboten.   

Georges Mischo: „Bin schockiert“

Es war der erste Zwischenfall dieser Art, den Georges Mischo (CSV) als Bürgermeister der Stadt Esch, also seit 2017, erlebte. „Ich muss sagen, dass ich schockiert bin. Ich habe am Freitag Rücksprache mit der Polizei gehalten. Und später dann auch mit Jeunesse-Präsident Marc Theisen. Ich habe ihm im Namen der Gemeinde unsere Hilfe angeboten“, so Mischo gegenüber dem Tageblatt. „Viel mehr können wir nicht machen und ich auch nicht dazu sagen. Denn mir fehlen die genauen Hintergründe der Tat. Wie ich die Sache einschätze, kann sowas überall passieren“. (P.M.)     

Drei Trainingsfelder gibt es am Komplex in der Hiehl. Im untersten davon, bei den Vereins-Containern, spielte sich das Drama ab. Der Angreifer wurde von drei Personen überwältigt, darunter zwei Väter von Jugendspielern. Was genau geschah, das muss die Justiz nun ermitteln. Augenzeugen berichteten, dass umher liegende Gegenstände wie Stangen, Steine, Mülleimer und zum Schluss dann wohl auch ein Messer zum Einsatz kamen. 

Als die Polizei, diesmal mit einem Großaufgebot, kurz nach 18.00 Uhr ein zweites Mal an diesem Abend an den Trainingsplätzen ankam, war der Kampf vorbei. Der 25-Jährige wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht, wo er notoperiert wurde, allerdings seinen schweren Verletzungen erlag. Ein Amokläufer scheint er nicht gewesen zu sein. Dass sein Angriff vor allem den Spielern gelten sollte, ist in Anbetracht des zweimaligen Auftauchens zumindest zweifelhaft.

Die Polizei jedenfalls schirmte das Areal großräumig ab. Das für 20.00 Uhr anberaumte Vorbereitungsspiel der ersten Mannschaft der Jeunesse gegen Schifflingen wurde abgesagt. Inzwischen hat die Mannschaft den Trainingsbetrieb wieder aufgenommen, was auch für die Jugendmannschaften des Vereins gilt. 

Die Escher Mordfälle der letzten 15 Jahre

Im November 2018 hatte ein 41-Jähriger in Esch der Tochter seiner Ex-Freundin achtmal mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen. Die Frau überlebte die Attacke mit viel Glück. Das Gericht wertete die Tat als geplanten Mordversuch und verurteilte den Mann zu 20 Jahren Haft. Wenige Monate zuvor war es nach einer Fußballfeier in einem Café zu einer Messerstecherei gekommen. Der Täter wurde später wegen gefährlicher Körperverletzung (und nicht, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, wegen versuchten Totschlags) verurteilt. 
Der letzte Mord datiert aus dem Januar 2015, als eine 49-jährige Frau von ihrem Ehemann in einem Hinterhof erschossen wurde. Sie wollte sich scheiden lassen. Der Täter erhielt eine lebenslange Haftstrafe für die Tat. Wenige Wochen zuvor war es in einer Wohnung am Stalingrad-Platz zu einem Brudermord gekommen, im November 2014 erschoss der Besitzer eines Friseursalons in der Dicks-Straße seinen Sohn nach einem Streit.
In trauriger Erinnerung bleibt auch der Mordfall Elvis, der Esch im April 2008 erschütterte. Ein Streit zwischen Jugendlichen am Bahnhof endete mit einer tödlichen Messerstecherei, der der 18-jährige Elvis zum Opfer fiel. Der Täter wurde später zu 18 Jahren Haft, davon die Hälfte auf Bewährung, verurteilt. 
Im Januar 2007 sorgte der Mord an einem 55-jährigen Bosnier im Neudorf-Viertel für Schockwellen. Die Vorgehensweise erinnerte an eine regelrechte Hinrichtung im Kriminellen-Milieu. Der Täter flüchtete. (P.M.)   

Am Freitag soll die Polizei gleich zweimal zum Trainingskomplex gerufen worden sein
Am Freitag soll die Polizei gleich zweimal zum Trainingskomplex gerufen worden sein Foto: Editpress/Tania Feller

Suzette Dauphin
24. Januar 2023 - 13.22

Dat kann et jo net sin dass een sech amëcht an duerfir och nach gestroft get ech selwer hun d‘Erfahrung gemaach zu Esch an ech war frou dass een sech agemëcht huet