Sonntag9. November 2025

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Europäische InvestitionsbankKeine Bank wie alle anderen: Die EIB in Luxemburg finanziert Europas politische Ziele

Europäische Investitionsbank / Keine Bank wie alle anderen: Die EIB in Luxemburg finanziert Europas politische Ziele
Der Hauptsitz der Europäischen Investitionsbank auf Kirchberg Foto: Christian Muller

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Im Gespräch mit Luxemburger Journalisten erläutert Nadia Calviño, Präsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB), wie diese ihre Rolle im neuen geopolitischen Kontext wahrnimmt. Mit einem verstärkten Fokus auf Verteidigungsinvestitionen und einer weiteren Förderung des grünen Wandels positioniert sich die EIB als Finanzierungsinstrument für ein starkes und sicheres Europa.

„Während des Jahres 2024 haben wir bei den Finanzierungen wieder Rekorde gebrochen, mit insgesamt 89 Milliarden Euro an Investitionen“, so Nadia Calviño am Montagnachmittag. 60 Prozent dieser Summe seien dabei in die Unterstützung des grünen Wandels geflossen, hebt sie weiter hervor. „Wir haben Rekordzahlen bei der Finanzierung von Energiesicherheit erreicht, die Investitionen in Kohäsionsregionen erreichten neue Höchststände und die Investitionen in Sicherheit und Verteidigung haben sich verdoppelt.“

Die spanische Ökonomin und Juristin ist nun seit rund einem Jahr Präsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB). Vor dem Mandat war sie Wirtschaftsminister in ihrem Heimatland. Davor hatte sie hochrangige Ämter in der Europäischen Kommission inne, etwa als stellvertretende Generaldirektorin Binnenmarkt und Generaldirektorin Haushalt.

Dabei ist die EIB keine Bank wie alle anderen. Mit ihren Finanzierungen hilft sie der Europäischen Union, politische Ziele zu erreichen. Dazu zählen traditionell etwa die Förderung des Binnenmarktes und der Wissensgesellschaft sowie grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte und der Kampf gegen den Klimawandel.

Die EIB will, wie jede andere Bank auch, einen Gewinn erzielen – zahlt jedoch nie eine Dividende an ihre Aktionäre aus. Erwirtschaftete Gewinne fließen ins Eigenkapital der Bank und erlauben ihr, noch mehr Projekte finanziell zu unterstützen. Sie ist eine „Entwicklungsbank“, wie die Weltbank, die deutsche KfW oder die Luxemburger SNCI – nur viel größer. Ihre Anteilseigner sind die Mitgliedsländer der EU. Ihren Sitz hat sie auf Kirchberg in Luxemburg, wo sie mittlerweile mehr als 4.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Verteidigungsinvestitionen im Fokus

Man tue alles, um vorbereitet zu sein, „unsere Rolle im aktuellen geopolitischen Kontext zu spielen und für ein stärkeres Europa in einer sichereren, stabileren, widerstandsfähigeren und wohlhabenderen Welt zu arbeiten“, sagt Calviño. In dieser Zeit von „tektonischen Verschiebungen in der internationalen Ordnung“ sei es, wichtiger denn je, zusammenzukommen und die Einheit Europas zu zeigen und gemeinsam die richtigen Lösungen zu finden, was man im jährlichen EIB-Forum, das diese Woche stattfindet, hervorheben will.

In der Vergangenheit waren der Bank, mit einer Bilanzsumme von fast 600 Milliarden Euro, Finanzierungen in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung nur sehr bedingt gestattet. Das hat sich mit der geopolitischen Lage zuletzt aber geändert. „Im vergangenen Jahr haben wir die Förderkriterien erweitert, sodass wir nun Investitionen in Schlüsselbereichen wie kritische Infrastruktur, Landgrenzschutz, Weltraum, Cybersicherheit, Minenräumung, Dekontamination und Drohnen finanzieren können“, erläutert Calviño.

Auf die Bemerkung, dass Finanzierungen von über zwei Milliarden für die EIB doch relativ wenig Geld seien, erklärt sie, dass die Bank zuletzt eine umfangreiche Roadshow durch alle Mitgliedstaaten durchgeführt habe, um mit Industrien, Verteidigungsministerien und Regierungschefs zu sprechen und Marktlücken zu identifizieren. „Um zu sehen, wo wir einen Beitrag leisten können.“ Die Förderkriterien sollen als Ergebnis nun noch weiter überprüft werden, um dem Mandat der Staats- und Regierungschefs gerecht zu werden.
Man wolle „unsere Unterstützung für Europas Sicherheits- und Verteidigungsindustrie verstärken“ und gleichzeitig die Geschäftstätigkeit und finanzielle Stabilität der EIB-Gruppe wahren, unterstreicht sie.

