FahrradpolitikRevolution der Mobilität: Wo steht Luxemburg im Vergleich zum Ausland?

Fahrradpolitik / Revolution der Mobilität: Wo steht Luxemburg im Vergleich zum Ausland?
Aufgrund der Pandemie wurden weltweit sogenannte Pop-up-Radwege geschaffen. Der Aufschwung des Fahrrads soll weitergehen.  Foto: dpa/Markus Scholz

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Paris, Berlin oder Mailand werden gerne als Musterbeispiele genannt, wenn es in Zeiten der Pandemie um neue Impulse zur Förderung der sanften Mobilität, insbesondere des Fahrrads, geht. Luxemburg ging zwar nicht so weit wie diese Städte und verzichtete beispielsweise auf die Einrichtung von Pop-up-Radwegen, trotzdem will das Großherzogtum den coronabedingten Fahrradboom weiter unterstützen. Mobilitätsminister François Bausch lud am Dienstagabend zu einem Onlineseminar mit hochkarätigen Gesprächspartnern ein. Fazit: Der Schwung soll genutzt werden.  

David Belliard ist stellvertretender Bürgermeister von Paris und als solcher für den öffentlichen Raum, die Mobilität und den Transport zuständig. „Was in Paris seit einiger Zeit schon geschieht, ist eine Revolution der Mobilität. Und die wurde durch die Pandemie noch beschleunigt“, sagt Belliard. Er meint damit, dass früher rund die Hälfte des öffentlichen Raums in Frankreichs Hauptstadt Autos gewidmet waren, obwohl nur 35 Prozent der Pariser ein Fahrzeug besaßen. 50 bis 60 Prozent der Mikropartikel in der Luft stammten vom motorisierten Verkehr. Rund 2.500 Todesfälle pro Jahr wurden dieser Art von Verschmutzung zugeschrieben. Seit Anfang des Jahrtausends räumt die Stadt vor allem dem Radverkehr immer mehr Platz ein. „Das ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit“, erklärt David Belliard, „Paris ist extrem dicht besiedelt. Wenn man also den Menschen, die in engen Wohnungen leben, ein Stück des öffentlichen Raumes, sei es durch Rad- oder Fußwege, zurückgibt, dann ist das ein sozialer Fortschritt.“ 

Die sanitäre Krise gab dieser Denkweise weiter Auftrieb. Die Pariser entdeckten das Fahrrad als echte Alternative zum Auto und auch zum öffentlichen Transport. Denn das hatte für sie gleich mehrere Vorteile, wie beispielsweise eine einfachere soziale Distanzierung, die Förderung der Gesundheit oder die Verfügbarkeit. Es waren vor allem die Menschen in den niedrigen Einkommensklassen, die den Weg zur Arbeit während des Lockdowns auf sich nehmen mussten und nicht im „Télétravail“ weitermachen konnten. „Denen haben wir eine Alternative geboten“, berichtet Belliard. Mehr Leihräder und vor allem die kurzfristige Einrichtung von temporären Radwegen, den sogenannten Pop-up-Wegen. 50 km wurden insgesamt während des ersten Lockdowns geschaffen, 10 km kamen inzwischen hinzu. Sie alle werden bleiben und in nächster Zeit in permanente Radwege umgewandelt. Die Zahlen geben den politischen Entscheidungsträgern recht, sodass sie Anfang 2021 den „Plan vélo“ vorstellen wollen. „Le but c’est de faire de Paris une ville 100% cyclable“, so Belliard abschließend.

Einfach ist besser

Der dänisch-kanadische Stadtplaner Mikael Colville-Andersen ist so etwas wie eine Koryphäe in urbaner Mobilität. Er berichtet über Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen, zweifellos eine der Vorreiterstädte in Sachen Fahrradpolitik. „Die Frage ist nicht, wie viele Autos unsere Straßen vertragen, sondern wie viele Menschen“, sagt Colville-Andersen. Und da ist das Rad natürlich im Vorteil. „Wenn das Rad der schnellste Weg von A nach B ist, dann fahren die Menschen Rad“, sagt er. Aus seinem Mund hört sich das recht simpel an, und seiner Meinung nach ist es das auch: „Fahrradpolitik ist keine Raketenwissenschaft. Man braucht dafür das Rad nicht neu zu erfinden. In Dänemark zum Beispiel gibt es nur vier Arten von Radwegen. Davon wird dann eine ausgewählt, und los geht’s.“ Alles, was kompliziert ist, wie zum Beispiel Radwege mit Gegenverkehr oder Radwege in der Mitte der Straßen, wird in Dänemark nicht gebaut. So würden Fehler von Anfang an vermieden. Und noch etwas ist Mikael Colville-Andersen wichtig: „Radfahren ist nicht nur von A nach B kommen, es ist urbanes Leben.“      

