NahostkonfliktMit seinem Friedensplan zieht Trump den gordischen Knoten noch fester zu

Nahostkonflikt / Mit seinem Friedensplan zieht Trump den gordischen Knoten noch fester zu
„Einen großen Schritt Richtung Frieden“ verkündeten Trump und Netanjahu und erhoffen sich wohl auch einen großen Schritt in Richtung der eigenen Wiederwahl (Foto: AFP/Mandel Ngan)

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Donald Trumps Plan für eine Beilegung des Nahostkonfliktes zwischen Israel und den Palästinensern schert sich nicht um internationales Recht. Sollte die Weltgemeinschaft dieses Schauspiel tolerieren, wird bald nicht nur Israel anders aussehen. 

Ein Schock war Donald Trumps Ankündigung am Dienstag nicht. Erstens waren Einzelheiten des Friedensplans des US-Präsidenten zuvor schon durchgesickert. Zweitens sind sie in einer Linie mit Trumps bisheriger Nahostpolitik: Streichung der Gelder für das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, Anerkennung der Golan-Höhen als israelisches Staatsgebiet, die Betonung, israelische Siedlungen im Westjordanland nicht mehr als illegal zu betrachten.

Nun also Trumps Plan für den Frieden, dem der US-Präsident zuvor bereits das Etikett „ultimativ“ angeheftet hatte. Ausgehandelt wurde er mit nur einer der Konfliktparteien. Während die Palästinenser nicht eingebunden waren, stand Israels Premier Benjamin Netanjahu am Dienstag in Washington neben Trump, als dieser der Welt seine Lösung eines der kompliziertesten Konflikte der Nachkriegszeit darbot.

Wieso verworren, wenn es auch einfacher geht, scheint die Losung gewesen zu sein – also wurde nur mit israelischer Seite gesprochen und auch nur diese bedient. Annektierung der bestehenden jüdischen Kolonien im Westjordanland und von Teilen des Jordantales an der Grenze zu Jordanien. Jerusalem als „ungeteilte“ Hauptstadt Israels. Kein Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge. Womit ein jahrelanger Verstoß gegen internationales Recht legalisiert würde. Netanjahu strahlte, mehrmals griff er nach Trumps Hand, schlug ein.

Ein Flickenteppich, mehr nicht

Die Palästinenser, von denen keiner in Washington war, bekämen finanzielle Entschädigungen in Milliardenhöhe, ein Stück Wüste an der Grenze zu Ägypten sowie, unter Umständen, etwas, das Trump einen eigenen Staat nannte, das jedoch eher einem über Tunnel und Brücken verbundenen Flickenteppich rund um die jüdischen Siedlungen herum entspricht. Ohne Recht auf eine Armee, ohne eigenen Luftraum, ohne Flughafen, ohne Grenze zu Jordanien und damit zur arabischen Welt. Seiner erträumten Kornkammer im Jordantal beraubt. Dazu eine Hauptstadt in einem Vorort im Osten Jerusalems und eine schöne neue US-Botschaft dorthin.

Donald Trumps Vision einer Zwei-Staaten-Lösung lässt Benjamin Netanjahu frohlocken: Diese Karte twitterte der US-Präsident am Dienstag
Donald Trumps Vision einer Zwei-Staaten-Lösung lässt Benjamin Netanjahu frohlocken: Diese Karte twitterte der US-Präsident am Dienstag Screenshot: Twitter

Und auch das alles nur unter den Bedingungen, dass alle Palästinenser ihre Waffen abgeben und Israels Verantwortung für die Sicherheit im Westjordanland akzeptieren. Dafür gibt es vier Jahre Zeit, in der Israel keine neuen Siedlungen in den den Palästinensern zugesprochenen Gebieten bauen darf. Washington und Israel entscheiden dann irgendwann, ob die Palästinenser politisch und gesellschaftlich reif für ihren Flickenteppich sind oder nicht, für einen Staat ohne Souveränität. Falls nicht, haben sie gar nichts mehr zugute. „Deal des Jahrhunderts.“

