ArbeitsbesuchUkrainischer Regierungschef Denys Schmyhal will russische Gelder

Arbeitsbesuch / Ukrainischer Regierungschef Denys Schmyhal will russische Gelder
Der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal wird vom luxemburgischen Premier Luc Frieden auf Schloss Senningen empfangen Foto: Editpress/Alain Rischard

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Erstmals seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine hielt sich am Dienstag der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal zu einer Arbeitsvisite in Luxemburg auf. Dort forderte er, alle eingefrorenen russischen Vermögenswerte seinem Land zur Verfügung zu stellen.

Denys Schmyhal steht einer Regierung vor, die mit dem größten Aggressionskrieg auf europäischem Territorium seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert ist. Demgemäß drehen sich die Gespräche, die der ukrainische Regierungschef mit dem luxemburgischen Premierminister Luc Frieden führte, um diesen Krieg. Für Letzteren war es daher ein „emotionaler und historischer Besuch“, wie er nach „einem sehr guten Gespräch“ mit seinem ukrainischen Amtskollegen auf Schloss Senningen erklärte. Er zog eine Parallele zum Überfall Nazideutschlands, das damals das gleiche Ziel mit Luxemburg gehabt habe, wie es heute Russland in der Ukraine verfolge: „Das Land von der Landkarte zu löschen.“ Frieden ist sich denn auch sicher: „Wenn Russland gewinnt, wird Russland nicht in den östlichen Provinzen der Ukraine stehen bleiben.“ Daher werde alles getan, um die Ukraine zu unterstützen. „Ihr Krieg ist auch unser Krieg“, so Luc Frieden gegenüber seinem Gast.

Dass das nun definitiv nicht gelungen ist, hängt zum einen von der Unterstützung ab, die die Ukraine nach dem 24. Februar 2022 aus den EU-Staaten, den USA und anderen Ländern erhielt. Vor allem aber am Widerstandswillen der ukrainischen Bevölkerung. Der scheint weiter ungebrochen. Zumindest vermittelte der ukrainische Regierungschef die Zuversicht, dass die Menschen in der Ukraine alles tun würden, um „zurück in die europäische Familie“ zu gelangen, wie er es beschrieb.

Militärische Hilfe

Trotz Rückschlägen zählte Denys Schmyhal auf, was bisher alles gelungen und was noch zu erwarten ist. 50 Prozent des besetzten Territoriums seien zurückerobert worden, 20 russische Kriegsschiffe versenkt und das Schwarze Meer wieder so weit „befreit“ worden, dass ukrainische Exporte über das Meer wieder gesteigert werden konnten. Das Land wolle die heimische Produktion von Drohnen, die in diesem Krieg von besonderer Bedeutung sind, sowie von Artilleriegeschossen erhöhen. Der Mangel an Artilleriemunition ist ein wunder Punkt. „Wir haben Awdijiwka wegen Munitionsmangel verloren“, sagte Denys Schmyhal, der jedoch darauf hinwies, dass die Front derzeit stabil sei und die Ukraine die Befestigungen entlang der Kampflinien ausbaue. Es sei aber jetzt „kruzial“, nicht nur mehr Artillerie, sondern auch Mittel- und Landstreckenraketen zu bekommen, so Schmyhal.

Luxemburgs Premier Luc Frieden versprach anhaltende Unterstützung für die Ukraine, Denys Schmyhal sprach wiederholt seinen Dank für die bisherige Hilfe aus
Luxemburgs Premier Luc Frieden versprach anhaltende Unterstützung für die Ukraine, Denys Schmyhal sprach wiederholt seinen Dank für die bisherige Hilfe aus Foto: Editpress/Alain Rischard

Der ukrainische Regierungschef bedankte sich mehrmals für die Unterstützung aus Luxemburg, unter anderem die militärische Hilfe. „Wir werden die Ukraine weiter mit unseren Mitteln militärisch unterstützen“, versicherte Luc Frieden, der jedoch einschränken musste, dass Luxemburg nicht jene Waffen bereitstellen könne, „die die Ukraine braucht“. Deshalb beteiligt sich Luxemburg an einer vom tschechischen Präsidenten Petr Pavel bei der Münchener Sicherheitskonferenz bekannt gegebenen Initiative zur Finanzierung von 800.000 Artilleriegeschossen, die Tschechien in Drittländern beschaffen will. 1,38 Milliarden Euro werden dafür benötigt. Mit welchem Betrag sich Luxemburg daran beteiligen werde, wollte Frieden nicht sagen. Das werde sich im Kreis der Benelux-Staaten entscheiden.

Luxemburg habe vergangenes Jahr 16 Prozent seines Verteidigungsbudgets der Ukraine bereitgestellt, erklärte Frieden weiter. „Wir werden unsere Unterstützung nicht zurückfahren“, betonte der luxemburgische Premier, die er auf 0,6 bis 0,7% des BIP in den letzten beiden Jahren bezifferte. „Wichtig ist, dass wir der Ukraine geben, was die Ukraine braucht“, so Frieden.

Guthaben konfiszieren

Dazu gehört auch Geld, etwa für den Wiederaufbau des Landes. So will der ukrainische Regierungschef jene 6 Milliarden Euro an russischen Guthaben, die infolge der Sanktionen gegen Russland in Luxemburg eingefroren wurden. Dass innerhalb der EU erst einmal darüber diskutiert wird, nur die Gewinne der eingefrorenen russischen Vermögenswerte für die Bedürfnisse der Ukraine zu verwenden, ist für Schmyhal nur „ein erster Schritt“ vor der vollständigen Konfiskation dieser Gelder. Wie jedoch die Gewinne aus den rund 200 Milliarden Euro an russischen Geldern verwendet werden sollen, darüber werden am Donnerstag die EU-Staats- und Regierungschefs beraten. Eine Mehrheit ist einem Ratsvertreter zufolge bereit, die Gelder in die sogenannte Europäische Friedensfazilität fließen zu lassen, aus der die EU bisher die militärische Hilfe an die Ukraine finanziert hat. An die drei Milliarden Euro sollen so jährlich bereitgestellt werden können.

Denys Schmyhal jedoch meinte nun in Luxemburg, es sei „fundamental“, dass die Ukraine alle russischen Gelder erhalte. Dies könne „ein wichitges Element der globalen Sicherheitsarchitektur“ und ein Präzedenzfall sein, um ein Zeichen gegen Aggressionskriege zu setzen. Der ukrainische Premier forderte zudem weitere Sanktionen gegen Russland. „Wir brauchen ein totales Verbot auf russische Nahrungsmittelexporte nach Europa“, da diese auch gestohlenes ukrainisches Getreide enthielten, so Schmyhal.

Am Nachmittag wurde im luxemburgischen Außenministerium noch ein bilaterales Abkommen über eine technische und finanzielle Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern unterzeichnet.

Es war der erste Besuch des ukrainischen Regierungschefs Denys Schmyhal in Luxemburg
Es war der erste Besuch des ukrainischen Regierungschefs Denys Schmyhal in Luxemburg Foto: Editpress/Alain Rischard