Es ist eine tolle Renaissance, und die müssen wir unterstützen

François Bausch, Minister für Mobilität und öffentliche Bauten

Von derartigen Erkenntnissen ist Luxemburg noch ein Stückchen weit entfernt. Auch hierzulande prämierte jahrzehntelang das Auto. Das Großherzogtum belegt in den Statistiken zur PKW-Anzahl pro Einwohner einen absoluten Spitzenplatz in der Welt. „Es ist noch nicht so lange her, da haben viele Menschen mir gesagt, auf die Karte Rad zu setzen, wäre politischer Selbstmord. Nun, ich bin noch immer hier“, sagt François Bausch („déi gréng“), Minister für Mobilität und öffentliche Bauten. Der Co-Organisator des Onlineseminars beobachtet eine gestiegene Akzeptanz in der Bevölkerung. Der nun vorgestellte multimodale Korridor zwischen der Hauptstadt und Esch wäre noch vor fünf bis sieben Jahren kaum denkbar gewesen, so Bausch. Der Radboom hätte auch nach dem Lockdown angehalten und die Radfahrer wollten sich jetzt nicht wieder auf die traditionellen Radwege zurückdrängen lassen. „Es ist eine tolle Renaissance, und die müssen wir unterstützen.“

Auch die Franzosen setzen in diesem Jahr vermehrt auf das Fahrrad als Transportmittel
Auch die Franzosen setzen in diesem Jahr vermehrt auf das Fahrrad als Transportmittel Foto: AFP

Ideen zur Förderung des innerstädtischen Radfahrens gibt es jedenfalls viele. Äthiopiens Transportministerin Dagmawit Moges will, dass ihr Land in Sachen sanfter Mobilität eine Vorreiterrolle in Afrika einnimmt. Der jeden Monat stattfindende autofreie Sonntag soll aufs gesamte Land ausgeweitet werden. In einem Zehnjahresplan werden den Städten Richtlinien für ein sicheres und effektiveres Verkehrssystem zugunsten der Fußgänger und Radfahrer vorgegeben. „Wenn das umgesetzt wird, haben wir ein Mittel gegen den Verkehrsinfarkt gefunden“, so Dagmawit Moges. Ähnliche Probleme kennt Nicolas Estupinan, Distriktssekretär in Kolumbiens Hauptstadt Bogota und dort für Mobilität zuständig. In der 7,4-Millionen-Einwohner-Metropole wurden während des Lockdowns 84 km Pop-up-Radwege geschaffen. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist groß und der Anteil des Fahrrads am Gesamtverkehr stieg von 6 auf 13 Prozent.

Doch es gibt auch Probleme mit dem motorisierten Verkehr, vor allem dem Lieferverkehr. Und somit mit der Sicherheit. Schlussendlich ist die Sicherheit aber Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen verstärkt auf das Transportmittel Rad zurückgreifen. Nicht nur in Bogota, sondern auch in Paris, Berlin, Mailand, Kopenhagen oder Luxemburg.  

Anke Thill
12. November 2020 - 18.05

Richtig Nomi, an eng Orange Lut op den Helm, de Bauer mus och eng um Trakter hun, an hien fiert net esou kriminell wei dei möchte Gerne kleng Gimondi‘s

Nomi
12. November 2020 - 14.20

Eng Plaque ob den Velo, een Fuehrerschein an eng Assurance !

Arm
12. November 2020 - 11.38

@ Jemp/Vollkommen objektiv a richteg. Et kann net oft genug gesoot gin. Wehret den Anfängen!

Umsteiger?
12. November 2020 - 10.35

Der Herr Bausch hat alles richtig gemacht. Auch ich habe mein Auto verkauft und bin aufs Zweirad umgestiegen. Da ich aber fürs Fahrrad zu alt bin hab ich mir eine 64er Simson Schwalbe zugelegt?.

Jemp
12. November 2020 - 10.31

Das Problem ist nicht, dass ein kleiner extremistischer Teil unserer Gesellschaft das Fahrrad fördern will, sondern, dass sie jeglichen Autoverkehr verbieten wollen. Das fängt mit Straßensperrungen im August an, geht mit Sonntagsfahrverboten weiter, danach Verbot von privatem Autoverkehr und am liebsten auch dem öffentlichen Transport. Es endet im Mittelalter. Wehret den Anfängen!