Trump hatte mit Jared Kushner den eigenen Schwiegersohn zu seinem Mann für den Nahen Osten erklärt. Kushner hat nun mehr als drei Jahre gebraucht, um in Verhandlungen mit nur einer der Konfliktparteien deren Wünsche wahr werden zu lassen. Auf CNN erklärte Kushner die Dauer mit den Schwierigkeiten, einen Plan zu zeichnen. Und auch der jetzige sei nur ein Konzept, an dem sie Monate gearbeitet hätten. „Ich komme aus dem Immobilien-Business“, unterstrich Kushner seine Expertise in diesem Bereich. Die Palästinenser könnten den Plan jetzt annehmen und alles würde gut. Wenn sie es aber nicht täten, „dann lassen sie eine weitere Gelegenheit platzen, wie sie es immer getan haben in ihrer Geschichte“. Es klingt ein bisschen so, als sollten sich die Palästinenser gefälligst für die Mühen entschuldigen, die ihre Besatzung kostet.

Die Palästinenser sollen demnach jetzt einen Plan akzeptieren, der zu ihren Ungunsten internationales Recht beiseitewischt. In Trumps Welt thronen die Vorhaben eines ehemaligen Immobilienmaklers mittlerweile über Resolutionen der Vereinten Nationen. Zumindest ist das der Wunsch Trumps und auch der Wunsch Netanjahus.

Trumps „göttliche Inspiration“

Den neuen Plan stellten zwei Männer vor, die die Welt gerade aus anderem Blickwinkel betrachtet. Gegen Trump läuft ein Impeachment-Verfahren, das, sollte dessen Ex-Sicherheitsberater John Bolton vor dem Senat aussagen dürfen, unangenehmer werden könnte für den US-Präsidenten, als sich dieser das erhoffte. Netanjahu, der nur einer Übergangsregierung vorsteht und mitten im Wahlkampf steckt, wurde am Mittwoch offiziell wegen Korruption angeklagt.

Trumps Plan für Israel und die Palästinenser wird damit auch zum Wahlkampfmittel für beide Politiker. Netanjahu kann sich als Erfüller aller Wünsche von Israels Hardlinern verkaufen. Seinem Konkurrenten um das Amt des Regierungschefs, Benjamin Gantz, blieb am Dienstag nichts anderes übrig, als die Einladung Trumps, mit Netanjahu nach Washington zu kommen, anzunehmen und den Plan des US-Präsidenten zu loben – wohl wissend, dass nur sein Konkurrent politisches Kapital daraus schlagen wird. In den USA lässt Trumps Plan die Gebete der Evangelikalen wahr werden und sichert sich so deren Stimmen für die Präsidentenwahl im Herbst. Die Zahl der christlichen Zionisten in den USA wird auf 80 Millionen geschätzt. „Israel wurde gerade von Gott geküsst“, sagte Mike Evans von der Trump Faith Initiative gegenüber der Zeitung Jerusalem Post. Er würde jetzt nicht behaupten wollen, Trump sei Gott, so Evans weiter, „aber er hat eine göttliche Inspiration, das sage ich“.

„Israel wurde gerade von Gott geküsst“: Die „Evangelikalen für Trump“ nehmen den US-Präsidenten in ihren Gebetskreis – eine Wahlempfehlung an Millionen ihrer Anhänger in den USA 
„Israel wurde gerade von Gott geküsst“: Die „Evangelikalen für Trump“ nehmen den US-Präsidenten in ihren Gebetskreis – eine Wahlempfehlung an Millionen ihrer Anhänger in den USA  (Foto: AFP/Jim Watson)

Doch wenn die Beilegung eines solchermaßen unversöhnlichen Konfliktes quasi im Handumdrehen und unter Missachtung internationalen Rechts gelingen soll, dabei nur der Stärkere zu Wort kommt und dem Schwächeren nicht viel mehr als eine Kapitulation angeboten wird, die er nicht einmal so nennen darf, und dann auch noch quasi en passant der Wiederwahl der beiden Hauptdarsteller dienen soll – wie erfolgversprechend kann ein solches Vorhaben dann überhaupt noch sein? Diese Frage wird sich in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten klären.

