Kopf des Tages: Robert Menasse, Europa-Liebe trifft literarische Exzellenz

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Robert Menasse ist von tiefstem Herzen Europäer – daran lässt er nie Zweifel. „Keine große Herausforderung, keine Krise, keine machtvolle Entwicklung, mit der wir konfrontiert sind heute, kann innerhalb von nationalen Grenzen gelöst werden oder an nationalen Grenzen abgehalten werden“, sagte Menasse in einem Wahlwerbespot vor der Europawahl. Viel klarer konnte es der Schriftsteller, der heute 65 Jahre alt wird, nicht ausdrücken.

Und so verwundert es nicht, dass Menasse und das Thema EU in den vergangenen Jahren fast wie unzertrennlich daherkamen. Ausgerechnet seine Europa-Liebe verleitete ihn aber zu Darstellungen, die es so nie gegeben hatte. Mit seinem Buch „Die Hauptstadt“, einer literarischen Innenansicht des EU-Betriebs in Brüssel, hat Menasse seinen wohl größten Erfolg gefeiert. Inzwischen ist das Buch auch als Theaterstück adaptiert worden. Doch dieser Erfolg Menasses wurde vor allem durch die Diskussionen über erfundene Zitate getrübt.

Der Österreicher hatte sowohl in seinen fiktionalen Texten als auch in politischen Schriften dem CDU-Politiker Walter Hallstein Sätze in den Mund gelegt, die dieser so nie gesagt hatte. Außerdem verortete er Hallsteins Antrittsrede als erster Kommissions-Vorsitzender der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, eines EU-Vorläufers, fälschlicherweise auf das Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz.

Menasse verteidigte sich zunächst und erklärte unter anderem, dass der Sinn der Aussagen weiterhin korrekt sei. „Was fehlt, ist das Geringste: das Wortwörtliche. Was kümmert mich das Wörtliche, wenn es mir um den Sinn geht?“, fragte Menasse. Im Januar 2019 folgte dann aber eine klare Entschuldigung: „Es war ein Fehler von mir, Walter Hallstein in öffentlichen Äußerungen und nicht-fiktionalen Texten Zitate zuzuschreiben, die er wörtlich so nicht gesagt hat.“

Bei den Medien blieb Menasse, der 1954 in Wien als Sohn eines Profi-Fußballers zur Welt kam, aber trotz der Debatten beliebt – nicht zuletzt, weil er sich nicht allzu oft zu Wort meldet, dann aber zu aktuellen politischen Ereignissen deutlich Stellung bezieht und als uneingeschränkter Befürworter des Projekts Europa bekannt ist. Das Friedensprojekt habe nur eine Zukunft, wenn diese Zukunft grün sei.

Zu seinem Geburtstag wollte sich der studierte Germanist, Philosoph und Politikwissenschaftler, der 1980 über den Typ des Außenseiters im Literaturbetrieb promovierte, aber nicht äußern.

Nach seinem Studium verbrachte Menasse einige Jahre als Lektor, Gastdozent und Übersetzer in Brasilien. Ende der 1980er-Jahre kehrte Menasse, dessen Schwester Eva ebenfalls eine preisgekrönte Autorin ist (Heinrich-Böll-Preis, Friedrich-Hölderlin-Preis), nach Wien zurück und arbeitet seitdem als Schriftsteller. Sein erster Roman „Sinnliche Gewißheit“ erschien 1988, auch als Essayist war Menasse erfolgreich.