Nico PündelSchulische und sprachliche Herausforderungen

Nico Pündel / Schulische und sprachliche Herausforderungen
Integration steht ganz oben auf der Prioritätenliste von Nico Pündel Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Am 20. Januar hat Nico Pündel (CSV) das Bürgermeisteramt in Strassen von Gast Greiveldinger (LSAP) übernommen. Der Machtwechsel war im Koalitionsabkommen von 2017 bereits vorgesehen, es ist demnach ein optimal vorbereiteter Stadtvater, der die neue Verantwortung übernahm.

Nico Pündel hat kein Neuland betreten, als er vor einem knappen halben Jahr den Bürgermeisterstuhl besetzte. Als „Strackstroossener“ hat er den Wechsel von der Landgemeinde in die 10.000-Einwohner-Stadt miterlebt. Als langjähriger leitender Angestellter der Hauptstadtverwaltung und Finanzschöffe kennt er die Verwaltungsabläufe.

An spannenden Herausforderungen fehlt es ihm jedoch nicht: Eine davon ist der Umgang mit seinen Bürgern, wo Englisch allmählich zur Umgangssprache wird. Strassen ist nach der Stadt Luxemburg die Gemeinde mit der höchsten Anzahl von nicht-luxemburgischen Einwohnern. Noch sind die meisten der 66% Ausländer Franzosen, gefolgt von Italienern und Spaniern. Die Briten liegen an vierter Stelle, zusammen mit Russen, Chinesen oder Skandinaviern dominieren sie jedoch den sprachlichen Umgang.

Diese Eckwerte führen gleich ins Herz der Pläne des im Januar ausgewechselten Schöffenrates. Mit ihrem „Pakt vum Zesummeliewen“ wollen Bürgermeister Nico Pündel (CSV), Betty Welter-Graul und Jean-Claude Roob (beide LSAP) die Bürger besser integrieren. Das ist nicht einfach, weil die wenigsten Einwohner vor Ort arbeiten und ihre Kinder in die Europaschule gehen.

Junge Leute können sich kaum noch etwas hier leisten

Nico Pündel, Bürgermeister von Strassen

Die Integration erfolgt demnach über den Sport und die Freizeit: Der lokale Fußballverein betreut über 300 Kinder, genauso viele wie der Karateclub, die Musikschule bietet Solfège-Kurse in Englisch an. Bezeichnend ist für den neuen Stadtvater die hohe Anzahl an Interessenten für einen Ferienjob in der Gemeinde. „Ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Familien hier angekommen sind“, sagt Pündel.

Eine weitere Herzensangelegenheit des Bürgermeisters ist die Schule. Auf die 750 eingeschriebenen Grundschüler wartet ab Herbst ein neues Gebäude mit 17 Klassenräumen. Durch die frei gewordenen Räumlichkeiten kann der außerschulische Empfang verbessert werden, den 80% der Schüler beanspruchen.

Ihr Alltagsleben will der neue Stadtvater verbessern: Eine zusammen mit der Uni erstellte Bestandsaufnahme hat ergeben, dass die zweistündige Mittagspause in der „Maison relais“ die Kinder eher belastet als entspannt. Die Gemeindeverantwortlichen können sich deshalb vorstellen, den Schulunterricht – mit einer kurzen Essenspause – durchgehend bis 14 Uhr laufen zu lassen und die Kinder dann erst der „Maison relais“ anzuvertrauen. „Es wäre eine Verbesserung ihres Wohlbefindens“, so Pündel. Er weiß natürlich, dass die Schulorganisation nicht in seinen Händen liegt, sondern Aufgabe des Unterrichtsministeriums ist. Er möchte dennoch die mit den Wissenschaftlern erstellten Wege ausprobieren. Auf die Eltern kann er zählen, der Vorschlag wurde von ihnen und auch von der „Maison relais“ gut angenommen. Schwer tun sich zurzeit nur die Lehrer. Dennoch glaubt Pündel an das Projekt.

Teures Pflaster

Bei Nico Pündels Amtsübernahme im Januar 2021 zählte Strassen 10.244  Einwohner. Damit wird der Gemeinderat bei den nächsten Wahlen von 13 auf 15 Mitglieder, der Schöffenrat von drei auf vier aufgestockt. Herbeigeführt wurde diese schnelle Steigerung durch eine rege Bautätigkeit. Kiem, Hueflach, Pescher, Pottempt, Suebelfeld, Reckenthal: Überall entstehen zusätzliche Wohngebiete, der neue Bebauungsplan weist rechts und links von der route d’Arlon nicht weniger als 41 Projekte auf.

Dabei muss man durchaus zahlungskräftig sein, um sich das Wohnen in Strassen leisten zu können. Bis auf 15.000 Euro pro Quadratmeter müssen bezahlt werden. Das können vor allem hoch dotierte Angestellte – 40% der aktiven Bevölkerung haben einen Verantwortungsposten in der Finanzwelt oder in den europäischen Verwaltungen.

