ForumKlimaschutz: EU als Wegweiser

Forum / Klimaschutz: EU als Wegweiser
 Foto: dpa/Gehad Hamdy

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Bedingt durch die aktuellen Kriege in der Ukraine und dem Nahen Osten rückt eine für die Menschheit wesentliche Herausforderung leider in den Hintergrund: der Kampf gegen den Klimawandel. Der Fokus ist zurzeit eher auf die blutigen Auseinandersetzungen im Gazastreifen und die russische Invasion in der Ukraine gerichtet. Dieses kurzfristige Denken spiegelt allerdings eine humane Eigenschaft wider, die in ihrem ganzen Umfang nachzuvollziehen ist.

In der Tat ist die Spezies Mensch eher besorgt um Probleme, die einen direkten und spürbaren Effekt auf das tägliche Leben ausüben. Wohl sendet ebenfalls der Klimawandel regelmäßig Signale, doch werden die ersten Nackenschläge vielfach ignoriert. Dementsprechend halten sich weltweit wirksame Gegenmaßnahmen noch in Grenzen. Der Objektivität wegen muss aber erwähnt werden, dass vor allem in vielen europäischen Staaten Anstrengungen unternommen werden, damit ein möglicher Kollaps ausbleibt.

Im Dezember 2019 hat die EU den ehrgeizigen „Green Deal“ präsentiert. Bis 2030 sollen die klimaschädlichen Emissionen im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent reduziert werden. Im selben Zeitraum ist ein Anteil an erneuerbaren Energien von 42,5 Prozent vorgesehen und das Pflanzen von drei Milliarden Bäumen steht bis zu diesem Datum auf dem Programm. 2035 muss Schluss mit den Verbrennungsmotoren sein. Und schlussendlich möchte man auf EU-Ebene im Jahr 2050 die Klimaneutralität erreichen, das heißt kein Ausstoß mehr von Netto-Treibhausgasen. Die EU soll somit der erste klimaneutrale Kontinent werden.

Investitionen in erneuerbare Energien fördern

Wie in vielen anderen Bereichen muss die EU in der Energieversorgung autonomer und unabhängiger werden. Der Ukraine-Krieg belegt, wie schnell, mit dem nötigen politischen Willen, Russland als hauptsächlicher Gaslieferant abgelöst werden konnte. Der Blick muss jetzt unbedingt auf die erneuerbaren Energien gerichtet werden. Mit dem im Mai 2022 ins Leben gerufenen Programm REPowerEU präsentiert die Europäische Union ein Bündel an Maßnahmen, um eine moderne und ressourcenschonende Energiepolitik zu unterstützen. Erste Resultate geben Anlass zur Hoffnung: Im vergangenen Jahr konnte mehr Strom aus Wind- und Solaranlagen als aus Gas gewonnen werden. 39 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in der EU stammen heute bereits aus erneuerbaren Energiequellen und die Windenergieleistung konnte um 16 GW gesteigert werden, wie auf der Internetseite des Europäischen Rates zu lesen ist.

In der Kritik steht ebenfalls der Luftverkehr, obwohl der CO₂-Ausstoß von Flugzeugen weltweit „nur“ für etwa 3-4% der Erderwärmung verantwortlich ist. Und doch drängt sich eine Kurskorrektur in der Flugzeugindustrie auf. Das Zauberwort heißt nun SAF (Sustainable Aviation Fuel). Um das „Net Zero“ bis 2050 erreichen zu können, bedarf es laut dem Luftfahrtverband IATA fast 450 Milliarden Liter SAF. Durch die anfallenden Mehrkosten bleibt eine Erhöhung der Flugpreise unausweichlich. Die Politik kommt allerdings nicht umhin, ebenfalls die Produktion alternativer Treibstoffe für Flugzeuge zu fördern. Bis 2050 verfolgt die EU im Rahmen der „RefuelEU Aviation-Initiative“ das Ziel, den Anteil nachhaltiger Flugkraftstoffe auf 70 Prozent festzulegen. In Norwegen möchte die Firma Norsk e-Fuels die erste Produktionsanlage für nachhaltigen Flugkraftstoff in Betrieb nehmen. Erfreulich ist aus Luxemburger Sicht, dass seit März 2022 Lux-Airport Aktionär von Norsk e-Fuels ist und der neue Fedil-Präsident Georges Rassel den Posten des Verwaltungsratspräsidenten innehat.

