Staatsbesuch aus TschechienKleine und große Deals unter Freunden

Staatsbesuch aus Tschechien / Kleine und große Deals unter Freunden
Stehen für gemeinsame europäische Werte: der tschechische Präsident Petr Pavel (links) und Premier Luc Frieden Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Beim Staatsbesuch des tschechischen Präsidenten Petr Pavel in Luxemburg geht es um gemeinsame europäische Werte und Prinzipien, die in der Ukraine verteidigt werden müssen. Aber auch um das Business, das im Herzen Europas steckt.

Vielleicht beginnt die luxemburgisch-tschechische Freundschaft nicht mit der „Schueberfouer“. Aber ein Meilenstein in der gemeinsamen Geschichte der beiden Länder ist der größte Jahrmarkt des Großherzogtums schon. Gegründet wurde die „Schueberfouer“ im 14. Jahrhundert von Johann dem Blinden, Graf von Luxemburg, den die Tschechen als Jan Lucemburský, Jan den Luxemburger, kennen – weil er später König von Böhmen wurde. Die Verbindung zwischen Luxemburg und Tschechien, sie reicht in eine Zeit zurück, lange bevor beide Länder in ihrer heutigen Form überhaupt existierten. Knapp 700 Jahre später steht Luxemburgs Premier Luc Frieden (CSV) neben Petr Pavel, dem Präsidenten der Republik Tschechien, und sagt: „Wir haben heute nicht in die Vergangenheit geschaut, sondern in die Gegenwart und in die Zukunft.“ Denn die sieht gerade alles andere als einfach aus.

Es ist der zweite und letzte Tag der Staatsvisite von Präsident Pavel und seiner Frau Eva Pavlová. Großherzog Henri und seine Frau Maria Teresa haben die Gäste aus Tschechien empfangen, man hat gemeinsam Blumenkränze niedergelegt, Unternehmen besucht, eine europäische Schule und auch den Europäischen Gerichtshof. Viel Protokoll, viel Zeremonie, Fototermine. Aber hinter den Bildern und Kulissen auch: viel Politik. Bereits am Donnerstag hat sich der tschechische Präsident mit Frieden getroffen, aber auch mit Parlamentspräsident Claude Wiseler (CSV) und Außenminister Xavier Bettel (DP). An diesem Freitagnachmittag nun treten Frieden und Pavel gemeinsam vor die versammelte luxemburgische und tschechische Presse.

Der lange Schatten Russlands

Es geht um Europa, um Freiheit, um Rechtsstaatlichkeit. Immer wieder betonen die beiden Politiker ihre gemeinsamen Haltungen und Positionen. „Ich habe gesehen, wie nah sich Luxemburg und Tschechien sind, wenn es um die zentralen Themen der EU geht“, sagt Frieden. Die EU und NATO seien für Luxemburg extrem wichtig, so der Premier, sie könnten aber nur funktionieren, wenn ihre Mitglieder dieselben Ansichten hätten. Frieden wiederholt sein Versprechen, bis zum NATO-Gipfel in Washington im Juli einen Plan vorzulegen, wie Luxemburg über die nächsten zehn Jahre seine Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttonationaleinkommens steigern könnte. 

Russlands Schatten ist allgegenwärtig, auch beim Treffen von Petr Pavel und Luc Frieden
Russlands Schatten ist allgegenwärtig, auch beim Treffen von Petr Pavel und Luc Frieden Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, er legt sich dieser Tage immer als bedrohlicher Schatten über die Szenerie, wenn sich zwei europäische Staatsoberhäupter treffen. Pavel, dem ehemaligen General, merkt man seine Sicherheit auf militärischem Terrain an. Auch er spricht von den gemeinsamen Werten, die es in der Ukraine zu verteidigen gilt. Und auch er betont die Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit. „Wir müssen uns um uns selbst kümmern, aber wir sind auch eingebettet in größere Strukturen.“ Frieden findet einmal mehr deutliche Worte: „Russland ist der Aggressor. Russland hat internationales Recht gebrochen. Russland kann und darf diesen Krieg nicht gewinnen.“ Luxemburg werde alles tun, damit die Ukraine bekommt, was sie braucht, um die Souveränität über ihr gesamtes Territorium zurückzugewinnen. Ob das auch bedeute, luxemburgische Bodentruppen in die Ukraine zu schicken, fragt ein Journalist. „Priorität hat, der Ukraine das zu geben, wonach sie gefragt hat. Und das sind Waffen und Munition“, sagt Frieden. Andere Optionen seinen im Moment nicht gefragt und lägen deshalb auch nicht auf dem Tisch.