Verhaltene arabische Welt

Auch wenn die palästinensische Sache nicht mehr das alles verbindende Element in der arabischen Welt ist, wie sie es die vergangenen 70 Jahre die meiste Zeit war, lehnen die meisten Akteure den Plan ab – wenn auch in immer noch diplomatischem Ton, der Lob für die Anstrengungen Trumps mit einbezieht. Am Samstag kommt die Arabische Union auf Bitte des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas zusammen. Dann wird auch deutlicher, wie der Stellenwert der Palästinenser für die arabische Welt noch zu bewerten ist.

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sehen ihren größten Feind längst im Iran, was Israel in dieser Frage zu einem Verbündeten macht. Die großen US-Verbündeten der Region, Ägypten und Jordanien, reagierten unterschiedlich. Amman lehnte den Plan ab, Kairo ermunterte die Palästinenser vorsichtig zur Aufnahme von Gesprächen. Bereits am Mittwoch prangerte die Arabische Liga eine „bedeutende Verletzung der legitimen Rechte der Palästinenser“ an. Katar begrüßte zwar den Vorstoß der USA, mahnte aber Änderungen an. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete den Plan als „absolut inakzeptabel“.

Sieht Trumps Plan im „Mülleimer der Geschichte landen“: Trotzdem wird es jetzt für Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nochmals schwerer, zur Zwei-Staaten-Lösung zurückzufinden 
Sieht Trumps Plan im „Mülleimer der Geschichte landen“: Trotzdem wird es jetzt für Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nochmals schwerer, zur Zwei-Staaten-Lösung zurückzufinden  (Foto: AFP/Abbas Momani)

Die Vereinten Nationen und auch Frankreich, Deutschland sowie Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn betonten die Notwendigkeit einer Zwei-Staaten-Lösung im Einklang mit internationalem Recht. Luxemburg unterstütze nach wie vor eine Zwei-Staaten-Lösung auf der Grundlage der unmittelbar vor Beginn des Sechstagekrieges von 1967 geltenden Grenzlinien. „Keine Initiative sollte als Vorwand genutzt werden, um weitere Verletzungen des internationalen Rechts in den besetzten palästinensischen Gebieten oder die Errichtung von Siedlungen in diesen Gebieten zu rechtfertigen“, heißt es in der Erklärung Asselborns. UN-Generalsekretär Antonio Guterres sprach von einem „Verstoß gegen das Völkerrecht“, eine Annexion wäre „verheerend“ für die Bemühungen um eine Friedenslösung.

Auch Russland begegnete Trumps Vorhaben mit Skepsis. Die russische Regierung rief Israel und die Palästinenser zu direkten Verhandlungen auf, um einen „für beide Seiten akzeptablen Kompromiss zu finden“. Das iranische Außenministerium hat bereits vom „Verrat des Jahrhunderts“ gesprochen. Die Palästinenser, wie sollte es anders sein, hatten den Plan Trumps da bereits lange mit schlimmsten Flüchen belegt. Die Hamas wies ihn ebenso zurück wie Abbas, der im palästinensischen Fernsehen erklärte, der Plan werde „im Mülleimer der Geschichte landen“.

Ob das wirklich geschehen wird, bleibt abzuwarten. Dazu müsste Trump vor allem seine Wahlen in diesem Jahr gewinnen. Aktuell scheint es schwer vorstellbar, dass ein anderer US-Präsident diesen Plan fortschreiben würde. Die Rückkehr auf eine Gesprächsbasis, der die international ausgehandelte Zwei-Staaten-Lösung zugrunde liegt, dürfte ebenfalls schwierig werden. Trump hat den gordischen Knoten des Nahostkonfliktes nicht gelöst, er hat eine weitere Schlaufe herumgewickelt.