Insbesondere dem Wasserstoff muss in Zukunft noch größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dadurch kann die Nutzung von fossilen Brennstoffen bedeutend reduziert werden. Die Idee einer Europäischen Wasserstoffbank ist durchaus lobenswert. Somit können der Gebrauch von erneuerbarem Wasserstoff in der EU sowie Importe von internationalen Partnern gefördert werden. „Wasserstoff made in Europe“ soll keine Utopie mehr sein. Allerdings, so Experten, ist die Nutzung von dieser alternativen Energiequelle aktuell nur für längere Fahrten rentabel.

Alle Kräfte müssen gebündelt werden, damit die EU Vorreiter bei CO₂-neutralen Technologien wird. Sie sollte bei der Cleantech-Revolution eine Führungsrolle übernehmen. Neue Arbeitsplätze können im Energiesektor geschaffen werden und die Wirtschaft wird wettbewerbsfähiger. In dem Sinne hat das Europäische Parlament am vergangenen 25. April mit 361 Ja-Stimmen bei 121 Gegenstimmen und 45 Enthaltungen das Netto-Null-Industrie-Gesetz verabschiedet.

Finanzielle Anstrengungen sind vonnöten

Um den Klimawandel effizient zu bekämpfen, bedarf es aber zusätzlich, die Biodiversität zu verbessern. In der Tat geht der Artenschwund heute viel schneller voran, als dies in den letzten Jahrhunderten der Fall war. Bereits 2017 wies die „Krefelder Studie“ auf das Insektensterben hin. Zwischen 1989 und 2016 wurde ein besorgniserregender Rückgang der Fluginsekten-Biomasse von 76 Prozent festgestellt. Die Zerstörung von Ökosystemen führt zu einer erhöhten Erderwärmung. Wir müssen dieser Entwicklung schleunigst Einhalt gebieten. Auch in diesem Bereich kann die EU, die unter anderem durch die Vogel- und Habitat-Direktiven den Weg schon vorgezeichnet hat, zusätzliche Akzente setzen. Mit der im vergangenen März vom Europäischen Parlament beschlossenen „Nature Restoration Law“ müssen Mitgliedstaaten bis 2030 insgesamt 30 Prozent ihrer terrestrischen und aquatischen Habitate in einen guten Erholungszustand bringen. Durch die Restaurierung von Feuchtgebieten kann zum Beispiel Kohlenstoff gespeichert werden.

Wer leugnet, dass Klimaschutz ohne großen finanziellen Aufwand möglich sei, verkennt die Realität. In den kommenden Jahren müssen nicht nur auf EU-Ebene, sondern weltweit Milliarden Euro für den Klimaschutz bereitgestellt werden. Um den Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft zu ermöglichen, können also öffentliche und private Investitionen nicht ausbleiben. In dem Sinne sind Ausgaben von 30 Prozent des langfristigen EU-Haushalts im Zeitraum 2021-2027 und des Instruments „NextGenerationEU“ für umweltfreundliche Projekte vorgesehen. Die am stärksten vom Wandel zu einer CO₂-armen Wirtschaft betroffenen Regionen erhalten 90 Milliarden Euro an Unterstützung (vgl. www.consilium.europa.eu/de/policies/climate-change/#finance). 

Unlängst forderte der französische Präsident Emmanuel Macron in einer Grundsatzrede an der Pariser Sorbonne, dass das Mandat der Notenbank (EZB) um Wachstum und Klimaschutz erweitert werden sollte. Wenn auch bereits kritische Töne aus Berlin Macrons Vorstoß begleiteten, zeigte die EZB allerdings eine gewisse Bereitschaft, den Kampf gegen den Klimawandel aufzunehmen. Diese interessante Diskussion befindet sich zwar noch in einem embryonalen Zustand, sollte aber spätestens nach der Europawahl wieder ernsthaft geführt werden.

Viele EU-Staaten tun sich schwer, aktiv gegen die anhaltende Umweltzerstörung vorzugehen. Ein Beweis mehr, wie unentbehrlich eine Europäische Union ist, um über Verordnungen, Gesetze und Direktiven die Mitgliedstaaten zu zwingen, ihre Hausarbeiten zu erledigen. Die EU sollte im Bereich des Klima- und Naturschutzes zum Vorbild auf dem Planeten werden. Das nötige Potenzial ist vorhanden.

Gusty Graas ist DP-Abgeordneter.
Gusty Graas ist DP-Abgeordneter. Foto: Chambre des députés