„Russland setzt auf Kriegsmüdigkeit“, sagt Pavel. „In der Ukraine und in unseren Ländern.“ Die Unterstützung für die Ukraine müsse schneller werden, das sei „eine Frage auch unserer eigenen Sicherheit in der Zukunft“. Der tschechische Präsident hat deshalb eine Initiative gestartet, um schnell und effektiv Munition für die ukrainische Artillerie zu sammeln. Nachdem Tschechien seine Vorräte aufgebraucht hatte, so Pavel, machte man sich auf die Suche nach anderen Ländern, die das haben, was die Ukraine braucht. „Es gibt viele Länder, die ehemals sowjetische Technologie nutzen.“ Einige von ihnen seien bereit, diese Munition oder Technik zu verkaufen, so Pavel, ohne namentlich genannt zu werden – aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen und ihren Beziehungen zu Russland. Auf diese Weise konnten tschechische Unternehmen mit staatlicher Unterstützung bereits 800.000 Ladungen Munition aufkaufen. 15 Länder seinen außerdem bereit, diese Initiative finanziell zu unterstützen, damit Munition schnell gekauft und an die Ukraine geliefert werden könne. „Und das ist nicht der letzte Schritt“, sagt Pavel.

Wenn es um Munition geht, landet man schnell im Geschäftsfeld der NSPA. Die „NATO Support and Procurement Agency“ sitzt seit 1968 im luxemburgischen Capellen und ist für die Logistik des Nordatlantikbündnisses zuständig – von der Anschaffung neuer Waffensysteme bis zur Instandhaltung und der Unterstützung durch Munition oder Treibstoff. Die NSPA ist so etwas wie das Bindeglied zwischen Industrie und Partnerländern. Sie schließt Verträge mit Unternehmen ab und geht sogenannte „Support-Partnerships“ mit NATO-Ländern ein. Dabei kann es um Munition gehen, aber auch um unbemannte Flugsysteme. Der Krieg in der Ukraine hat auch bei der NSPA vieles verändert. Im Jahr 2023 schloss sie Verträge in einer Rekordhöhe von insgesamt 10,6 Milliarden Euro ab.

Bereit für den „systemischen Rivalen“

Am Freitagmorgen besucht das tschechische Präsidentenpaar, begleitet vom Großherzog und Verteidigungsministerin Yuriko Backes (DP), die Anlage. Mit dabei: eine Delegation von 30 tschechischen Unternehmen, vorwiegend aus den Bereichen IT, Weltraumtechnologie und Cybersicherheit. Sektoren, in denen man Innovation vorantreiben und Geschäfte machen will. Oder wie es Radek Jakubský, Vizepräsident der tschechischen Handelskammer, am Nachmittag bei einem luxemburgisch-tschechischen Business-Forum in der „Chambre de commerce“ ausdrücken wird: „In Tschechien haben wir keinen Zugriff auf das Meer oder den Ozean, aber auf das Weltall.“

Wirtschaftlicher Austausch ist somit auch das zweite große Ziel dieses Staatsbesuchs. Und der soll neben Besuchen beim Satellitenbetreiber SES und der NSPA vor allem auf Kirchberg in der „Chambre de commerce“ stattfinden. Dort unterzeichnen am Freitagnachmittag Fernand Ernster, Präsident der luxemburgischen Handelskammer, und sein tschechischer Kollege Jakubský ein „Memorandum of Cooperation“, um die zukünftige Zusammenarbeit von luxemburgischen und tschechischen Unternehmen zu stärken.

Die tschechische Delegation und Großherzog Henri (Mitte) zu Gast beim Satellitenbetreiber SES
Die tschechische Delegation und Großherzog Henri (Mitte) zu Gast beim Satellitenbetreiber SES Foto: Editpress/Alain Rischard

Für Frieden bedingt das Wirtschaftliche das Politische: „Wenn wir ein kompetitives Europa haben, schaffen wir gute Jobs. Die führen zu Wohlstand. Und Wohlstand führt zu Frieden.“ Starke wirtschaftliche Verflechtungen seien das, was Europa schon immer ausgemacht habe, sagt der Premier. Und erinnert an die Entstehungsgeschichte der Europäischen Gemeinschaft aus der „Montanunion“, der Vereinigung deutscher und französischer Schwerindustrie.

Nie wieder Krieg in Europa, dafür wirtschaftliche Kooperation, das war damals die Devise. Gegenüber Russland ist diese Taktik – das hat uns die Geschichte schon gelehrt – krachend gescheitert. Und so ist es heute im Jahr 2024 kein Erinnerungsfetzen aus dem Kalten Krieg, sondern neue, harte Realität, wenn Petr Pavel vor der „Chambre de commerce“ von der Bedeutung von florierenden Unternehmen spricht, um dem „systemischen Rivalen“ entgegentreten zu können. Die Freiheit und die Werte Europas, sie werden anscheinend nicht nur in der Ukraine verteidigt, sondern auch auf dem Weltmarkt.