Kehrseite dieser Medaille ist, dass kaum noch Einzelhäuser entstehen. „Junge Leute können sich kaum noch etwas hier leisten“, bedauert der Bürgermeister. Gegen die Bautätigkeit kann er nichts unternehmen, dafür will er den Stadtkern beleben. Praktisch gesehen wird Strassen von der route d’Arlon regelrecht zweigeteilt. Der Schulcampus, der sich bis 2030 rund um die Gemeinde ausbreiten wird, soll das verändern. Gleichzeitig möchte Pündel den Durchgangsverkehr ganz vom Gemeindeplatz verbannen und aus der place Grande-Duchesse Charlotte ein urbanistisches Herz machen. Ein Gedanke, der bislang kaum verfolgt wurde, der aber wesentlich für den anfangs genannten „Pakt vum Zesummeliewen“ wäre. Im „Paschtoueschhaus“, das jetzt die „Maison relais“ beherbergt, möchte er ein echtes Dorfbistro einrichten. Die Gemeinde habe zwar ein Initiativrecht, brauche jedoch viel Geld für ihre Pläne. Angesichts der gesunden Finanzlage wäre das in den Augen des langjährigen Finanzschöffen kein Problem, Überzeugungsarbeit braucht er jedoch bei den Strassener Grundbesitzern. Wer nicht verkaufen will, bekommt eventuell ein Tauschangebot.

„E Stackstroossener“

Überzeugungsarbeit fällt dem 55-jährigen Nico Pündel nicht schwer, schließlich hat er sein ganzes Leben in der Gemeinde verbracht, der er heute vorsteht. Bei seiner Geburt zählte Strassen knapp 2.500 Einwohner und hatte noch echten Dorfcharakter.

2005 wurde er zum ersten Mal gewählt, 2011 wurde er Schöffe, mit Schwerpunkt Finanzen, Schule und Sozialpolitik. Gut vorbereitet auf sein Amt ist er auch über seinen Berufsweg. Der studierte Ingenieur arbeitete 22 Jahre lang in der Verwaltung der Stadt Luxemburg, wo er nacheinander für die Abfallwirtschaft, den öffentlichen Verkehr, die Wasserversorgung und Energie und Umwelt tätig war.

Pündel liebt zudem die Arbeit auf dem „Terrain“, wo er sein ganzes Leben lang engagiert war und die er im vergangenen Jahr stark vermisst hat. Sie ist ihm in einer von der ausländischen Bevölkerung geprägten Ortschaft besonders wichtig.

Nico Pündel hat sein gesamtes Leben in der Gemeinde Strassen verbracht
Nico Pündel hat sein gesamtes Leben in der Gemeinde Strassen verbracht Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Dass von den 10.000 Einwohnern nur ein Drittel das politische Sagen hat, bedrückt ihn hingegen nicht. Die Entscheidungen würden nie gegen die ausländischen Mitbürger getroffen, Strassen verstehe sich viel mehr als einheitliches Ganzes, wo sich alle gleichermaßen wohlfühlen sollen. Die Nicht-Luxemburger werden so weit wie möglich in die Entscheidungen eingebunden, selbst wenn das Sprachproblem die Arbeit der Kommissionen häufig erschwert. Diese Vorgehensweise trägt ihre Früchte. Weder in der Schule noch in der Gesellschaft gebe es Spannungen.

Dabei sind in Strassen nicht alle reich: 300 bis 400 Bewohner beanspruchen die Hilfe des Sozialbüros, das sich als aktiv und nahe am Bürger versteht. „Wir helfen, wo wir können“, sagt Pündel und verweist auf bestehende Sozialwohnungen und die Auflagen an die Akteure der Immobilienbranche, bei größeren Vorhaben 10% Sozialwohnungen zu bauen. Verstärkt setzt die Gemeinde auch sogenannte Erbpachtverträge, wo das Baugelände dem Promoteur auf Langszeitdauer vermietet wird, damit „auch jüngere Leute sich hier etwas leisten können“.

Sorgenkind „Lion d’Or“

Kopfzerbrechen bereitet Pündel zurzeit der Pachtvertrag mit dem Betreiber der Brasserie „Lion d’Or“ im Kulturzentrum „Barblé“. Die Gemeindeverwaltung wollte bei dessen Fertigstellung vor neun Jahren dort ein Bistro ansiedeln, wo man zum Aperitif oder nach der Vereinstätigkeit einkehren und auch etwas essen kann. Der aktuelle Betreiber hat sich jedoch von Anfang an über diese Verpflichtung hinweggesetzt und ein gehobeneres Angebot gemacht. Daraufhin wurde ihm nach der neunjährigen Pachtzeit rechtzeitig gekündigt. Auch darüber setzt er sich hinweg und lässt es auf ein Armbeugen mit der Gemeinde ankommen. Seit dem 1. Januar 2021 besetzt er kurzerhand das Lokal und die dazugehörige Wohnung. Um ihn zu vertreiben, braucht es jetzt einen Gerichtsbeschluss. Auf den die Interessenten am Lokal und die Gemeinde gleichermaßen warten.