Günstige Finanzierungen als Spezialität

Das Kreditwürdigkeitsrating AAA ist für die EIB überaus wichtig, da es ihr ermöglicht, sich für einen günstigen Zinssatz am Markt Geld zu leihen, um dann den eigenen Kunden ebenfalls günstige Finanzbedingungen anbieten zu können. „Für ein starkes und sicheres Europa muss auch die EIB stark sein“, so die Finanzspezialistin.

Die Bank sei aber kein Verteidigungsministerium, unterstreicht sie. „Jeder hat seine Rolle zu spielen.“ Die EIB sei ein komplementärer Teil der Lösung und biete Maßnahmen zur Ergänzung anderer wichtiger Akteure an. „Jede Institution soll dort handeln, wo sie den größten Mehrwert bieten kann.“

Calviño weist darauf hin, dass die proaktive Herangehensweise der Bank bereits Wirkung zeige: Man habe bereits eine robuste Pipeline von 14 Projekten, die derzeit geprüft werden und in den kommenden Monaten genehmigt werden können. Zu diesen Projekten gehören Drohnen und militärische Mobilität, aber auch militärische Einrichtungen wie der Bau eines Militärlagers in Litauen nahe der belarussischen Grenze zur Unterbringung einer Bundeswehrbrigade.

Nadia Calviño: „Jeder hat seine Rolle zu spielen“
Nadia Calviño: „Jeder hat seine Rolle zu spielen“ Foto: Christian Muller

„Auch sind wir wahrscheinlich der wichtigste Investitionspartner der ukrainischen Regierung im Moment“, erklärt Nadia Calviño weiter. In dieses Land hatte sie ihre erste offizielle Außer-EU-Reise als EIB-Präsidentin geführt. Das bedeute Reparatur von Energieinfrastruktur, Eisenbahnen, Schulen, Krankenhäusern und auch die Bereitstellung von Finanzmitteln für ukrainische kleine und mittlere Unternehmen, hebt sie hervor. Die Bank finanziere auch Exporte europäischer Unternehmen in die Ukraine durch eine Exportkreditgarantie.

Ein weiterer Anstieg der Finanzierungen im Verteidigungsbereich ist zudem bereits vorgesehen: Einer der großen Punkte im am Dienstag von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgestellten „Plan zur Wiederaufrüstung Europas“ ist unter anderem die Mobilisierung von weiterem Kapital durch weitere Kredite der EIB.

Auch bestätigt Nadia Calviño am Montagnachmittag Investitionen der EIB in die Ausbeute kritischer Rohstoffe. Dies sei einer der im vergangenen Jahr von den Staats- und Regierungschefs der EU identifizierten Prioritätsbereiche. „Es wurden bereits Projekte innerhalb der Union finanziert und wir haben eine Pipeline von Projekten innerhalb und außerhalb der Union.“

Reindustrialisierung und Kapitalmarktunion

Angesprochen auf die Gründe der seit Jahren nicht so richtig in Gang kommenden Reindustrialisierung Europas verweist Calviño auf die Schlussforderungen vorliegender Expertenberichte. Es gebe im Wesentlichen drei Hebel: Marktintegration, Vereinfachung und großangelegte Investitionen. Als EIB versuche man, in allen drei Fortschritte zu erzielen. Calviño bezeichnet die Bank als europäisches Kapitalmarktinstrument. „Wir geben Anleihen unter einer europäischen Signatur aus. Wir lenken Ersparnisse in Investitionen paneuropäischer Natur gemäß den Prioritäten Europas.“

Auf die seit zehn Jahren diskutierte Kapitalmarktunion wartet sie nicht. „Die EIB versucht von unten nach oben zu arbeiten: Können wir Instrumente schaffen, die paneuropäisch sind und die Finanzierungslücken schließen, indem wir öffentliche und private Investitionen zum Nutzen der europäischen Wirtschaft mobilisieren?“

Zum Abschluss des Gesprächs geht Calviño auf die Zusammenarbeit mit Luxemburg ein und betont die Win-win-Situation der Präsenz der EIB im Großherzogtum. Man arbeite sehr eng mit den luxemburgischen Behörden zusammen und sei ein „stolzer Bewohner“ des Luxemburger Kirchberg.


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